"Ich finde es schön, noch Wurzeln woanders zu haben"

Felix Agu im Interview des Monats - Teil II

Felix Agu schaut während des Aufwärmens vor einem Heimspiel des SV Werder Bremen nach oben.
In Teil II des Werder-Interviews spricht Felix Agu über seine Herkunft (Foto: nordphoto).
Interview
Donnerstag, 04.03.2021 / 08:31 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Bei einem kleineren Verein als Jugend-Spieler in Ruhe seinen Weg zu gehen, sei für ihn genau das Richtige gewesen, befand Felix Agu im ersten Teil des großen WERDER.DE-Interviews. Im zweiten Teil spricht er über sein erstes Bundesliga-Tor, Kindheitserinnerungen an Nigeria und seinen ehemaligen Trainer Daniel Thioune.

WERDER.DE: Beim 2:0 gegen Augsburg hast du das erste Tor vorbereitet, das zweite selbst geschossen. Welche Bedeutung hatte dieses Spiel für dich?

FELIX AGU: „Es hat mir Selbstvertrauen gegeben, denn ich konnte allen zeigen und vor allem auch mir selbst beweisen, dass ich in der Bundesliga mithalten kann. Das ist für alle zukünftigen Herausforderungen sehr wichtig. Aber ich weiß auch, dass ich hart arbeiten muss, damit ich meinen Weg weitergehen kann. Letztlich sollte man gute Spiele nicht überbewerten und sich von nicht so guten Spielen auch nicht zu sehr runterziehen lassen, sondern in der Einschätzung der eigenen Leistung immer eine gute Balance finden. Nach dem 2:0 samstags gegen Augsburg mussten wir am Dienstag danach nach Gladbach. Und schon da mussten wir uns alle wieder neu beweisen.“

Agu: "Würde sehr gerne noch einmal nach Nigeria reisen"

WERDER.DE: Hast du mal daran gedacht, wie es gewesen wäre, das Tor gegen Augsburg im vollen wohninvest WESERSTADION zu schießen?

FELIX AGU: „Puh, es wäre natürlich etwas anderes gewesen, nach dem Tor in die Kurve zu laufen, vor den Fans zu stehen, mit ihnen zu jubeln. Im Moment guckt man hoch, alles ist leer. Außerdem habe ich das Tor vor der Ostkurve geschossen. In Osnabrück gibt es auch die Ostkurve mit den Stehplatz-Fans, die die meiste Stimmung im Stadion machen. Ich weiß also, was das bedeutet. Mit Zuschauern im Stadion wäre das Tor überragend gewesen. Ich hoffe, dass ich das in Zukunft nochmal erleben darf.“

WERDER.DE: Dein Vater wurde in Nigeria geboren. Warum hat er sich entschieden, nach Deutschland zu kommen?

FELIX AGU: „Ganz klar: Er wollte damals ein besseres Leben haben. Nicht nur für sich, sondern auch für seine zukünftigen Kinder, die er irgendwann mal haben würde. Damit wir, also meine Schwester und ich, bessere Möglichkeiten in unserem Leben haben, als er sie in Nigeria hatte.“

WERDER.DE: Wie stark hat die Herkunft deines Vaters deine Kindheit geprägt?

FELIX AGU: „Wir waren in Nigeria, als ich vier Jahre alt war. Im Heimatdorf meines Vaters wurden meine Schwester, die zweieinhalb Jahre älter ist als ich, und ich getauft. Mein Vater hat sechs Geschwister, einige von ihnen leben noch in Nigeria. Genau wie meine Oma. Deshalb gibt es natürlich Berührungspunkte mit dem Land. Nigeria geht es leider nicht sehr gut. Aber ich finde es schön, noch eine zweite Herkunft und noch Wurzeln woanders zu haben als in Deutschland. Ich würde sehr gerne noch einmal nach Nigeria reisen. Denn die Taufzeremonie ist mir zwar im Gedächtnis geblieben, alles andere kenne ich aber nur von Fotos. Leider gab es noch nicht die passende Gelegenheit. Aber es wäre schön, wenn wir nochmal mit der ganzen Familie dorthin kommen.“

Wir empfinden hier vieles als selbstverständlich, was andere aber gar nicht haben.
Felix Agu über das Leben in Deutschland

WERDER.DE: Im Werder-Podcast hast du vor einigen Monaten gesagt, dass du dir vorstellen kannst, ein Patenkind in Afrika zu unterstützen. Warum ist dir das wichtig?

FELIX AGU: „Weil es mir hier in Deutschland sehr gut geht und ich gerne etwas zurückgeben möchte. Wir empfinden hier vieles als selbstverständlich, was andere aber gar nicht haben. Man kann so leicht Gutes tun und Kindern in Afrika vielleicht eine Schulbildung oder eine warme Mahlzeit am Tag ermöglichen. Wie ich das genau angehe, weiß ich noch nicht. Wichtig ist, eine Organisation finden, zu der ich Vertrauen habe. Damit die Unterstützung auch ankommt. Das weiß man ganz sicher wahrscheinlich nur, wenn man sich tatsächlich selbst vor Ort kümmert. Aber gerade in der jetzigen Zeit, weiß ja niemand, wann man wieder uneingeschränkt reisen kann.“

WERDER.DE: Was sagen deine Eltern dazu, dass du Fußball-Profi geworden bist?

FELIX AGU: „Sie sind sehr stolz. Aber als ich noch in der dritten Liga gespielt habe, wollte mich mein Vater davon überzeugen, dazu auch ein Fernstudium zu beginnen. Dann ging es allerdings so schnell nach oben, dass ich ihm gesagt habe, dass ich das etwas verschiebe (lacht). Ich habe mein Abitur gemacht, so dass ich jederzeit die Möglichkeit hätte zu studieren.“

Nordderby vor vollen Rängen auf der To Do-Liste

WERDER.DE: Der VfL Osnabrück wurde nach starkem Saisonstart in den vergangenen Wochen in der zweiten Liga nach unten ‚durchgereicht‘. Was ist bei deinem Ex-Club los?

FELIX AGU: „Das fragen sich im Moment alle. Und sind natürlich sehr unzufrieden. Zunächst waren sie ganz oben dabei. Dann kam auf einmal ein Einbruch, den niemand erwartet hatte. Bei Werder haben ja vergangene Saison auch alle die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn man einmal in einen Negativtrend geraten ist. Dann ist es schwer, wieder herauszukommen. Ich denke, dass die Mannschaft nach den vielen Niederlagen endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis braucht, um Selbstvertrauen zu tanken. Ich drücke ihnen jedenfalls die Daumen.“

WERDER.DE: Genau wie du hat auch dein ehemaliger Trainer Daniel Thioune im Sommer den VfL verlassen und arbeitet nun beim Hamburger SV. Ist es schwierig für dich, ihm als Werderaner den Aufstieg zu wünschen?

FELIX AGU: „Ich bin sicher, dass ich nicht der einzige bin, sondern dass es einige Werder-Fans gibt, die sich den HSV wieder in der ersten Liga wünschen, weil es dann endlich wieder das Nordderby geben würde. Und wenn dann sogar wieder Fans ins Stadion können, wäre das doch ein echtes Highlight.“

WERDER.DE: Was macht Daniel Thioune aus?

FELIX AGU: „Im Gespann mit seinem Co-Trainer Merlin Polzin, der mit ihm zum HSV gegangen ist, hat er uns taktisch immer extrem gut vorbereitet. Ich habe das damals als selbstverständlich angesehen. Aber bei Werder habe ich dann gemerkt, dass wir in der dritten Liga und auch in der U19 Videoanalysen gemacht haben, die denen nahekamen, die wir hier in der Bundesliga machen. Das zeigt einfach das hohe Niveau und hat sicher auch unseren Erfolg in der dritten Liga zu einem großen Teil ausgemacht und dann zum souveränen Aufstieg geführt. Außerdem ist Daniel Thioune menschlich ein Super-Typ, sehr ehrlich, er hat immer ein offenes Ohr und ist immer für einen Spaß zu haben.“

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Nahaufnahme von Felix Agu auf dem Weg zum Training des SV Werder Bremen.

"Ich bin in der Jugend unter dem Radar geschwommen"

Ein Jahr 3. Liga, ein Jahr 2. Bundesliga beim VfL Osnabrück, dann verließ Felix Agu seine Heimatstadt und kam im Sommer zum SV Werder. Im ersten Teil des großen WERDER.DE-Interviews spricht der 21 Jahre alte Außenverteidiger über Jubel in Marseille, Training für den linken Fuß und seine Bewunderung für Jay-Jay Okocha.

03.03.2021 / 12:13 / Interview

WERDER.DE: Im Oktober wurde eine Corona-Infektion bei dir festgestellt. Was hast du als erstes gemacht, nachdem du die Information bekommen hattest?

FELIX AGU: „Ich war zunächst geschockt und habe dann meine Eltern angerufen. Insgesamt war ich einfach sprachlos, wusste gar nicht, was ich machen sollte. Und habe mich dann einfach auf die zwei Wochen Quarantäne vorbereitet, aus denen dann leider sogar drei wurden.“

WERDER.DE: Welche Rolle spielte die Angst, noch andere angesteckt zu haben?

FELIX AGU: „Ich habe schnell überlegt, zu wem ich Kontakt hatte. Es hat sich dann bald herausgestellt, dass ich mich am Montag angesteckt haben muss. Tahith Chong, der am Wochenende zuvor beim Spiel in Freiburg mit mir in einem Zimmer gewesen war, konnte daher aus der Quarantäne. Aber dass wegen mir der gesamte Trainings- und Spielbetrieb unserer Mannschaft hätte eingestellt werden müssen, daran mochte ich gar nicht denken.“

Hier geht es zum ersten Teil des großen WERDER.DE-Interviews mit Felix Agu, in dem der 21 Jahre alte Außenverteidiger über Jubel in Marseille, Training für den linken Fuß und seine Bewunderung für Jay-Jay Okocha spricht.

Noch mehr von Felix Agu:

Zu Beginn seiner Zeit bei den Grün-Weißen war Felix Agu zu Gast im Werder-Podcast, wo er unter anderem über die Zeit in der Quarantäne berichtete. Erfreulichere Themen gab es hingegen im Werder Strom-Talk nach dem 2:0-Heimsieg gegen Augsburg, zu dem Agu in seinem Startelf-Debüt gleich einen der Siegtreffer beisteuerte. Hier könnt ihr euch das Video noch einmal anschauen. 

 

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