"Ein Spiel mit Museumscharakter"

Sebastian Prödl im Interview vor dem Auswärtsspiel in München

Sebastian Prödl auf dem Platz mit Ball am Fuß.
Sebastian Prödl schnürte sieben Jahre lang die Fußballschuhe für den SVW (Foto: nordphoto).
Profis
Samstag, 20.01.2024 / 10:00 Uhr

Das Interview führte Moritz Studer

„München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich wehtun. Kann aber auch glimpflich ausgehen.“ Dieses Zitat von Ex-Werder-Profi Sebastian Prödl darf in der Vorberichterstattung des Auswärtsspiels des SV Werder bei den Bayern nicht fehlen. Der 36-jährige Österreicher stand aber auch beim letzten Sieg der Grün-Weißen beim Rekordmeister auf dem Feld. Im WERDER.DE-Interview spricht der zweifache Familienvater über seine Pläne nach der aktiven Laufbahn und die besondere Herausforderung im Nord-Süd-Klassiker.

WERDER.DE: Moin Basti, was ist nun schlimmer: Ein Zahnarztbesuch oder ein Auswärtsspiel in München?

Sebastian Prödl: Zum Glück habe ich seit längerer Zeit keine Probleme mehr mit den Zähnen gehabt (schmunzelt). Aber auch so ist der Besuch in München natürlich schöner als der Zahnarztbesuch. Ich bin froh, dass es dieses Duell nach dem einen Jahr in der 2. Liga wieder auf höchstem Niveau gibt.  

WERDER.DE: Mit dem Vergleich dieser beiden notwendigen Termine hast du den Fußballspruch des Jahres 2015 geliefert. Wie bist du auf diese Parallele gekommen?

Sebastian Prödl: Das kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Aufgrund meiner Gesichtsverletzung damals musste ich des Öfteren meine Zähne checken lassen und weiß, wie schmerzhaft die Behandlungen sind. Ich habe mit Werder auch Zeiten erlebt, wo wir auch mit dem Gefühl dorthin gefahren sind, in München gewinnen zu können. Danach kamen aber auch Jahre, wo es härter wurde, bei den Bayern anzutreten und wir um den Klassenerhalt gespielt haben. Und eine Niederlage mit vier oder fünf Toren kann dann genauso schlimm sein wie der Zahnarztbesuch.  

WERDER.DE: Bei deiner Premiere in der Allianz-Arena 2008 hast du einen unvergesslichen 5:2-Sieg gefeiert. Bis heute war es der letzte Sieg des SVW gegen den Rekordmeister. Was war damals für diesen besonderen Erfolg ausschlaggebend?

Sebastian Prödl: An dem Tag hat einfach alles gepasst. Ich bin damals sehr jung nach Bremen gekommen und habe bis zum Spaziergang vor dem Spiel gar nicht damit gerechnet, in der Startelf zu stehen. Thomas Schaaf wollte aber einen zusätzlichen Innenverteidiger aufstellen…

WERDER.DE: …und du bist dann als Rechtsverteidiger aufgelaufen.

Sebastian Prödl: Ich habe mich voll auf das Verteidigen konzentriert – dafür hatten die Jungs davor mehr Freiheiten (lacht). Meine Eltern waren im Stadion und wurden bei jedem Tor mit Bier und Senf überschüttet, weil sie gejubelt haben. Alles in allem war es in dieser Art und Weise ein Spiel mit Museumscharakter für mich. Wir konnten dadurch unseren Saisonstart mit zwei Punkten aus drei Spielen aufwerten und es hat uns den Schub zum späteren DFB-Pokalsieg und dem Europapokal-Finale gegeben.

WERDER.DE: Mit dem FC Watford hast du in der Premier League vier Mal gegen Bayern-Stürmer Harry Kane gespielt. In drei dieser vier Begegnung ist Kane ohne Treffer geblieben. Wie verteidigt man diesen Ausnahmestürmer?

Sebastian Prödl: Da gibt es nur ein Erfolgsrezept: Du darfst ihm nicht den nötigen Freiraum geben. Er handelt im Strafraum instinktiv immer richtig und hat die Schussgewalt, auch von außerhalb zu treffen. Er ist kein Spieler, der dir wegläuft oder gegen den du ein Kopfballduell verlierst, wenn du eng stehst. Wenn du ihm aber einen Meter Raum gibst, weiß er, wo der Ball hinkommt. Du musst immer wach sein.

Ich möchte mich einer operativen Rolle im Fußball widmen, auf die ich mich im kommenden halben Jahr vorbereite.
Sebastian Prödl

WERDER.DE:Mittlerweile hast du deine aktive Laufbahn beendet und sitzt im Aufsichtsrat von Austria Wien. Wie glücklich bist du mit deinem Leben nach der Karriere?

Sebastian Prödl: Ich habe mich nach der Karriere entschlossen, meine Zeit erstmal meiner Familie zu widmen. Während dieser Übergangszeit habe ich ein UEFA-Studium – das gleiche wie Clemens Fritz, mit dem ich im engem Austausch und auch gut befreundet bin – abgeschlossen und bin nun lizensierter internationaler UEFA-Manager. Außerdem habe ich Anteile von Austria Wien gekauft und bin damit automatisch in den Aufsichtsrat gerückt, um dort mitzuwirken und sportliche Expertise einzubringen. Es ist ein gutes Feld, um zu lernen, weil wir viel umstrukturieren müssen.

WERDER.DE: Deine Meinung als Experte ist aber auch in der Sportberichterstattung gefragt.

Sebastian Prödl: Ich bin im Fernsehen für ServusTV für die internationalen Wettbewerbe und den DFB-Pokal tätig. Da werde ich auch bei der Europameisterschaft in Deutschland dabei sein. Danach möchte ich mich einer operativen Rolle im Fußball widmen, auf die ich mich im kommenden halben Jahr vorbereiten möchte. Dazu habe ich meine Gedankengänge, die ich aber noch nicht vertiefen möchte.

WERDER.DE: Nach deinem Wechsel nach England hast du uns in einem Interview 2016 erzählt, dass du bei den Werder-Spielen „mitgefiebert, mitgelitten und mitgejubelt“ hast. Ist die Leidenschaft für Werder bis heute geblieben?

Sebastian Prödl: Ich war sieben Jahre Teil des Vereins und seiner Kultur und bin mit dem Verein immer noch sehr eng verbunden. Ich schaue so viele Spiele wie möglich. Im letzten Jahr habe ich bei Klaus Filbry und Frank Baumann hospitiert und den Klub von einer anderen Seite kennengelernt. Das hat nur bestätigt, warum ich den Verein so gernhabe, weil er Werte vermittelt, mit denen ich mich identifizieren kann. Das wird bei mir nicht vergehen, ihr werdet mich nicht los (lacht).

"Durch diesen Nenner brauchen wir nicht viel Smalltalk"

WERDER.DE: Mit Marco Friedl und Romano Schmid spielen immer noch zwei Österreicher für Werder, Letzterer ist sogar genau wie du gebürtiger Grazer. Inwiefern verfolgst du ihren Weg?

Sebastian Prödl: Werder hat ja die Tradition, mit Österreichern glücklich zu werden. Mit Marco Friedl habe ich mich Rahmen der Hospitation in einem Café mal ausgetauscht, mit Romano Schmid habe ich auf dem Flug der Nationalmannschaft nach Stockholm zum EM-Qualifikationsspiel länger gequatscht. Bei dem gemeinsamen Nenner den wir haben, brauchen wir nicht viel Smalltalk. Ich bin froh, dass Friedl als Kapitän und Schmid als Antreiber im Mittelfeld eine tragende Rolle spielen.

WERDER.DE: Welche Tipps würdest du ihnen für Sonntag mit an die Hand geben?

Sebastian Prödl: Den Mut zu gewinnen und keine Angst zu verlieren. Klar sind die Chancen gering, aber die Münchner haben kleinere Probleme im Defensivverbund, wo man ihnen wehtun kann. Primär wird es aber wichtig sein, ihre Offensivstärke zu bewachen. Je länger die Null steht, desto höher kann der Glaube wachsen. Ich bin nicht nur als Werder-Fan davon überzeugt, dass es in diesem Spiel eine Chance gibt, zu gewinnen.

WERDER.DE: Das sind wir auch. Wir danken dir sehr für das nette Gespräch, lieber Basti!

 

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