„Ein langer Weg…“

Der Werdegang von Niklas Schmidt Teil I

Niklas Schmidt.
Niklas Schmidt ist mit dem SV Werder Bremen verbunden wie kaum ein Zweiter (Foto: W.DE).
Profis
Samstag, 24.06.2023 / 11:00 Uhr

Von Martin Lange

Kein aktueller Bundesliga-Spieler der Grün-Weißen ist stärker mit dem Verein verbunden als Niklas Schmidt. Nicht nur, weil er bereits 2012 mit 14 Jahren zum SV Werder kam, sondern insbesondere, weil er von 2014 bis 2017 in der Geschäftsstelle eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann absolvierte. Dieser Text ist als Titelgeschichte im WERDER-MAGAZIN Nr. 355 (nur für Mitglieder erhältlich) veröffentlicht worden und wird nun zweigeteilt auf WERDER.DE erscheinen. Im ersten Teil wird der Weg von Niklas Schmidt aus Kassel nach Bremen skizziert.

Thorsten Bolder, auch heute noch als Sportlicher Leiter U15 bis U17 in verantwortlicher Position im WERDER Leistungszentrum, erinnert sich gut an diesen Tag im Jahr 2012: Der damalige U15-Trainer der Grün-Weißen war zu einem Spiel der U15 von Rot-Weiß Erfurt gereist. Und was zunächst eine gewöhnliche Spiel- und Spielerbeobachtung zu werden schien, wurde ein besonderes Erlebnis. „Bei Erfurt spielte hinten ein Spieler, man kann sagen als Libero, der sofort auffiel“, weiß Bolder noch genau. „Als sein Team 0:1 zurücklag, ging er mit nach vorne, spielte Mittelstürmer, schoss das 1:1, war auch am 2:1 beteiligt und ging dann wieder nach hinten und verteidigte. Ich fand es sehr bemerkenswert, dass ein Spieler mit 14 Jahren das so entschied, ohne große Absprache mit dem Trainer.“

Die Fußballanfänge von Niklas Schmidt

Dieser bereits damals aus seiner Mannschaft herausragende Spieler war Niklas Schmidt. 1998 in Kassel geboren. Die Eltern vor allem im Handball aktiv. Durch seinen vier Jahre älteren Bruder Sebastian begann er bereits als Sechsjähriger bei der SpVgg Olympia Kassel mit dem Fußball. Einige Jahre später wechselte er zum ambitionierten OSC Vellmar, mit dessen U15 er von der Hessen-Liga in die Regionalliga aufstieg, und folgte 2011 seinem Bruder, der dort bereits seit einem Jahr spielte, zu Rot-Weiß Erfurt. „Für mich war es ein Segen, dass er bereits dort war. Mein Bruder kannte schon viele Leute. Wir haben uns ein Zimmer geteilt“, blickt der heutige Werder-Profi zurück. „Alleine hätte ich es wahrscheinlich nicht gemacht.“e

Und so stellte diese Zeit in der nur eineinhalb Bahnstunden von Kassel entfernten thüringischen Landeshauptstadt bei beiden Brüdern entscheidende Weichen für ihre (fußballerische) Zukunft. Sebastian Schmidt entschied sich nach einer Verletzung dazu, wieder nach Kassel zurückzukehren und später einer beruflichen Karriere außerhalb des Fußballs den Vorrang zu geben. Bei Niklas Schmidt stellte sich derweil fast zeitgleich Thorsten Bolder vor und lud ihn nach Bremen ein. „Also habe ich mir alles angeschaut, und danach war mir sehr schnell klar, dass ich zu Werder will“, erinnert er sich an seine Entscheidung fürs Wilhelm-Scharnow-Internat der Grün-Weißen. Kontakte zu anderen großen Clubs habe es nicht gegeben. „Im Stadion wohnen zu können, das hat damals besonders Eindruck auf mich gemacht.“

Das WERDER Leistungszentrum bekam also im Sommer 2012 einen neuen Innenverteidiger für die U15. Schnell freundete sich Niklas Schmidt an der Weser mit dem gleichaltrigen Mattis Daube an, der aus der Nähe von Göttingen stammt und daher unter anderem bei Heimfahrten mit der Bahn von Beginn an Reisepartner war. „Ich habe schnell Anschluss gefunden“, unterstreicht Niklas Schmidt. „Es gab eine sehr gute Gemeinschaft mit den anderen Jungs im Internat. Ich hatte nie richtig Heimweh.“ Schließlich habe man bei den mit Schule und Fußball vollgepackten Tagen auch gar nicht viel Zeit gehabt, um nachzudenken, schmunzelt er. „Abends waren wir ziemlich k. o. Das war insgesamt eine coole Zeit.“

Sportlich brachte Niklas Schmidt von Anfang an vieles mit, um sofort bei Werder Fuß zu fassen. „Er hatte einen starken Schuss, war sehr präsent und laufstark. Und Niklas war im Spiel in der Lage, seine Mannschaft mitzunehmen“, sagt Thorsten Bolder über den damaligen Innenverteidiger, der den Jahrgang der 1998 geborenen Nachwuchsspieler bei Werder in den Folgejahren prägte – insbesondere gemeinsam mit dem gleichaltrigen Johannes Eggestein, der 2013 zu den Grün-Weißen kam. Ein Jahr nach Niklas Schmidt also, der wiederum im Laufe der Zeit zunächst ins defensive Mittelfeld vorrückte und schließlich noch weiter nach vorne. Schmidt und Eggestein seien in der U17 und der U19 „die absoluten Ausnahmespieler“ gewesen, so Bolder. „Und sie haben das sehr genossen.“

Nachwuchsteams des DFB

Klar, dass die starken Leistungen bei Werder Niklas Schmidt auch für die Nachwuchsteams des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) interessant machten. Am 25. März 2014 debütierte das Werder-Talent in der deutschen U16. Beim 5:1 gegen Tschechien in Weimar stand Niklas Schmidt in der Startelf, gemeinsam mit ‚Jojo‘ Eggestein, der in dieser Partie drei Treffer erzielte. Auch zwei Tage später in Markranstädt durfte er wieder von Anfang an ran und bejubelte sogar seine ersten beiden Länderspieltore: Beim 3:2-Erfolg gegen Tschechien traf Niklas Schmidt zum zwischenzeitlichen 1:1 und 2:1. „Dieses erste Mal vergisst man nicht. Wenn man mit 15 Jahren den Adler auf der Brust trägt, ist das ein Gefühl, das man sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Außerdem war alles hoch professionell, top organisiert“, schwärmt er und lacht: „Das Einzige, was jeder selbst machen musste, war, sich anzuziehen...

Wenn man mit 15 Jahren den Adler auf der Brust trägt, ist das ein Gefühl, das man sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
Niklas Schmidt

Insgesamt lief Niklas Schmidt in den Folgejahren 28 Mal für Deutschland auf (von der U16 bis zur U19) und erzielte dabei bemerkenswerte zwölf Tore. Bei der U17-EM 2015 wurde er mit seinem Team Vize-Europameister; erst im Finale gab es eine 1:4-Niederlage gegen Frankreich. Bei der U17-WM in Chile einige Monate später kam dagegen schon im Achtelfinale das Aus durch eine 0:2-Niederlage gegen Kroatien. „International waren diese beiden Turniere für mich die bisher größten Momente“, macht Niklas Schmidt deutlich.

Zu seinen besten Werder-Momenten als Jugend-Fußballer gehörte der Gewinn der Staffelmeisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost im Jahr 2016 unter Trainer Mirko Votava, als die U19 der Grün-Weißen unter anderen den VfL Wolfsburg, den Hamburger SV und Hannover 96 hinter sich ließ. „Leider hatten wir dann im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft keine Chance“, erinnert sich Schmidt. Gegen 1899 Hoffenheim gab es damals sowohl auswärts (1:3) als auch in Bremen (0:2) jeweils eine Niederlage. Für Niklas Schmidt endete damit sein einziges U19-Jahr. In der Saison 2016/2017 rückte er als A-Jugendlicher bereits in die U23 von Trainer Alexander Nouri auf, war sofort eine feste Größe und kam auf erstaunliche 32 Einsätze (zwei Tore) in der 3. Liga, denen in der Spielzeit 2017/2018 weitere 30 Drittliga-Partien mit drei Treffern folgten.

Der erste Profivertrag

Offiziell hatte Niklas Schmidt dabei bereits den Status eines Profispielers. Denn Anfang Juli 2016 hatte der damals gerade 18-Jährige seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Auf diesen wichtigen Moment seiner Karriere blickt er heute mit gemischten Gefühlen zurück. „Zum einen war es eine Bestätigung, dass ich bis dahin einiges richtig gemacht hatte“, sagt Schmidt. „Allerdings dachte ich damals, dass ich es geschafft hatte und ein paar Wochen später mein erstes Bundesliga-Spiel machen würde. Ich habe mich auf meinem Talent ausgeruht und geglaubt, ich müsse nicht mehr so viel machen.“

Tatsächlich musste er zunächst nicht lange auf sein erstes Bundesliga-Spiel warten. Unter dem von der U23 zu den Profis beförderten Alexander Nouri wurde Niklas Schmidt am 24. September 2016 im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg in der 76. Minute für Clemens Fritz eingewechselt. Und er erlebte eine unglaubliche Premiere: In der Nachspielzeit schnappte sich Schmidt den Ball, trat eine Ecke, die Theodor Gebre Selassie per Kopf zum umjubelten 2:1-Siegtreffer verwandelte. Erstes Bundesliga-Spiel, erster Scorer-Punkt. Und das gleich bei der ersten Partie, bei der Niklas Schmidt überhaupt im Spieltagskader der Profis stand. Eine Geschichte wie ein Traum. Doch es sollte wenig traumhaft weitergehen…

Zwei weitere Male reichte es in den folgenden Wochen noch für den Kader, für einen Einsatz in der Bundesliga allerdings nicht mehr. „Ich habe wieder in der U23 gespielt, aber diese Spiele nicht mehr so ernst genommen“, erinnert er sich. „Es prasselte viel auf mich ein. Ich habe immer mehr zugenommen. Die Verantwortlichen haben mir immer wieder aufgezeigt, dass ich nicht richtig fit war und athletisch Defizite hatte. Aber ich wollte das nicht wahrhaben. Heute weiß ich: Mit etwas mehr Disziplin hätte ich wohl eher meine nächsten Bundesliga-Spiele gemacht.“ Die Konsequenzen damals waren weitreichend: An weitere Einsätze in der Bundesliga war nicht zu denken. Die U23 stieg derweil aus der 3. Liga in die Regionalliga ab. Und der Werder-Weg von Niklas Schmidt endete vorerst: „Mir wurde deutlich gesagt, dass es für mich besser ist, den Verein zu wechseln, statt in der vierten Liga zu spielen.“

Kapitel SV Wehen Wiesbaden

Kein leichter Schritt für Niklas Schmidt, auch wenn er rückblickend dankbar dafür ist. „Mir hat es sehr gutgetan, mal ein neues Umfeld zu erleben, in eine gestandene Mannschaft zu wechseln, in der es auch viele erfahrene Spieler gibt.“ Und so ging es für ihn in der Saison 2018/2019 zunächst per Leihe zum Drittligisten SV Wehen Wiesbaden. „Dort habe ich gelernt, was wirklich dazu gehört, wenn man Profi sein will. Auch außerhalb des Spielfelds, also hinsichtlich Ernährung, Krafttraining oder wie man seinen Tagesablauf vernünftig gestaltet, um die beste Leistung zu bringen.“ Dabei macht Niklas Schmidt kein Hehl daraus, dass es von der Theorie bis zur Umsetzung bei ihm etwas länger dauerte. „Ich hatte Mitspieler, die mir die richtigen Denkanstöße gegeben haben. Ich habe es zwar nicht sofort so gemacht wie sie. Aber ich hatte vieles zumindest schon mal gehört“, schmunzelt er.

Mit fünf Treffern und elf vorbereiteten Toren in 33 Spielen hatte Niklas Schmidt einen bedeutenden Anteil daran, dass der SV Wehen Wiesbaden die Relegationsspiele gegen den FC Ingolstadt erreichte, sich auch in diesen durchsetzte und den Aufstieg in die 2. Bundesliga feierte. Für Schmidt endete damit die Zeit in Wiesbaden. In die zweite Liga führte sein Weg allerdings trotzdem. Denn es folgte eine weitere Leihe – nun zum VfL Osnabrück.

Ein Glücksfall. Denn: Unter Trainer Daniel Thioune und Co-Trainer Merlin Polzin, die Niklas Schmidt rückblickend zu den prägendsten Begleitern seiner bisherigen Karriere zählt, „habe ich mich nicht nur fußballerisch enorm weiterentwickelt, sondern auch menschlich“. Der Grund dafür: „Sie sind sehr offen und ehrlich mit mir umgegangen und haben sich viel Zeit für mich genommen.“ Niklas Schmidt ernährte sich unter anderem fortan vegetarisch, später vegan. Er genoss die familiäre Atmosphäre beim VfL („Für mich war das wie das ‚kleine Bremen‘“) und profitierte von der ganz besonderen Mentalität und Leidenschaft seines damaligen Teams: „Wir hatten in Osnabrück sicher nicht die besten Trainingsbedingungen der Liga. Aber niemand hat sich darüber beschwert. Wir haben trotzdem immer versucht, das Optimum daraus zu machen.“

Nach zwei Jahren endete für Niklas Schmidt kurioserweise auch die Zeit in Osnabrück mit Relegationsspielen gegen den FC Ingolstadt. Dieses Mal allerdings als Zweitligist und ohne Happy End. der VfL stieg aus der 2. Bundesliga ab. Schmidt hatte derweil 47 Zweitliga-Spiele auf seinem Konto, war gereift und durfte insgesamt auf eine positive Entwicklung blicken. Beste Voraussetzungen also, um im Sommer 2021 gestärkt zum SV Werder zurückzukehren? Und das insbesondere, weil sich die Grün-Weißen nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga neu aufstellen mussten …!?

 

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