Die zweite Chance

Der Werdegang von Niklas Schmidt Teil II

Niklas Schmidt jubelt gemeinsam mit Romano Schmid.
Niklas Schmidt feierte 2022 mit Werder die Bundesliga-Rückkehr (Foto: W.DE).
Profis
Sonntag, 25.06.2023 / 11:00 Uhr

Von Martin Lange

Kein aktueller Bundesliga-Spieler der Grün-Weißen ist stärker mit dem Verein verbunden als Niklas Schmidt. Nicht nur, weil er bereits 2012 mit 14 Jahren zum SV Werder kam, sondern insbesondere, weil er von 2014 bis 2017 in der Geschäftsstelle eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann absolvierte. Dieser Text ist als Titelgeschichte im WERDER-MAGAZIN Nr. 355 (nur für Mitglieder erhältlich) veröffentlicht worden und wird nun zweigeteilt auf WERDER.DE erscheinen. Im zweiten Teil spricht Niklas Schmidt über seinen Weg in die Bundesliga, den Umgang mit psychischen Problemen und seine Zukunft.

„Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass ich eine Chance bekomme“, sagt Niklas Schmidt nach seiner Rückkehr an die Weser. Doch es kam zunächst anders. „Mein Berater rief mich im Urlaub an und sagte, dass er sich nach einem anderen Verein für mich umschaut, da Werder nicht mehr mit mir plant. Leider gab es damals nicht so viele Alternativen, die für mich in Frage kamen. Ich konnte ja noch nicht so viel vorweisen in meiner Karriere. Das war keine angenehme Situation.“ Mit der sich Niklas Schmidt allerdings nicht abfinden wollte. Er blieb hartnäckig, konnte letztlich bei den Werder-Profis mittrainieren und sich fit halten. „Ich glaube, dass alle überrascht waren, wie fit ich wieder hierherkam“, lacht er. „Ich war überzeugt, dass der erste Eindruck die zweite Chance für mich ist, und wollte sie unbedingt nutzen.“

Tatsächlich stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass der damalige Cheftrainer Markus Anfang auf Niklas Schmidt baute. „Man kann im Profifußball gut trainieren, seine Leistung bringen und spielt dann trotzdem nicht“, weiß Schmidt. „Man ist immer darauf angewiesen, dass der Trainer die Leistung auch so gut einschätzt. Daher bin ich Markus Anfang sehr dankbar für sein Vertrauen.“ Keine Frage: Niklas Schmidt rechtfertigte dieses Vertrauen von Beginn an. Im ersten Pflichtspiel der Saison 2021/2022, dem DFB-Pokal-Duell beim VfL Osnabrück, stand er 90 Minuten lang für Werder auf dem Platz. Und auch an den ersten elf Zweitliga-Spieltagen kam er zum Einsatz.

Zwar folgten einige Wochen mit weniger Spielzeit. Doch in den letzten zehn, bekanntlich sehr entscheidenden Partien der Saison kam Niklas Schmidt – mittlerweile unter Cheftrainer Ole Werner – wieder regelmäßig zum Einsatz. Und durfte am Ende mit seiner Mannschaft einen Erfolg feiern, der aus dieser Spielzeit Schmidts ganz persönliches Fußball-Märchen machte. „Der Aufstieg war für mich der bisher emotionalste Moment im Sport“, bekennt der Mittelfeldspieler. „Gerade vor dem Hintergrund des gesamten Saisonverlaufs, sowohl für mich als auch für die Mannschaft…“ Und dann machten die Grün-Weißen die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus mit dem 2:0 gegen Jahn Regensburg am letzten Spieltag auch noch dort perfekt, wo Niklas Schmidt einst sein erstes Zimmer in Bremen bezogen hatte – im wohninvest WESERSTADION.

Die Ankunft in der Bundesliga

Mittlerweile ist klar, dass der geglückte Aufstieg für Niklas Schmidt die Basis war, um sechs Jahre nach seinem Bundesliga-Debüt endgültig im Fußball-Oberhaus anzukommen. Denn 24 Einsätze mit insgesamt mehr als 1.000 Spielminuten in der abgelaufenen Erstliga-Saison, dazu drei Treffer können sich mehr als sehen lassen. Das findet auch Cheftrainer Ole Werner, der über Niklas Schmidt sagt: „Mich freut seine Entwicklung, denn er hat dafür sehr viel gearbeitet. Niklas besitzt eine extrem gute Spielübersicht und Spielintelligenz. Er kann auf engem Raum alle Situationen lösen und hat einen rechten Fuß mit außergewöhnlichen Qualitäten im Passspiel, im Abschluss und bei Standards.“

Besonders blickte ganz Fußball-Deutschland auf diese herausragenden Fähigkeiten, als Niklas Schmidt in der Hinrunde beim 3:2-Erfolg in Dortmund und in der Rückrunde bei der knappen 1:2-Niederlage gegen Bayern München zwei sehenswerte Treffer erzielte. „Verrückt…“, sagt Schmidt und schüttelt noch immer lachend den Kopf, wenn er an das Spiel in Dortmund erinnert wird. Dass ich mein erstes Bundesliga-Tor per Kopf mache, damit hatte ich am wenigsten gerechnet. Dann auch noch in Dortmund… Man hat nach dem Tor nur unsere Fans gehört…“

Niklas Schmidt startete nach seinem Treffer zum 2:2 in der Nachspielzeit einen Jubellauf übers gesamte Spielfeld. Dass kurz darauf noch das 3:2 für die Grün-Weißen fiel, machte aus dieser Partie eines der verrücktesten Werder-Spiele der vergangenen Jahre. Und dann das Duell mit den Bayern am 31. Spieltag: In der 82. Minute eingewechselt, traf Niklas Schmidt vier Minuten später mit einem satten Fernschuss in den Winkel des Münchener Tors zum 1:2-Anschlusstreffer, den er erst einige Stunden später realisierte: „Auf dem Platz ging es viel zu schnell. Man freut sich kurz, und dann geht es schon weiter. Erst als ich mir mein Tor zu Hause noch einmal angeschaut habe, konnte ich es so richtig wahrnehmen.“

Niklas Schmidt hat in seiner ersten kompletten Erstliga-Saison zweifellos nachgewiesen, dass er auf höchstem Niveau mitspielen und eine wichtige Rolle für Werder spielen kann. „Das gibt natürlich Selbstvertrauen“, betont er. „Und das ist das Wichtigste im Sport. Ich versuche, immer positiv zu denken, und glaube daran, dass man jeden Gegner schlagen kann. Denn wenn der Kopf mitspielt, kann man seine beste Leistung bringen.“

Wenn der Kopf nicht mehr mitspielt

Dass der Kopf bei Niklas Schmidt zuletzt nicht immer mitspielte – auch das ist eine Erkenntnis der abgelaufenen Saison, die der 25-Jährige in bemerkenswerter Offenheit öffentlich machte, als er über seine psychischen Probleme sprach. Mittlerweile gehe es ihm „mal so, mal so“, sagt Schmidt, für den es „das Wichtigste ist, dass ich mit schlechten Phasen nun besser umgehen kann und weiß, wann ich mehr auf mich achten und mal vom Fußball abschalten muss“. Professionelle Unterstützung werde ihn auch in der Zukunft weiter begleiten, sagt er: „Schließlich will ich so viel Spaß am Leben haben wie möglich. Ich bekomme viele wertvolle Tipps. Und oft sind es Kleinigkeiten, die man verändert und die einen Rieseneffekt haben. Wenn man merkt, dass einem das hilft, macht man es weiter. Es ist ein langer Weg, aber man kann ihn selbst beeinflussen.“

Heute würde ich das anders machen und lieber das Gespräch suchen.
Niklas Schmidt

Hinter Niklas Schmidt liegt bereits ein Vierteljahrhundert Lebensweg, auf dem er einige Stolpersteine wegräumen musste. Dabei ist er dankbar für alle, die diesen Weg begleitet und auch dann nicht aufgegeben haben, wenn es ausgesprochen schwierig war. Denn Niklas Schmidt weiß heute um die Herausforderungen, vor die er seine Mitmenschen früher gestellt hat: „Wenn ich unzufrieden war, bin ich leider nicht immer respektvoll mit anderen umgegangen. Heute würde ich das anders machen und lieber das Gespräch suchen, als die Unzufriedenheit zum Beispiel vor der ganzen Mannschaft auszutragen.“

Sein ehemaliger Trainer Thorsten Bolder bestätigt den nicht immer einfachen Umgang und bezeichnet die damalige Zusammenarbeit mit dem jungen Niklas Schmidt schmunzelnd als „interessant“. Er sagt: „Wir waren immer mal unterschiedlicher Ansicht, zum Beispiel wenn er meinte, im Training etwas weniger machen zu können, aber dann trotzdem zur Nationalmannschaft zu fahren.“ Dabei macht Bolder deutlich: „Wir würden heute sicher beide einiges anders machen. Zum Glück können wir rückblickend gemeinsam darüber lachen, wenn wir uns treffen.“

Auch die Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann, die Niklas Schmidt von 2014 bis 2017 beim SV Werder absolvierte, hatte für seine Entwicklung eine wichtige Bedeutung. „Abseits vom Fußball das Arbeitsleben kennenzulernen, war sehr wertvoll für mich“, sagt er. „Ich habe gesehen, wie viel und wie hart die Kolleginnen und Kollegen arbeiten und auch, wie viel sie in ihre Arbeit und damit für Werder investieren.“ Von den damals geknüpften Kontakten zehrt Niklas Schmidt noch heute: „Es macht mich glücklich, wenn ich merke, dass sich die Leute, mit denen ich damals im Büro gesessen habe, freuen, wenn es für mich gut läuft. Ich bekomme sehr viel positives Feedback und bin froh, dass ich zu vielen noch heute einen so ‚engen Draht‘ habe.“

Die größte Bedeutung haben für Niklas Schmidt aber naturgemäß seine Freundin und seine Familie. „Ich fühle mich mittlerweile in Bremen heimisch. Aber wenn ich bei meiner Familie in Kassel bin, dann ist es sofort wie früher. Ich werfe meine Schuhe in die Ecke und lasse mich bekochen…“, lacht er. Bruder Sebastian ist mittlerweile Vater und hat Niklas Schmidt somit zum Onkel gemacht. „Diese Nachricht hat mich mehr gefreut und stolzer gemacht als das Tor gegen Bayern“, macht er deutlich, was für ihn wirklich wichtig ist im Leben.

Die Bundesliga-Karriere hat gerade erst begonnen

Was aber nicht heißen soll, dass nicht auch der Fußball in den kommenden Jahren weiter eine bedeutende Rolle spielen soll. Schließlich sind sich nahezu alle einig, dass die Bundesliga-Karriere für Niklas Schmidt mit 25 Jahren gerade erst begonnen hat und noch lange nicht zu Ende ist. „Wie für alle anderen geht es für ihn darum, sich weiterzuentwickeln“, gibt Ole Werner die Aufgabe für seinen Schützling vor. „Wenn er seine Stärken weiter einbringt, dann kann er für uns auch zukünftig ein sehr wichtiger Spieler sein.“

Und während sich das Lob des Cheftrainers fast noch etwas nüchtern ausnimmt, wird Thorsten Bolder deutlicher: „Niklas zeichnet besonders aus, dass er immer gewinnen will. Er hat im Umgang mit dem Ball außergewöhnliche Fähigkeiten. Perspektivisch wird er Stammspieler in der ersten Liga sein.“ Niklas Schmidt dagegen will über seine Zukunft „gar nicht nachdenken“ und sagt: „Das Leben ist wie ein Film, den man guckt, weil man nicht weiß, was im nächsten Moment passiert und wie er ausgeht. Ich bin sehr gespannt, was mich noch erwartet.“

 

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