Schon als die Werder-Delegation an diesem 18. März 1992 in Istanbul eingetroffen war, empfing sie Schneefall, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. „Zum Glück", so Thomas Wolter, „konnten wir noch Handschuhe und wärmere Sachen mit dem nächsten Flieger nachkommen lassen. Ich bin heute noch überzeugt davon, dass nur angepfiffen wurde, weil das Spiel live im Fernsehen übertragen wurde."
Mit viel Glück und Geschick wurde also auch die Reise nach Istanbul überstanden, im Halbfinale hieß der Gegner FC Brügge. Das Hinspiel verlor Werder 0:1. Daniel Amokachi, nigerianischer Star der Belgier, schoss das einzige Tor. Im Rückspiel am 15. April 1992 musste Amokachi dann nach 76 Minuten mit Rot vom Platz, damit war für Werder die größte Gefahr gebannt und der 2:0-Sieg (Tore Marco Bode und Manfred Bockenfeld) gesichert. Trotzdem gab es einen großen Verlierer im Halbfinale: Oliver Reck sah schon in Brügge die rote Karte, damit hatte sich die Endspiel-Teilnahme für ihn erledigt.
So stand Jürgen Rollmann am 6. Mai in Lissabon zwischen den Pfosten. „Meine Vorderleute waren so stark, dass ich kaum geprüft wurde", erinnert er sich an diese Partie. Der große Favorit hieß AS Monaco mit Trainer Arsène Wenger. Doch der Gegner hatte die Rechnung offensichtlich ohne Otto Rehhagel gemacht, dem hinterher von der Fachwelt bescheinigt wurde, eine taktische Meisterleistung vollbracht zu haben. Die begann mit der Nominierung des eigentlich verletzten Klaus Allofs, der in den Wochen vorher kaum gespielt hatte. „Aber Klaus kennt die Franzosen, er hat lange dort gespielt. Das kann helfen", begründete Rehhagel seine Entscheidung. Und Allofs dankte sie ihm: In der 41. Minute schoss er nach einer tollen Einzelleistung das 1:0, die Franzosen waren irritiert.
Womöglich mag es auch eine Rolle gespielt haben, dass sie so gut wie keine Unterstützung von den Rängen bekamen. Denn das Stadion in Lissabon war nur zu einem Drittel gefüllt, die Portugiesen interessierten sich nicht für das Spiel zweier ausländischer Mannschaften. „Es war fast gespenstisch. Das wichtigste Spiel des Lebens - und kaum jemand schaut zu", erinnert sich Marco Bode und weiß auch noch, wie die Entscheidung in dieser Partie fiel: „Wynton Rufer spielte nach einem Konter den Torwart aus und lief dann so gemächlich mit dem Ball ins leere Tor, dass ich dachte, ein Abwehrspieler holt ihn noch ein."
Doch es war tatsächlich das 2:0 - dabei blieb es. Und nach dem Abpfiff sahen sich die Werder-Spieler in der Kabine plötzlich - und gänzlich ungewohnt - von Journalisten umringt. Otto Rehhagel hatte den Reportern ausnahmsweise auf Bitte seines Präsidenten Dr. Franz Böhmert die Tür geöffnet. Der damalige Vize-Präsident Klaus-Dieter Fischer fand sich plötzlich in voller Montur im Schwimmbecken wieder, die jubelnden Spieler hatten ihn sich gegriffen. Die denkwürdige Siegesfeier stieg im Lissaboner Nobel-Vorort Estoril, auf der historischen Festung Cascais. Uli Borowka löste widerspruchslos sein Versprechen ein und ließ sich die Haare bis auf die Kopfhaut scheren; Dieter Eilts nahm ungerührten Gesichtes die Prozedur vor.
von Heinz Fricke