"Wir marschieren weiter"

WERDER-KAPITÄNIN LINA HAUSICKE IM JAHRESRÜCKBLICK-INTERVIEW

28.12.25 von Maximilian Prasuhn | 7 Min

Lina Hausicke strahlt in einer Nahaufnahme.

Das Comeback nach dem Kreuzbandriss, die besonderen Reisen im DFB-Pokal oder nach Vietnam, ein neues Trainerteam und eine fantastische Hinserie: 2025 war für die WERDERFRAUEN gespickt von Highlights und besonderen Erfahrungen. WERDER.DE sprach mit Kapitänin Lina Hausicke über die besonderen Momente des Jahres und die Emotionen, die sie mit ihnen verbindet.

WERDER.DE: Moin Lina! Wenn wir das Jahr 2025 chronologisch aufarbeiten und im Januar beginnen, starten wir vermutlich direkt mit deinem persönlichen Highlight, oder? Im ersten Spiel des Jahres hast du in Potsdam dein Comeback nach deiner langwierigen Knieverletzung gefeiert. Mit fast einem Jahr Abstand: wie blickst du auf diesen Moment?

Lina Hausicke: 2025 war ein sehr spannendes Jahr für uns alle. Für mich persönlich ging der Start gut los, ich konnte direkt mein Comeback geben. Ich hatte bereits die gesamte Vorbereitung mit der Mannschaft gemacht. Es war dann relativ schnell klar, dass ich mit nach Potsdam reisen werde. Dass ich dann schon in der Halbzeit reinkam, war etwas besonders. Aber es war schön, weil wir das Spiel dann auch gewinnen konnten. Danach folgte ein Highlight aufs nächste.

WERDER.DE: Zunächst aber folgte erst einmal dein etwas unglückliches Startelf-Comeback: ihr habt nicht nur deutlich gegen Leipzig verloren, sondern du bist auch noch nach einer knappen Stunde mit einer Roten Karte nach einer Notbremse vom Platz geflogen. Wie bist du mit diesem Rückschlag umgegangen?

Lina Hausicke: Böse Zungen würden da von ‚individueller Belastungssteuerung‘ sprechen. (lacht) Natürlich stellt man sich das anders vor. Ich war so lange verletzt, dann läufst du das erste Mal wieder auf ‚Platz 11‘ auf, spielst von Anfang an. Leipzig war auch stark an dem Tag. In dem Moment haben wir schlecht verteidigt. Im Endeffekt war’s schon bitter, aber nach einer so langen Verletzung überwog weiterhin der Gedanke ‚Hauptsache gesund‘. Und direkt danach kam ja auch das Pokalspiel in Leverkusen, da durfte ich wieder mitspielen.

WERDER.DE: Spätestens mit dem Viertelfinale gegen Leverkusen bekam der DFB-Pokal für euch einen besonderen Reiz. Habt ihr schon vor dem Spiel eure Chance gewittert, womöglich über diesen Wettbewerb eine neue Geschichte zu schreiben?

Lina Hausicke: Bayer Leverkusen hätte ein ziemlicher Stolperstein sein können. Wir haben ein gutes Spiel gemacht, sie hatten aber auch die ein oder andere Chance. Wir gehen dann nach einer Ecke in Führung, das war auch eine Stärke von uns. Das Weiterkommen war nicht unverdient. Vor dem Spiel haben wir nur daran gedacht, Leverkusen zu schlagen. Da hat noch keiner weiter als über das Viertelfinale hinausgedacht. Spätestens mit der Auslosung des Halbfinales in Hamburg war uns dann aber klar, dass wir eine gute Chance haben, ins Finale einzuziehen.

"Da hat noch keiner weiter als über das Viertelfinale hinausgedacht."

Lina Hausicke über die vergangene Pokalreise.

WERDER.DE: Atmosphärisch sicher das Gegenteil zum Ulrich-Haberland-Stadion in Leverkusen war dann der Volkspark in Hamburg. Wie oft blickst du noch zum Ende des Jahres auf dieses besondere Spiel in Hamburg zurück?

Lina Hausicke: Sehr oft. Ich glaube auch, dass du diese Geschichte so nie wieder schreiben kannst. Mit dem Nordderby hier bei uns im Stadion haben wir auch überlegt, wie das sein wird – es war ein ganz anderes Spiel. Diese Dramatik kannst du nicht noch einmal nacherzählen, wie das beim HSV war. In Unterzahl machen wir drei Tore vor unserer Kurve, 57.000 Zuschauer, 15.000 Werder-Fans – das war unbeschreiblich und ein Kapitel für sich.

WERDER.DE: Auch wenn der Fokus in Richtung Pokalfinale ging: in der Liga habt ihr es einmal mehr geschafft, die erfolgreichste Saison eurer Vereinsgeschichte zu spielen. Spricht das nochmal mehr für euren sportlichen Charakter als Team, dass ihr eure Leistungen auch in der Liga auf den Platz bringen konntet?

Lina Hausicke: Rückblickend kann ich sagen, dass wir wie in einem Flow waren. Wir wussten, dass wir das Halbfinale gewinnen wollten und hatten danach das große Ziel mit dem Finale in Köln vor Augen. Aber wir wussten auch, dass es nichts bringen würde, in der Liga weniger zu geben. Wir wollten im Rhythmus bleiben und uns auf die Chance, im Finale wirklich etwas zu gewinnen, einfach gut vorbereiten. Das war der Anspruch, das gut über die Bühne zu bekommen. Dazu hatten wir ohnehin viel Selbstvertrauen nach dem Finaleinzug.

WERDER.DE: Das Pokalfinale dürfte dann für euch als Team zweifelsohne euer Jahreshighlight gewesen sein. Was macht es mit einer Sportlerin wie dir, an so einem Event teilzunehmen?

Lina Hausicke: Es war sehr groß, das muss ich sagen. Wir sind zwei Tage vorher schon nach Köln gefahren. Ich war auf der Pressekonferenz, an der sehr viele Medienvertreter teilgenommen haben. Dann hast du das Abschlusstraining im Stadion, kannst etwas von der Atmosphäre spüren. Und dann folgte das sportliche Highlight mit dem Spiel gegen die beste Mannschaft in Deutschland, die auch in Europa sehr weit vorn dabei ist. Leider ist es nicht so richtig gut gelaufen, der Start ins Spiel war denkbar schlecht. Trotzdem kommen wir vor der Halbzeit ran und haben versucht, das Spiel offen zu halten. Wir haben alles gegeben, mehr kann man im Spiel auch nicht machen. Es war ein totales Highlight mit vielen Werder-Fans und Mitarbeitern. Das zeigt auch den Stellenwert, alle haben es verfolgt. Das Finale war für unsere Entwicklung sehr kostbar.

WERDER.DE: Die Silbermedaille gilt als äußerst unbeliebt bei Fußballerinnen und Fußballern – oft sieht man auch bei Siegerehrungen, dass sie direkt wieder abgenommen werden. Wie blickst du auf deine Medaille? Hat sie trotzdem einen Ehrenplatz bei dir?

Lina Hausicke: Tatsächlich ja. Ich habe eine kleine Trikotsammlung zuhause, da hängt auch die Medaille. Wir hatten ein paar Mädels dabei – unter anderem auch ich – die in ihrem Leben noch nicht so viele Titel gewonnen haben. Dann ist das auch besonders, in einem Finalspiel überhaupt dabei zu sein. Wir wussten auch, dass wir gegen eine übermächtige Mannschaft spielen und viel zusammenlaufen muss, damit wir das Spiel gewinnen. Natürlich hoffst du, dass das Glück bei so einem einmaligen Event auf deiner Seite ist und du so ein Spiel länger offenhalten kannst. Auch die Silbermedaille darf man in Ehren halten.

Lina Hausicke im schwarzen Pokal-Trikot hält ihre Silbermedaille in der Hand.
Lina Hausicke holte mit den WERDERFRAUEN in der vergangenen Pokal-Saison die Silbermedaille (Foto: W.DE).

WERDER.DE: Nach der Saison stand das nächste Abenteuer für euch an: ihr seid als Repräsentantinnen des Vereins und der Bundesliga nach Vietnam geflogen. Wie war dieses Erlebnis für euch als Team?

Lina Hausicke: Auch spannend und krass. Nach dem Comeback folgte Highlight auf Highlight. Wir spielen am 1. Mai im Pokalfinale, kurz darauf unser letztes Ligaspiel in Freiburg und sind danach direkt zum Flughafen und nach Vietnam geflogen. Ab da folgte jeden Tag ein Highlight. Ob kulturell oder auch sportlich mit dem Sieg gegen die Nationalmannschaft. Es war super viel los und ich bin für einen Urlaub sogar noch dortgeblieben. Erst da habe ich gemerkt, was in den letzten Monaten alles passiert ist. Gleichzeitig war die Vietnam-Reise ein super Abschluss für die Saison zusammen mit unserem alten Trainerteam.

WERDER.DE: Du sprichst es an, im Sommer stand für euch ein gewisser Umbruch an: das Trainerteam um Thomas Horsch verließ den Verein, Fritzy Kromp trat die Nachfolge an. Wie ungewohnt war das zunächst für euch und speziell für dich, die so viele Jahre unter Thomas Horsch gespielt hat?

Lina Hausicke: Es ist etwas anderes und trotzdem ist man Sportler genug, um zu wissen, dass sowas immer passieren kann. Es gibt Fluktuation im Kader, das ist natürlich auch immer schade, wenn Leute gehen. Es kommen aber auch neue. Das hat diese Saison wieder bestätigt, dass sich die Neuzugänge und das Trainerteam gut einbringen und voll was zusammengewachsen ist. Ich bin trotzdem glücklich, wie alles gelaufen ist. Wir hatten vier erfolgreiche Jahre unter Thomas und haben jetzt eine super Hinrunde gespielt, auch das macht viel Spaß. Wir marschieren einfach weiter.

Gruppenfoto von einigen Werder-Spielerinnen in Vietnam mit Kindern.
Die WERDERFRAUEN haben im Mai die sozialen Projekte des SVW in Vietnam besucht (Foto: W.DE).

WERDER.DE: Blickt man auf die Ergebnisse, kann man davon ausgehen, dass die Eingewöhnung aneinander äußerst gut verlief. Kann man die Schlussfolgerung so ziehen? 

Lina Hausicke: Erfolg gibt immer Recht. Es ist schon so, dass sie sehr viel neues mitgebracht und eine neue und moderne Ansicht haben, Fußball spielen zu lassen. Ich finde, dass man immer mehr Sachen wiedererkennt, die sie uns seit Tag eins an die Hand gegeben haben. Wir arbeiten unter der Woche sehr akribisch in der Gegner-Analyse und arbeiten viel inhaltlich. Das war am Anfang viel für den Kopf, ist aber auch normal. Wir sind da aktuell auf einer Welle, die wir weiter reiten wollen.

WERDER.DE: Du hast vor dem Saisonstart angekündigt, dass ihr eure Rekordsaison toppen wollt. Das scheint mit Blick auf das aktuelle Punktekonto mehr als realistisch. Welche Ziele wollt ihr euch als nächstes stecken?

Lina Hausicke: Natürlich geht man in die Saison und hat ambitionierte Ziele. Jetzt sind sogar zwei Teams mehr dabei, mit vier weiteren Spieltagen war das von vornherein gut möglich – und trotzdem musst du die Leistungen erst einmal bestätigen und so dastehen. Das hätte ich vor der Saison sofort unterschrieben. Tatsächlich ist es jetzt so, dass wir uns mit unseren bisherigen Zielen zusammensetzen müssen, das wird im Winter passieren. Dann müssen wir die ein oder andere Sache anpassen, was aber eine totale Luxussituation ist.

WERDER.DE: Wie viel Spaß macht es aktuell, auf die Tabelle zu schauen?

Lina Hausicke: Super viel Spaß. Vor allem ist es keine Momentaufnahme, sondern über die letzten paar Wochen gewesen, dass wir uns festsetzen konnten. Dazu haben wir einen guten Abstand nach unten, das nimmt man gerne mit – und trotzdem bedeutet es gar nichts, wir haben gerade mal die Hinrunde abgeschlossen. Es ist eigentlich alles noch offen und ich will nur nochmal sagen: wir müssen dranbleiben und dürfen nicht bequem werden. Und dann schauen wir, wofür es reicht.

"Es ist von den Ereignissen her das spannendste und erfolgreichste Jahr meiner Karriere."

Lina Hausicke über das Jahr 2025.

WERDER.DE: Wie groß ist trotz der vielen positiven Momente die Vorfreude auf ein paar ruhige Tage?

Lina Hausicke: Sehr groß. Die Pause ist leider nicht so lang, aber es wird uns allen guttun, auch mal etwas rauszukommen, bisschen was sacken zu lassen und dann im neuen Jahr mit frischen Beinen wieder anzugreifen.

WERDER.DE: Wie wirst du das Jahr 2025 in Erinnerung behalten?

Lina Hausicke: Eine schöne Frage, damit habe ich mich noch nicht so auseinandergesetzt. Es ist von den Ereignissen her das spannendste und erfolgreichste Jahr meiner Karriere, das würde ich schon sagen.

WERDER.DE: Was wünscht du dir für 2026?

Lina Hausicke: Dass es so weitergeht. Dass wir weiter an unserer Spielidee arbeiten, dass wir selbstbewusst auftreten, weil wir uns das verdient haben und dann steht auch wieder ein Stadionspiel an, wir sind außerdem weiterhin im Pokal. Ich glaube, 2026 kann auch ein schönes Highlight-Jahr werden.

Weitere News