"Wenn du kicken kannst, bist du überall willkommen…"

MENSCHEN BEI WERDER, TEIL 7

Cédric Makiadi genießt seine neue Perspektive auf den Fußball.
Cédric Makiadi genießt seine neue Perspektive auf den Fußball (Foto: WERDER.DE).
Menschen bei Werder
Mittwoch, 16.02.2022 / 17:29 Uhr

Martin Lange

Während seiner Zeit als Bundesliga-Profi schloss Cédric Makiadi eine spätere Karriere als Trainer kategorisch aus. Mittlerweile kann sich Werders U-16-Coach, der am 23. Februar seinen 38. Geburtstag feiert, keine schönere Aufgabe vorstellen. Und das kam so…

Das letzte Jahr seiner Laufbahn als Spieler, in der Cédric Makiadi unter anderem insgesamt 225 Bundesliga-Spiele, 33 Zweitliga-Partien und 26 Länderspiele für die Demokratische Republik Kongo bestritt, führte ihn in die Türkei. Vom SV Werder wechselte er im Sommer 2015 zu Caykur Rizespor, unterschrieb dort für ein Jahr. Und es war klar, dass er dieses Abenteuer zum Ende der Karriere ohne die Familie in Angriff nehmen würde. Denn in zwei Jahren als Profi an der Weser hatten Cédric Makiadi, Ehefrau Stefanie, Tochter Delilah (heute 13 Jahre alt) und Sohn Jayden (neun) viele Freunde gefunden. So dass auch nach Ablauf des Jahres in der Türkei die Entscheidung leichtfiel: „Wir haben uns gefragt, ob wir nach meinem Karriereende nochmal einen Neuanfang wagen und wieder umziehen wollten oder ob wir hier sesshaft werden. Es war dann schnell klar, dass unsere Kinder nicht nur weiter hier zur Schule gehen, sondern auch darüber hinaus ein zuverlässiges Umfeld behalten sollten.“

"Ich habe schnell gemerkt: Das ist das, was ich schon mein Leben lang gemacht hatte. Nämlich wieder mit dem Fußball auf dem Platz zu stehen, mit einer Mannschaft zu arbeiten – nur jetzt aus anderer Perspektive.“
Cédric Makiadi

Cédric Makiadi wollte derweil in Bremen nach mehr als zehn Jahren Profifußball mit unzähligen Reisen und mehrfachen Umzügen endlich mehr Zeit für die Familie haben. Durchatmen, die Karriere noch einmal Revue passieren lassen, nicht an feste Abläufe gebunden sein – das genoss der ehemalige Werder-Profi. Bis sich Ende 2017 Frank Baumann meldete. Werders Geschäftsführer Fußball suchte einen neuen Co-Trainer für die U17, nachdem Tim Borowski als Co-Trainer in die Bundesliga-Mannschaft aufgerückt war. Schnell war klar: „Dieses Angebot wollte ich nicht ausschlagen und habe mir gedacht: Probier’s einfach mal aus.“ In den Monaten zuvor hatte Makiadi bereits in einer Nachwuchsmannschaft des FC Oberneuland den Trainer unterstützt und dadurch einige frühere Bedenken über Bord geworfen. „Wir haben dann beschlossen, es ein halbes Jahr lang zu versuchen, damit beide Seiten sehen können, ob es passt“, erinnert er sich.

Rückblickend darf festgestellt werden: Es passte sofort. Auch wenn schon nach kurzer Zeit der damalige U17-Trainer Sven Hübscher zur U23 aufrückte. Mit Nachfolger Christian Brand verstand sich Cédric Makiadi ebenfalls von Beginn an sehr gut. „Und ich habe schnell gemerkt: Das ist das, was ich schon mein Leben lang gemacht hatte“, lacht der Werder-Coach. „Nämlich wieder mit dem Fußball auf dem Platz zu stehen, mit einer Mannschaft zu arbeiten – nur jetzt aus anderer Perspektive.“ Andere Perspektive – neue Erfahrungen: „Ich hatte vorher zum Beispiel noch nie eine Trainingseinheit vorbereitet“, sagt Makiadi. „Sich zu fragen: ‚Was ist mein Ziel? Wo will ich hin? Mit welchen Inhalten möchte ich das erreichen?‘ Es ist ein intensiver Prozess von den ersten Gedanken, bis man dann auf den Trainingsplatz geht.“ Und auch die Ansprache an die Mannschaft sei „eine andere“, so Makiadi, „als wenn ich früher als Führungsspieler zum Team gesprochen habe“.

Wie sehr der ehemalige Nationalspieler mit seiner Arbeit überzeugte, zeigt sich unter anderem daran, dass er 2020 vom Co-Trainer zum Cheftrainer befördert wurde und seitdem die Verantwortung für Werders U16 trägt. Noch einmal ein großer Schritt und „eine Chance, für die ich sehr dankbar bin“. Unabhängig von sportlichem Erfolg, der optimalen Ausbildung der jungen Kicker und der Leidenschaft für den Fußball ist Cédric Makiadi eines ganz wichtig: „Respektvoller Umgang miteinander. Meine Spieler wissen, dass ich das nicht nur von ihnen fordere, sondern dass sie diesen Respekt auch von mir bekommen.“

Eric Gerets, Holger Fach, Klaus Augenthaler, Peter Neururer, Robin Dutt, Marcus Sorg, Christian Streich, Viktor Skripnik – als Spieler arbeitete Cédric Makiadi mit einigen interessanten Trainerpersönlichkeiten zusammen. „Ich hatte wirklich gute Trainer“, findet Werders U16-Coach. „Jeder hatte eine andere Ansprache, eine andere Philosophie. Ich konnte mich damit fast immer identifizieren. Und alle haben mich auf ihre Weise geprägt.“

Makiadi: "Die ersten Monate waren schwierig"

Prägend – dieses Attribut trifft zweifellos auch auf Cédric Makiadis Herkunft und seine Kindheit zu. Im Alter von acht Jahren zog er mit seiner Mutter aus dem damaligen Zaire (bis 1960 belgische Kolonie, heute Demokratische Republik Kongo) zunächst nach Belgien, wo zahlreiche Landsleute lebten. Wenig später beantragten sie in Deutschland Asyl und kamen nach Lübeck. „Die ersten Monate waren schwierig“, erinnert sich Makiadi. „Wir kamen im Winter nach Deutschland. Am Ende des Schuljahrs im Sommer war klar, dass ich die zweite Klasse aufgrund der fehlenden Deutsch-Kenntnisse wiederholen musste.“ Letztlich sei es ihm als Kind aber doch nicht allzu schwergefallen, die neue Sprache zu erlernen.

Auch der Fußball half Cédric Makiadi damals, in Deutschland Fuß zu fassen. Der Leiter der Unterkunft für Asylsuchende, in der er zu Beginn mit seiner Mutter lebte, sah, wie die Kinder aus vielen verschiedenen Nationen jeden Tag Fußball spielten. „Eines Tages hat er uns gefragt, ob wir Lust hätten, im Verein zu spielen. Und hat dann den Kontakt zu einem Trainer beim Post SV Lübeck hergestellt“, erzählt Makiadi. „Dort wurden wir Kinder sofort gut aufgenommen. Das Schöne am Fußball ist: Wenn du ein bisschen kicken kannst, bist du fast überall herzlich willkommen, egal woher du kommst.“ Dass er es später bis in die Bundesliga schaffte, lag daran „dass ich tatsächlich viel Talent hatte, wofür ich sehr dankbar bin“. Und: „Ich war später auch sehr diszipliniert, habe hartnäckig meine Ziele verfolgt und wollte immer dazulernen, um weiterzukommen. Wenn ich in eine neue Mannschaft kam, wollte ich immer besser sein als der beste Mitspieler. Das hat mich angetrieben.“

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Dieser Ehrgeiz brachte den Mittelfeldspieler nicht nur in die Bundesliga, sondern bis in Nationalmannschaft seines Heimatlandes, mit der er im Jahr 2015 mit dem dritten Platz beim Afrika-Cup seinen größten sportlichen Erfolg feierte. Ein Triumph, der die gesamte Demokratische Republik Kongo in einen Ausnahmezustand versetzte und der auch Makiadi immer in Erinnerung bleiben wird: „Die Menschen konnten vielleicht für einen kurzen Moment ihre Sorgen vergessen. Es hat mich damals sehr stolz gemacht, dass wir das geschafft und dem Land ein solches Glücksgefühl vermittelt haben.“

Dabei war es nicht nur dieses außergewöhnliche Erlebnis, „jede Rückkehr in die Heimat hat sich gut angefühlt“, verrät Makiadi. Und: „Es hat mir immer wieder vor Augen geführt, welch privilegiertes Leben ich führen darf. Durch Kleinigkeiten, zum Beispiel, wenn wir im Teamhotel der Nationalmannschaft beim Duschen auf einmal kein heißes Wasser hatten. In Deutschland war eine warme Dusche für mich selbstverständlich. Durch diese Erfahrung sieht man das aber mit anderen Augen und wird durchaus nachdenklich.“

Cédric Maikiadi macht unmissverständlich deutlich, dass er sich die starke Verbundenheit zu seinem Heimatland, zu seinen Wurzeln in der Demokratischen Republik Kongo stets bewahrt hat. „Und natürlich denke ich manchmal darüber nach, was jetzt wäre, wenn ich nicht nach Deutschland gekommen wäre, sondern noch in Kinshasa leben würde.“ In der zentralafrikanischen Millionen-Stadt also, die zu den am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt gehört. Und in der Makiadi die ersten Jahre seines Lebens verbrachte. Die Erinnerungen an diese Zeit seien nur noch sehr verschwommen, gibt er zu. Aber es gibt Erlebnisse, die im Gedächtnis geblieben sind: „Ich wurde damals jeden Tag von der Schule abgeholt. Einmal kam aber niemand, und ich habe mich einfach zu Fuß auf den Weg nach Hause gemacht“, lacht er. „Das gab natürlich eine große Aufregung, als ich auf einmal verschwunden war. Ich wurde dann irgendwann auf der Straße aufgegabelt, was ein Riesenglück für mich war. Denn ich weiß nicht, ob ich den Weg alleine gefunden hätte.“

Seinen beruflichen Weg hat Cédric Makiadi mittlerweile zweifellos gefunden. Und doch bleibt dieser Weg spannend und gewissermaßen ungewiss. „Vor einigen Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich jetzt Trainer bei Werder sein würde. Wer weiß, was in der Zukunft sein wird. Ich wünsche mir, dass ich weiterhin im Fußball tätig sein kann.“ Gut möglich also, dass ihn sein Weg irgendwann auch wieder in den Profifußball führt. Eine Rückkehr in sein Heimatland möchte Cédric Makiadi ebenfalls nicht ausschließen, auch wenn es dafür derzeit keine konkreten Pläne gibt. Zumindest nicht auf Dauer. Sehr wohl aber auf Zeit. Denn Mutter und Großmutter, die lange Zeit in Deutschland lebten, sind vor einiger Zeit nach Afrika zurückgekehrt. Und für Cédric Makiadi steht fest: „Ich möchte sie unbedingt in nächster Zeit besuchen.“

 

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