"Der Ketchupflaschen-Effekt ist keine Lüge"

Niclas Füllkrug im Interview

Niclas Füllkrug jubelt und zeigt seinen Bizeps.
Niclas Füllkrug führt mit 16 Treffern aktuell die Torschützenliste an (Foto: WERDER.DE).
Interview
Dienstag, 09.05.2023 / 13:00 Uhr

Das Interview führte Fiona John

Mit positiven Gedanken versucht Niclas Füllkrug seine Jungs aktuell von der Tribüne zu unterstützen. Wadenprobleme verhindern einen Einsatz des Stürmers, für den es in dieser Saison ansonsten perfekt lief. Nahtlos konnte Werders Nummer 11 nach dem Aufstieg an die Leistungen der letzten Saison anknüpfen. Mit seinen bislang 16 Saisontoren schoss er sich nicht nur in den Kader der deutschen Nationalmannschaft, sondern auch an die Spitze der Bundesliga-Torjägerliste.

Im Interview mit WERDER.DE spricht Füllkrug über seine momentane Form, mentales Gewichtheben und den Ketchupflaschen-Effekt.

WERDER.DE: Moin Niclas, du hast in den letzten Jahren eine unglaubliche Achterbahnfahrt erlebt: Relegation, Abstieg, Wiederaufstieg, Fußball-Weltmeisterschaft und nun vielleicht Torschützenkönig. Wo war bei dir der persönliche Wendepunkt?

Niclas Füllkrug: Der Wendepunkt war natürlich das Spiel gegen Sandhausen, wo ich letztes Jahr mein erstes Saisontor schießen konnte, nachdem ich vorher ein bisschen Ladehemmungen hatte. Danach ging es wieder bergauf und seitdem läuft es – toi, toi, toi – dauerhaft gut.

WERDER.DE: Also reicht es manchmal einfach ein Tor zu schießen?

Niclas Füllkrug: Ja, dieser Ketchupflaschen-Effekt ist keine Lüge. Manchmal dauert es ein bisschen länger, aber wenn dann das erste Tor kommt, flutscht es. Von diesen Phasen so wenig wie möglich in der Karriere zu haben, ist aber glaube ich am wichtigsten.

WERDER.DE: Du hast im Podcast "kicker meets DAZN" gesagt, du bist großer Fan der zweiten Liga und hast gerne da gespielt. Jetzt in Liga eins ist es aber auch ganz ok, oder?

Niclas Füllkrug: Ja, die erste Liga ist natürlich auch cool (lacht.). Es ist so gut wie jedes Stadion fast immer ausverkauft, es sind immer tolle Fans. Dazu sind die Gegner auf allerhöchstem Niveau. Trotzdem bin ich Fan der zweiten Liga und habe unfassbar gerne da gespielt und finde das auch nicht schlecht, da zu spielen.

WERDER.DE: Wie schwer ist das für dich gerade, nicht einwirken zu können und von draußen zuschauen zu müssen?

Niclas Füllkrug: Aktuell fällt mir das sehr schwer, aber ich hoffe, dass es sich kurzfristig wieder ändert.

WERDER.DE: Wie versuchst du von außen Einfluss zu nehmen, von der Tribüne oder von der Bank?

Niclas Füllkrug: Von der Tribüne geht es natürlich fast gar nicht. Da habe ich einfach versucht von außen positiv zu denken und den Jungs positive Gedanken auf den Platz zu schmeißen. Gegen Hertha war ich natürlich schon sehr aktiv dabei und habe in der Kabine versucht die Jungs zu pushen. Ich glaube, dass ich ihnen ein bisschen Energie geben konnte.

WERDER.DE: Trotz deiner Fehlzeit hast du eine wirklich realistische Chance auf die Torjägerkanone. Wann wurde das für dich von einer utopischen Vorstellung zu einem realistischen Ziel?

Niclas Füllkrug: Eigentlich gar nicht. Auch jetzt mache ich mir wenig beziehungsweise gar keine Gedanken darüber. Ich versuche einfach schnell wieder gesund zu werden. Wenn man so eine lange Zeit kein Spiel mehr verpasst hat, weiß man relativ schnell wieder zu schätzen, dass die Gesundheit das Wertvollste ist. Der Rest kommt dann von alleine, wenn man hart und tapfer arbeitet.

WERDER.DE: Du würdest den Namen Niclas Füllkrug aber immerhin neben Ailton, Basler oder Völler einreihen -  Klose war 2006 der letzte Werder-Torschützenkönig.

Niclas Füllkrug: Wenn es soweit ist, dann ist es eine tolle Auszeichnung. Man muss das Ganze aber immer realistisch einordnen. Ich spiele bei einem Aufsteiger, der mit der Anzahl der geschossenen Tore als Mannschaft ganz gut dasteht. Das zeigt, dass wir eine offensive Spielausrichtung haben. Da profitiere ich natürlich auch von. Trotzdem weiß ich natürlich auch, dass Spieler wie Robert Lewandowski oder Erling Haaland dieses Jahr nicht dabei waren und deshalb ein, zwei Namen in der Liste fehlen.

Das ist dann mentales Gewichtheben. Im Kopf entscheidet sich das Allermeiste.
Niclas Füllkrug

WERDER.DE: Du sprichst die offensive Spielauslegung an, dazu kommt dein Instinkt. Darüber hinaus sagst du, man kann viele Dinge im Kopf beeinflussen.

Niclas Füllkrug: Wir arbeiten als Mannschaft mit Mentaltrainern zusammen, ich persönlich auch. Das ist dann mentales Gewichtheben. Im Kopf entscheidet sich das Allermeiste. Wenn du da stabil und gradlinig bist und trainierst da auch konstant zu sein, hast du sehr hohe Chancen auf gute Leistungen. Ich glaube, dass das bei mir der ausschlaggebende Punkt war, dass es konstant auf dem Level funktioniert, wie es jetzt gerade läuft.

WERDER.DE: Keinen unwichtigen Anteil an deinen Toren trägt dein Sturmpartner Marvin Ducksch, der dir das eine oder andere Ding schon aufgelegt hat. Hattest du schon mal einen Mitspieler, mit dem es auf dem Platz so gut harmoniert hat, wie mit Duckschi?

Niclas Füllkrug: Nein, mit Duckschi ist es schon etwas Besonderes. Es ist vor allem außergewöhnlich, weil gar kein Konkurrenzdenken aufkommt und ich mich bei seinen drei Toren gegen Hertha freue, als wenn es meine eigenen gewesen wären. Ich wünsche ihm, dass er weiter so trifft und weiter so Tore auflegt, weil ich glaube, dass das auch eine seiner Qualitäten ist. Und ich genauso. Ich habe ihm und anderen Jungs auch schon einige Vorlagen gegeben. Davon leben wir offensiv, dass wir uneigennützig sind, dass die Mannschaft im Vordergrund steht und dass jeder für jeden spielt.

WERDER.DE: Was war von den vielen Toren für dich persönlich das Wichtigste in deiner Karriere?

Niclas Füllkrug: Da kommen mir viele in den Kopf. Mein Derby-Tor bei Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig, was mich bei den Fans in eine andere Sphäre gehoben hat, was ich sehr genossen habe. Dann natürlich der Treffer gegen Regensburg, ein ganz wichtiges Tor im entscheidenden Spiel um den Aufstieg, um uns da auf die richtige Fahrbahn zu lenken. Und auch das Tor gegen Spanien in der Nationalmannschaft hat einen ganz besonderen Stellenwert.

WERDER.DE: Nach diesem Tor bei der WM hat sich die Wahrnehmung deiner Person verändert.

Niclas Füllkrug: Die Wahrnehmung meiner Person und meines Charakters nicht. Ich werde genauso wahrgenommen wie vorher auch. Aber mit einer größeren Reichweite und einer höheren Präsenz. Das merke ich natürlich. Es gibt immer wieder Schlagzeilen, immer wieder Gesprächsstoff und ich stehe häufiger im Mittelpunkt.

WERDER.DE: Sowohl das Werder- als auch das Nationalmannschaftstrikot mit deinem Namen sind in dieser Saison ja der absolute Verkaufsschlager. Wie ist das so viele Leute auf einmal in Füllkrug Trikots zu sehen?

Niclas Füllkrug: Das freut mich. Das bedeutet, dass sich die Leute mit mir identifizieren können. Dass sie nicht einfach nur Fußball-Fans sind, sondern auch mit dem, was ich versuche zu repräsentieren, ein bisschen einhergehen. Dementsprechend macht mich das stolz und ich freue mich darüber, dass sich viele Fans für meine Nummer auf dem Rücken entscheiden.

WERDER.DE: So gut wie jetzt lief es für dich in deiner Karriere noch nie. Weil dein Lauf schon so lange anhält, kann man kaum von einem kurzen Formhoch sprechen. Ist es deine Erfahrung, die dich einfach besser gemacht hat?

WERDER.DE: Mir war es wichtig zu zeigen, dass es kein Lauf ist. Das wollte ich immer beweisen. Sondern, dass das meine Form und mein Können ist, das ich mir erarbeite. Die Leistung, die ich dauerhaft abrufen kann. Ob es in der zweiten oder ersten Liga ist – konstant über zwei Jahre zu treffen ist nicht einfach. Stand jetzt habe ich das bis jetzt getan. Das motiviert mich noch mehr zu trainieren, noch mehr zu arbeiten. Ich bin extrem fleißig, trainiere sehr viel auf und neben dem Platz, auch wie gesagt im mentalen Bereich. Ich glaube, dass das im Zusammenhang mit der Erfahrung und der Gesundheit, dass ich länger am Stück fit war, Punkte sind, die mich zu diesen Leistungen bringen.

WERDER.DE: Dazu kommt auch noch dein Selbstbewusstsein.

Niclas Füllkrug: Ich versuche mir mein Selbstbewusstsein in den Trainingseinheiten zu erarbeiten und durch das Zusatztraining im Kraftraum. Um selbstbewusst auf den Platz zu gehen und zu wissen, dass es der Gegner definitiv schwer mit mir haben wird.

Es hat mir bei Verletzungen immer geholfen, dass ich mich dann ins Krafttraining verrannt habe. Man hat dann einfach einen unfassbaren Aktionismus.
Niclas Füllkrug

WERDER.DE: Die Einheiten im Kraftraum haben dich körperlich deutlicher robuster gemacht, als vor einigen Jahren. Haben die Verletzungen, aus denen du dich immer wieder rauskämpfen musstet, ihren Anteil daran?

Niclas Füllkrug: Es hat mir bei Verletzungen immer geholfen, dass ich mich dann ins Krafttraining verrannt habe. Man hat dann einfach einen unfassbaren Aktionismus. Dementsprechend habe ich in der Zeit immer viele neue Wege ausprobiert, um mich zu verbessern. Das waren neben dem Krafttraining auch zusätzliche Einheiten im Bereich Wahrnehmung, peripheres Sehen oder auch andere Ernährung. Aus dieser ganzen Zeit habe ich mich immer besser kennengelernt und habe jetzt diesen ultimativen Cocktail rausgefunden, wie mein Körper am besten funktioniert und womit er am besten umgehen kann. Das hat mich schon in dem Bereich stärker gemacht als vorher.

WERDER.DE: Lass uns mal einen großen Sprung in die Zukunft machen. Könntest du dir bei deiner aktuellen Verfassung vorstellen auch in zehn Jahren, also mit Anfang 40 noch in der Bundesliga aktiv zu sein, wie Claudio Pizarro es vorgemacht hat?

Niclas Füllkrug: Wenn es der Körper zulässt, ja. Definitiv.

WERDER.DE: Und nach der Karriere?

Niclas Füllkrug: Da möchte ich Amateurfußball spielen. Ich kann mir gut vorstellen, da erstmal zu spielen und später auch zuzuschauen. Das ist alles immer noch ein bisschen intimer, einfach total ehrlicher Fußball, wo es nur ums Fußballspielen geht und Geld eigentlich keine Rolle spielt. Das finde ich ultra sympathisch daran.

WERDER.DE: Kommen wir zurück in die Gegenwart. Was ist für dich das besondere an Werder?

Niclas Füllkrug: Ich freue mich auf jedes Heimspiel. Ich habe es jetzt auch mal wieder von der Tribüne erleben dürfen. Das wohninvest WESERSTADION ist mit den Leuten die es füllen, einfach etwas ganz Besonderes. Für mich ist es eins der Top-Stadien der Liga. Wenn dann noch eine Mannschaft auf dem Platz steht, die Vollgas gibt, dann macht es das immer zu besonderen Spielen, egal wie sie am Ende ausgehen. Egal wer kommt, in der ersten oder zweiten Liga, das Stadion ist immer ausverkauft. Daran sieht man, die Fans kommen für uns und nicht für irgendwelche Auswärtsmannschaften.

WERDER.DE: Vielen Dank für das Gespräch, Niclas.

 

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