"Es ist wie so ein Klassentreffen, wenn man zurückkommt"

Was macht eigentlich... Christian Schulz?

Christian Schulz
Christian Schulz lernte bei den Grün-Weißen das Fußball spielen und schaffte es in den Profi-Kader (Foto: nordphoto).
Interview
Donnerstag, 08.06.2023 / 13:00 Uhr

Das Interview führten Nico Tank und Johannes Seiler

Christian Schulz war in seiner Zeit bei Werder Bremen ein Publikumsliebling. Die Rufe seines Nachnamens hallten immer besonders laut durch das wohninvest WESERSTADION. Der 40-Jährige blickt im Interview mit WERDER.DE auf diese besonderen Erinnerungen zurück und gibt eine Einschätzung ab, warum genau er zum Liebling der Fans wurde. Außerdem erzählt er von weiteren Stationen in seiner Karriere und wie der Fußball auch in der Zukunft sein Leben bestimmt.

WERDER.DE: Moin Christian, mit zwölf Jahren bist du nach Bremen gekommen. Wie hast du die Zeit in deiner Jugend beim SV Werder erlebt?

Christian Schulz: Werder ist mein Heimatverein. Ich komme aus Bassum, wo morgens in der Kreiszeitung immer alles Aktuelle über Werder drinstand. Werder war der Verein, bei dem alle kicken wollten. In der C-Jugend bin ich vom TSV Bassum nach Bremen gekommen. Heutzutage lächelt man über die Entfernung von 30 Kilometern, aber damals war das für mich aufregend, soweit von zu Hause und dem Freundeskreis weg zu sein. Am Anfang wollte ich aus Entfernungsgründen erst gar nicht so richtig zu Werder wechseln, die Trainer mussten viel Überzeugungsarbeit leisten. Im Nachhinein bin ich wirklich froh darüber, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe.

WERDER.DE: Mit 19 hast du dann dein erstes Spiel für die Profis bestritten. Wie war der Sprung aus der Jugend- in den Herrenfußball?

Christian Schulz: Die Spielgeschwindigkeit ist da nochmal eine ganz andere. Das dauert alles seine Zeit, bis man da Fuß fasst. Aber das zeichnet dann auch gute Fußballer aus, dass sie sich relativ schnell anpassen können und sehr lernfähig sind.

WERDER.DE: Also hattest du auch schnell das Gefühl, dass es wirklich etwas werden könnte mit dem Profifußball.

Christian Schulz: In der Jugendzeit bekommt man das von den Trainern nie direkt mitgeteilt. Aber zu meinen Eltern haben sie häufig gesagt, dass Christian einer ist, der die Gabe, das Talent und auch den Willen dafür hat, es zu schaffen. Keiner konnte damals eine Garantie aussprechen, aber sie hatten sehr viel Hoffnung und haben sehr viel in mir gesehen. Ich selber wollte eigentlich einfach nur kicken und hatte mich noch gar nicht so mit dem Thema Profifußball beschäftigt.

Publikumsliebling Schulz

WERDER.DE: Du warst in deiner Zeit hier in Bremen durchaus ein Publikumsliebling. Wie hast du die langen Schulz-Rufe der Fans in Erinnerung behalten?

Christian Schulz: Ich kann mich natürlich noch sehr gut dran erinnern, aber im Ohr habe ich sie nicht mehr. Ich muss schon gestehen, dass es am Anfang ein bisschen unheimlich für mich war (lacht). Ich wollte ja nur Fußball spielen und auf einmal ruft das ganze Stadion meinen Namen. Das hat mich anfangs schon ein bisschen eingeschüchtert, aber irgendwann merkt man natürlich, dass die sich freuen, dass einer aus der Jugend dabei ist. Das hat mir dann nochmal einen kleinen Kick gegeben.

WERDER.DE: Ist das der Moment, wo man sagt: Jetzt habe ich es geschafft! Jetzt bin ich genau da, wovon ich als kleines Kind geträumt habe?

Christian Schulz: Ja, aber das mache ich jetzt nicht von den Rufen abhängig. Um sich richtig im Profifußball zu etablieren, braucht man erstmal zwei bis drei Jahre. Gerade die erste Zeit ist eine Lernphase, eine Profitruppe hat außerordentliche Qualität und du lernst in jeder Einheit viel von den Teamkollegen. Während der Wettbewerbe geht es dann nochmal um Dinge wie mentale Stärke, die Spiel für Spiel ausgeprägter wird. Als 18-Jähriger war es enorm sich anzupassen und da reinzukommen.

Nächste Station: Hannover 96

WERDER.DE: Dann zog es dich 2007 von Bremen nach Hannover. Das war die erste Station, die wirklich weg von deinen beiden Heimatvereinen war. Wie war dieser Schritt für dich?

Christian Schulz: Natürlich ist es mir schwer gefallen, Werder zu verlassen. Das war mein Heimatverein, bei dem super viele Freunde gespielt haben. Ich habe dort viele Ziele erreicht und Erfolge gefeiert wie die Deutsche Meisterschaft 2004. Trotzdem kam nach der langen Zeit das Gefühl, auch mal was anderes machen zu wollen. In Hannover hatte ich das Gefühl eine Stufe draufsetzen zu können, was meinen Stellenwert in der Mannschaft betrifft. Aber natürlich war die Zeit hier in Bremen etwas ganz Besonderes.

WERDER.DE: Wir gehen weiter in der Timeline: 2016 bist du zu Sturm Graz nach Österreich gewechselt. Wie ist es dazu gekommen?

Christian Schulz: In Hannover ging die Reise sportlich einfach nicht mehr weiter. Ich wollte aber noch ein bisschen kicken und mal eine Auslandserfahrung machen. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich den Schritt gegangen bin und dort zwei Jahre gespielt habe. Ich kannte die Gegend von Trainingslagern, zum Leben ist es dort traumhaft. Wir haben uns dort super wohl gefühlt, aber für mich war klar, dass ich das begrenzt auf zwei Jahre machen will – Graz war als Karriereabschluss fantastisch.

WERDER.DE: Und wie war dein letztes Profijahr?

Christian Schulz: Wir haben mit Sturm Graz noch mal einen Pokalsieg geholt - da schloss sich für mich der Kreis. Meine Karriere hatte hier in Bremen mit zwei Titeln direkt stark angefangen. Danach kam eine lange Zeit ohne Titel. Man ist ja am Anfang wirklich relativ naiv und denkt sich: Zwei Titel dieses Jahr, dann im nächsten Jahr vielleicht nochmal einer (lacht). Aber so läuft es nicht im Fußball, gerade wenn du solche Mannschaften hast wie Bayern München in Deutschland oder Salzburg in Österreich. Dass man nach 15 oder 16 Jahren Karriere dann nochmal einen Titel mitnehmen kann, ist natürlich super.

WERDER.DE: Und dann ging’s wieder zurück nach Hannover.

Christian Schulz: Genau. Meine Frau und ich sind dort sesshaft geworden und haben unser Haus dort auch während unserer Station in Österreich behalten. Dann gab es einen Anruf von Michael Tarnat mit der Frage, ob ich mir vorstellen könne, für die zweite Mannschaft von Hannover zu spielen. Es ging einfach darum, den Jungs auf dem Weg zum Profidasein zu helfen, während ich komplett ohne Druck spielen konnte. Frank Baumann hat auch versucht, mich für die gleiche Rolle in Bremen zu überzeugen. Wir waren aber mit dem Haus und unserem sozialen Leben in Hannover weiter.  Trotzdem war es schön, dass Frank sich gemeldet hat und mich noch auf dem Schirm hatte, wir hatten uns davor schon einige Jahre nicht mehr gesehen. 

 

Das ist etwas, was viele Profis vermissen, wenn sie aufgehört haben.
Christian Schulz

WERDER.DE Kann man im Kopf einfach den Schalter umlegen von totalem Ehrgeiz im Profifußball zu einem lockereren Spiel im Amateurbereich?

Christian Schulz: Ja, vom Kopf her war es schon etwas einfacher in einer zweiten Mannschaft zu spielen. Aber trotzdem: Dein Name steht ja für etwas, für eine bestimmte fußballerische Vergangenheit und musst mit Leistung vorangehen. Ich konnte den Jungs was beibringen und die gute Stimmung in der Mannschaft genießen. Die Jungs waren zwar jünger, die Kabine war aber was Besonderes. Das ist etwas, was viele Profis vermissen, wenn sie aufgehört haben.

Auszeit vom Fußball

WERDER.DE: Und wie ging es dann weiter?

Nach den drei Jahren in der zweiten Mannschaft habe ich ein Jahr Co-Trainer bei der U23 gemacht und parallel dazu meine A-Lizenz erworben. Dann habe ich mich aber dafür entschieden, ein Dreivierteljahr aus dem Fußball rauszugehen, um einfach meine Karriere nochmal sacken zu lassen. Ich wollte einfach mal den Kopf frei bekommen und andere Sachen ausprobieren - auch andere Sportarten. Der Fußball war bis dahin das ganze Leben ein Teil von mir und immer präsent. Die Auszeit habe ich für mich und meine Familie genommen und bin im Nachhinein sehr froh darüber. In dem Jahr ist aber der Gedanke in mir gewachsen, dass der Fußball doch das ist, was ich eigentlich machen will und meine Energie reinstecken möchte. 

WERDER.DE: War dir nach dem Ende deiner Profilaufbahn in Österreich bewusst, was du danach machen willst?

Christian Schulz: Ehrlich gesagt nicht hundertprozentig. Das Trainerdasein ist immer so das naheliegendste, weil du deine Erfahrungen an die Jungs weitergeben kannst.

Es ist aber nochmal ein anderes Arbeiten, das habe ich in dem Jahr als Co-Trainer gemerkt. Im Hintergrund läuft sehr viel ab, ich habe nochmal einen ganz anderen Blickwinkel für Aufgaben als Trainer bekommen. Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll und auch zeitintensiv, gerade wenn alles professionell aufgestellt ist. Man muss sich mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigen. Trotzdem habe ich daran viel Spaß. Deswegen glaube ich schon, dass mich dieses Thema die nächsten Jahre begleiten wird.

WERDER.DE: Du hattest dein A-Trainer-Lizenz grade schon angesprochen. Ist dein Ziel bei einem großen Verein als Cheftrainer irgendwann auf Bank zu sitzen?

Christian Schulz: Ich fange ja gerade erst an und freue mich auch jetzt erstmal auf die Aufgabe in Hannover die U17 zu übernehmen und meine ersten Cheftrainer Erfahrungen zu sammeln. Es wird aufregend und spannend so einen Prozess zu begleiten. Aber ich brenne jetzt schon dafür und kann es kaum erwarten, bis es losgeht. Dann wird man sehen wie es sich entwickelt. Aber wenn man die besonderen Erlebnisse, die man als Spieler hat, nochmal als Trainer erleben kann, ist das schon etwas, wofür man kämpfen und auch träumen kann.

WERDER.DE: Und wie würdest du dich als Trainertyp bezeichnen?

Christian Schulz: Ich bin sehr kommunikativ und gehe viel auf die Spieler ein. Dabei bin ich vom Typ her einer, der in sich ruht und selten laut wird. Meine Spieleidee und Philosophie ist schon, dass wir aktiv sind, dass wir mit dem Ball Lösung finden und den Gegner immer vor Probleme stellen. Aber ich glaube, letztendlich geht es immer darum, die Leute emotional mitzunehmen und zu sensibilisieren, was eigentlich alles dazu gehört.

Ich war echt begeistert von der Stimmung, und davon, dass Verein und Fans hier noch Hand in Hand gehen.
Christian Schulz

WERDER.DE: Wie viel Kontakt hast du noch nach Bremen und zu Werder?

Christian Schulz: Vor der Winterpause war ich mal wieder im Stadion. Das war ein klasse Erlebnis! Man sieht, dass die ganze Stadt zum Verein hält. Ich war echt begeistert von der Stimmung, und davon, dass Verein und Fans hier noch Hand in Hand gehen. Es laufen noch viele Weggefährten von mir in Bremen rum, ich habe mich beim Spiel gegen Leipzig mit einigen Leuten ausgetauscht: Klaus-Dieter Fischer, Jürgen Born, Dieter Burdenski, Clemens Fritz und noch viele mehr. Wir haben im Nachgang noch eine halbe Stunde über das Spiel und die Chancen gesprochen. Es war sehr schön: Wie so ein Klassentreffen, wenn man zurückkommt. Man hat sich zwar längere Zeit nicht mehr gesehen, aber trotzdem ist es so, als ob man gar nicht so richtig weg gewesen wäre.

WERDER.DE: Für welchen Verein schlägt denn jetzt letztendlich dein Herz?

Christian Schulz: Ich habe in Bremen super Erfahrung gemacht, das ist mein Heimatverein und hier bin ich groß geworden. Aber auch in Hannover hatte ich eine super Zeit. Wir haben Europapokal gespielt, was natürlich auch eine super schöne Erinnerung ist. Außerdem habe ich dann meine Frau dort kennengelernt und meine Kinder sind dort geboren. Dadurch ist Hannover aktuell mein Lebensmittelpunkt. Ich bin sehr froh, dass ich in beiden Vereine meine Fußspuren hinterlassen konnte und die großen Erfolge auch mit meinen Namen in Verbindung gebracht werden 

WERDER.DE: Danke Christian und viel Erfolg bei deinen nächsten Schritten!

 

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