"Ich wollte als Kind unbedingt Werder sehen"

Patrick Kohlmann im zweiten Teil des Interview des Monats

Co-Trainer Patrick Kohlmann im Gespräch mit Marco Friedl
Co-Trainer Patrick Kohlmann im Gespräch mit Marco Friedl (Foto: nordphoto).
Interview
Freitag, 04.02.2022 / 12:32 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Im zweiten Teil des großen WERDER.DE Interview des Monats spricht Werders Co-Trainer Patrick Kohlmann über seine irischen Wurzeln, 20 Jahre im Profifußball, sein Highlight als Fußballer und frühere Europacup-Abende der Grün-Weißen.

WERDER.DE hat mit Patrick Kohlmann über seine Kindheit und das Hauptstadtderby gesprochen

WERDER.DE: Welchen Einfluss hatte und hat deine irische Mutter auf eure Familie?

Patrick Kohlmann: "Ich war früher in den Schulferien häufig mit ihr bei meinen Großeltern, habe dadurch das irische Leben, die irische Kultur kennengelernt, die mich als Kind schon begeistert haben. Dort ist es viel lockerer als in Deutschland. Man kommt in einen Raum und fühlt sich sofort so, als ob man die Leute dort schon länger kennt. Sprachlich war es nicht ganz so einfach. Meine Mutter hat zwar versucht, mir Englisch beizubringen, aber ich bin nicht wirklich zweisprachig aufgewachsen. Nach ein paar Tagen in Irland konnte ich mich aber immer gut verständigen."

WERDER.DE: Kann man als Fan der irischen Kultur in Deutschland Irish Pubs besuchen?

Patrick Kohlmann: "Ich war vor einigen Jahren über Weihnachten mit Freunden in Dublin. Sie waren natürlich begeistert. Denn es ist dort noch eine etwas andere Pub-Kultur. Sobald jemand eine Gitarre in der Hand hat und anfängt zu spielen und zu singen, singen alle mit. In Deutschland fühle ich mich aber in Irish Pubs auch nicht unwohl (lacht)."

WERDER.DE: Wie kam damals der erste Kontakt zum irischen Fußball-Verband zustande?

Patrick Kohlmann: "Ich habe in der U16 zum ersten Mal für Irland gespielt. Eine entscheidende Rolle dabei hat mein Onkel aus Irland gespielt. Der irische Verband hat damals in ganz Europa Spieler mit irischen Wurzeln gesucht. Borussia Dortmund war ein klangvoller Name, und da haben sie sich sicher gedacht, dass ich nicht ganz so schlecht sein kann (lacht)..."

Ich hatte durchaus Hoffnung, dass der Anruf kommt, aber er kam nicht...
Patrick Kohlmann

WERDER.DE: Später hast du es bis in die U21 geschafft, für die du fünf Mal zum Einsatz gekommen bist. Wie waren diese Länderspiele?

Patrick Kohlmann: "Aufregend. Ich kam in diese Mannschaft, kannte fast niemanden, habe mich aber recht schnell zurechtgefunden, wurde sehr gut unterstützt. Letztlich verbindet der Fußball. Sie haben gesehen, dass ich auch ein bisschen wusste, wie das Spiel funktioniert, und haben mich schnell akzeptiert. Liam Miller, meinen Zimmerpartner, kannte ich aus der U16. Er war damals Kapitän, fußballerisches Vorbild für mich, hat in seiner Karriere unter anderem für Manchester United und Celtic Glasgow gespielt. Er hat mir sehr geholfen. Leider ist er vor vier Jahren verstorben. Von meinen fünf U21-Länderspielen haben wir vier gewonnen und einmal Unentschieden gespielt. Es waren tolle Erlebnisse."

WERDER.DE: Gab es auch Anfragen vom DFB?

Patrick Kohlmann: "Ich habe beim Länderpokal in Duisburg für die Westfalen-Auswahl gespielt und wurde danach tatsächlich zu einem DFB-Lehrgang eingeladen. Aber ich habe Uli Stielike, der damals Trainer war, angerufen und ihm gesagt, dass ich mich für Irland entschieden habe und dabei bleiben möchte – zum einen aus Überzeugung, weil es mir Riesenspaß machte und ich dadurch eine gewisse Verbindung zum Heimatland meiner Mutter hatte. Zum anderen wäre es beim DFB für mich ungleich schwieriger geworden."

WERDER.DE: Wie weit warst du vom irischen A-Team entfernt?

Patrick Kohlmann: "Eigentlich nicht so weit. Ich hatte durchaus Hoffnung, dass der Anruf kommt – insbesondere in meinen besten Jahren in der 2. Liga. Aber er kam nicht. Damals war Giovanni Trapattoni Cheftrainer. Und die irische Nationalmannschaft hatte eine deutlich höhere Qualität als heute. Mit Spielern wie Damien Duff, Roy Keane und Robbie Keane sowie vielen weiteren, die in der englischen Premier League spielten."

Vor 75.000 Zuschauern im Olympiastadion

WERDER.DE: Welches Spiel war das Highlight deiner Karriere?

Patrick Kohlmann: "Ohne Frage das Berliner Derby 2011 mit Union gegen Hertha. Wir waren klarer Außenseiter, vor allem in den ersten 30 Minuten hoffnungslos unterlegen und haben trotzdem am Ende mit viel Glück 2:1 gewonnen – vor 75.000 Zuschauern im Olympiastadion. Solch eine Kulisse erlebt man in der zweiten Liga nicht jede Woche.

WERDER.DE: 2014 bist du zu Holstein Kiel gewechselt und dort 2017 Co-Trainer geworden. Wie kam es dazu?

Patrick Kohlmann: "In meinem letzten Vertragsjahr als Spieler hatte Markus Anfang nach einigen Spieltagen das Traineramt übernommen. Zwei Spiele habe ich unter ihm gemacht. Dann war ein Bandscheibenvorfall so akut, dass ich sieben Monate ausfiel. Ich habe mich allerdings zurückgekämpft und wollte noch zwei, drei Jahre spielen. Weil absehbar war, dass es für mich in Kiel zu Ende geht, war wieder einmal der Plan, nach Dortmund zurückzugehen, dort in der Nähe zu spielen, vielleicht als Führungsspieler in einer zweiten Mannschaft. Aber dann fragte mich Markus Anfang, ob ich mir vorstellen kann, im Trainerteam mitzuarbeiten."

Nahtloser Übergang: Vom Spieler zum Co-Trainer

WERDER.DE: Wieder eine schwierige Entscheidung?

Patrick Kohlmann: "Ehrlich gesagt, hatte ich mir bis dahin überhaupt keine Gedanken gemacht, dass das eine Option sein könnte. Unser Sohn stand damals vor seiner Einschulung, meine Familie zog daher zurück nach Dortmund. Auf der einen Seite also die Entfernung zu meiner Familie, auf der anderen eine sehr interessante Aufgabe, eine große berufliche Chance. Der nahtlose Übergang vom Spieler zum Co-Trainer ist keine Selbstverständlichkeit. Letztlich habe ich mich für Kiel entschieden, weil mir viele dazu geraten haben. Und auch meine Frau hat mich unterstützt. Sie wollte nicht, dass ich irgendwann dieser Chance nachtrauere."

WERDER.DE: Wie schwierig war der Übergang vom Spieler zum Co-Trainer?

Patrick Kohlmann: "Einerseits war es einfach, weil ich Mannschaft gut kannte. Andererseits hatte ich fünf Wochen vorher noch mit den Jungs gespielt und drei Wochen vorher noch auf Mallorca den Aufstieg in die zweite Liga gefeiert. Mir war sehr wichtig, dass ich mich menschlich nicht verändere in der neuen Rolle. Ich bin dann recht schnell in die Aufgabe reingewachsen."

Wiedersehen

WERDER.DE: Wie war das Wiedersehen mit Marvin Ducksch hier bei Werder, mit dem du bereits in deiner letzten Saison als Spieler bei Holstein Kiel zusammengespielt hattest?

Patrick Kohlmann: "Ich habe mich riesig darüber gefreut. Weil ich ihn als tollen Mitspieler in Erinnerung hatte, als guten Typen, der obendrein wie ich aus Dortmund kommt. Ihn Fußball spielen zu sehen, macht extrem viel Spaß. Er ist mit seinen Qualitäten, mit seinem Fußball-Verständnis ein Erstliga-Spieler. In der 2. Liga gibt es kaum einen Spieler, der Fußball besser versteht als er und das auf dem Spielfeld auch umsetzen kann."

WERDER.DE: Du warst Co-Trainer bei Holstein Kiel in der zweiten Liga, bist nun Co-Trainer bei Werder in der zweiten Liga. Ist es dennoch ein weiterer Schritt in deiner Entwicklung?

Patrick Kohlmann: "Bei allem Respekt und aller Wertschätzung für Holstein Kiel: Man kann die beiden Vereine nicht miteinander vergleichen. Beide haben eine lange Tradition, aber die Erfolge von Werder sind unglaublich. Als ich groß geworden bin, gab es Bayern München, Werder Bremen, Borussia Dortmund, vielleicht noch der 1. FC Kaiserslautern. Diese Clubs haben den Fußball in Deutschland bestimmt. Und ich habe viele Abende meinen Vater angebettelt, denn ich wollte als Kind unbedingt Werders Europacup-Spiele im Fernsehen sehen. Werder ist eben ein Erstliga-Verein in der zweiten Liga."

WERDER.DE: Was ist wichtig für ein gut harmonierendes, erfolgreiches Trainerteam?

Patrick Kohlmann: "Dass jeder weiß, was seine Hauptaufgabe ist, und alle trotzdem über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen. Wenn ich zum Beispiel für das Individualtraining mit den Spielern zuständig bin, dann kann ich das nicht ganz alleine machen. Ich kann nicht fünf Kleingruppen gleichzeitig trainieren, sondern brauche Unterstützung. Außerdem muss im Trainerteam natürlich menschlich passen. Bei uns ist das der Fall – auch mit den Athletiktrainern und den Analysten. Dieses gesamte Team funktioniert sehr gut, und das strahlt dann auch auf die Mannschaft aus. Selbst als wir gerade neu waren bei Werder und es wirklich turbulent zuging, hatte man immer das Gefühl, dass alle zusammenhalten."

Schon gelesen?

Justin Njinmah guckt nach oben, er steht auf dem Platz und hat ein Werder-Trikot an.

Njinmah fehlt Werder krankheitsbedingt

Rückschlag für Justin Njinmah: Der Angreifer von Werder Bremen ist an einem viralen Infekt erkrankt und steht den Grün-Weißen vorerst nicht zur Verfügung. Das ergaben Untersuchungen beim 23-Jährigen durch Mannschaftsarzt Dr. Christoph Engelke. Njinmah hatte am Sonntag beim Heimspiel gegen Stuttgart bereits kurzfristig krankheitsbedingt nicht im Kader stehen können.

23.04.2024 / 16:00 / Profis

Familie und Profigeschäft

WERDER.DE: Romano Schmid hat nach seinem Tor in Paderborn unter anderem das individuelle Training mit dir zuvor gelobt. Wie sieht diese Arbeit aus?

Patrick Kohlmann: "Nach den Trainingseinheiten widmen wir uns häufig noch mit einzelnen Spielern oder kleineren Gruppen besonderen Themen, arbeiten daran, die Spieler zu entwickeln und damit zugleich der Mannschaft zu helfen. Nicht nur auf dem Trainingsplatz, es kann auch beinhalten, mit Spielern auf Video die Spiele zu besprechen, zusammen herauszuarbeiten, was gut und was nicht so gut ist. Wenn man dann etwas trainiert, was am Ende im Spiel klappt, dann freut man sich natürlich. Aber es ist ja auch mein Job. Letztlich schießen die Spieler die Bälle ins Tor, deswegen gebührt ihnen immer der größte Teil des Lobes."

WERDER.DE: Du bist seit 20 Jahren im Profifußball dabei. Wie betrachtest du diese Zeit?

Patrick Kohlmann: "Daran, dass das mehr als die Hälfte meines Lebens ist, merke ich, wie alt ich schon bin (lacht). Wenn ich die Bilder von meinem Bundesliga-Debüt 2004 sehe, muss ich schmunzeln. In der A-Jugend gehörte ich zum ersten Jahrgang beim BVB, der ein bisschen Geld bekommen hat – ich glaube 300 Euro. Als 18- oder 19-Jähriger war das damals eine ordentliche Summe. Insgesamt waren wir damals sicher noch sehr viel freier. Heute werden junge Spieler immer früher an den Profifußball herangeführt. Sie müssen sehr schnell erwachsen sein, früh mit Druck umgehen können. Durch die sozialen Medien prasselt viel auf sie ein. Selbst während meiner Zeit bei Union Berlin konnten wir nach einem Sieg noch weggehen und feiern, ohne dass wir Angst haben mussten, dass danach zehn Handy-Videos kursieren. Heute kann man früh viel Geld verdienen, muss dafür aber auch früh einiges einstecken. Noch fast Kind zu sein, aber schon als Erwachsener behandelt zu werden, stelle ich mir nicht einfach vor."

WERDER.DE: Wie meisterst du die Entfernung zu deiner Familie in Dortmund?

Patrick Kohlmann: "Das ist nicht optimal, da bin ich ganz ehrlich. Beruflich ist es für mich super, das war auch in Kiel schon so. Und als Familie lernt man mit der Zeit damit umzugehen. Die Distanz von Dortmund nach Bremen ist jetzt angenehmer als von Dortmund nach Kiel. Trotzdem würde ich meine Frau und meine Kinder am liebsten jeden Tag sehen. Aber Familie und Beruf sind nun mal nicht immer zu 100 Prozent vereinbar. Das ist in anderen Jobs auch so. Ich bin sehr dankbar, dass meine Familie das mitmacht. Den Großteil der Arbeit stemmt meine Frau. Gerade durch Corona ist es noch mal anstrengender für sie. Da habe ich den leichteren Job."

Die stärkste 2. Liga aller Zeiten?

WERDER.DE: Es wird diese Saison immer wieder von der stärksten 2. Bundesliga aller Zeiten gesprochen. Stimmst du zu?

Patrick Kohlmann: "Seit ich dabei bin, war es fast jede Saison die angeblich stärkste zweite Liga aller Zeiten (lacht). Auf jeden Fall ist sie seit Jahren extrem ausgeglichen. Und im Moment sind einfach noch mehr Traditionsvereine als je zuvor dabei. Es gibt jedes Wochenende mindestens zwei Spiele, von denen man denkt: Das könnte auch ein Erstliga-Spiel sein. Es ist sicher etwas dran an der Einschätzung. Aber ich kann mir vorstellen, dass es auch in den nächsten fünf Jahren immer wieder die stärkste zweite Liga aller Zeiten sein wird."

WERDER.DE: Dann gerne wieder ohne Werder… Wie wahrscheinlich ist es, dass du nächste Saison an deine früheren Wirkungsstätten wie die ‚Alte Försterei‘ in Berlin und den ‚Signal Iduna Park‘ in Dortmund reisen kannst?

Patrick Kohlmann: "(überlegt) Ich hoffe, dass wir weiterhin Woche für Woche daran arbeiten, dass diese Chance steigt. Der Weg ist noch extrem weit. Wichtig ist, dass wir auch mit möglichen Rückschlägen gut umgehen. Egal, was passiert: Wir sollten bis zum Schluss daran glauben. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass sich selbst in Situationen, in denen man denkt, der Zug sei schon abgefahren, doch nochmal eine Tür öffnet, in die man den Fuß bekommen kann. Insbesondere dann, wenn man konsequent seinen Weg geht."

WERDER.DE: Würdest du in absehbarer Zeit gerne selbst als Cheftrainer arbeiten?

Patrick Kohlmann: "Ich fühle mich als Co-Trainer sehr wohl und denke, dass ich so meine Stärken am besten einbringen kann. Im Profibereich sehe ich mich derzeit nicht als Cheftrainer, im Jugendbereich wäre es vielleicht etwas Anderes. Aber wenn mir jemand sagt, dass ich meinen Job als Co-Trainer in den nächsten 20 Jahren weitermachen darf, hätte ich nichts dagegen."

 

Mehr spannende Werder-Interviews:

Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.