"Wir werden das Steuerrad in der Strukturdebatte in der Hand behalten"

Dr. Hubertus Hess-Grunewald im Interview mit dem WERDER MAGAZIN

Präsident Dr. Hubertus Hess-Grunewald äußert sich zur Strukturdebatte (Foto: W.DE).
Interview
Donnerstag, 15.07.2021 / 17:49 Uhr

Als Präsident wird Dr. Hubertus Hess-Grunewald in diesem Jahr eine Mitgliederversammlung des Sport-Verein ‚Werder‘ von 1899 e. V. leiten, die es so noch nicht gegeben hat. Im ausführlichen Interview des aktuellen WERDER MAGAZINs, das diese Woche erschienen ist, blickt er auf die Versammlung voraus und ordnet die Geschehnisse rund um die Fußball-Bundesliga-Mannschaft in den vergangenen Wochen ein.

Das WERDER MAGAZIN hat mit dem Präsidenten des SVW auch ausführlich über Neuaufbau des Vereins, die anstehende Mitgliederversammlung und mögliche personelle Veränderungen im Aufsichtsrat gesprochen. 

Hess-Grunewald: "Die richtige Richtung bis 2025 festlegen"

WERDER MAGAZIN: Herr Dr. Hess-Grunewald, wie haben Sie es geschafft, die sportliche Enttäuschung am Ende der vergangenen Saison zu verarbeiten?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Ganz offen: Diese Verarbeitung ist bei mir noch nicht abgeschlossen. Letztlich wird sie nur dann zunehmend gelingen, wenn wir jetzt schnell Schritte in die richtige Richtung machen. Dafür müssen wir uns in allen Bereichen komplett auf diese Situation einlassen, sie annehmen und die Chancen nutzen, die es immer im Leben und in solchen Situationen gibt. Das gilt für uns als Geschäftsführer in der Kapitalgesellschaft, aber auch für das Präsidium und jedes Mitglied. Wichtig ist es zu fokussieren, was in diesen Wochen die wichtigsten Schritte sind."

WERDER MAGAZIN: Die gesamte Geschäftsführung mit Klaus Filbry, Frank Baumann und Ihnen ist im Amt geblieben und verantwortet auch den Neuaufbau in der 2. Bundesliga. Ein starker Vertrauensbeweis des Aufsichtsrats?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Wir müssen das richtig einordnen. Natürlich war es ein Signal, das handelnden Personen den Rücken für die nächsten Monate gestärkt hat. Aber dieses Signal ist auch mit der Aufforderung verbunden gewesen, uns schnell wieder wettbewerbsfähig zu positionieren. Unter dem Zeitdruck, den der frühe Start der 2. Bundesliga auslöst, war das sehr wichtig. Das war ein Schritt dieser Fokussierung, die ich jetzt auch einfordere. Was ist zum jetzigen Zeitpunkt das Wichtigste, um uns in der Bahn zu halten? Und da ging es zu allererst darum, mit einer erfolgreichen Mittelstandsanleihe und zahlreichen Gesprächen mit Banken und Partnern unsere finanzielle Stabilität sicherzustellen. Im sportlichen Bereich ging es um die Zusammenstellung des neuen Trainerstabs, und jetzt arbeiten Frank Baumann und sein Team an einem interessanten Kader für die zweite Liga. In meinem Geschäftsbereich sind wir neben vielen anderen Themen mit der Rückkehr der Fans in die Stadien beschäftigt. Wir wollen natürlich den schnellstmöglichen Weg zu vollen Stadien einschlagen, der aber auch nachhaltig, gesund und sicher sein muss. Und wir im Präsidium behalten die Auswirkungen des Abstiegs für den Verein im Auge. Neben dieser Fokussierung auf die kurzfristigen Ziele bis zum Saisonstart beschäftigen wir uns aber auch mit den Perspektiven darüber hinaus."

WERDER MAGAZIN: Können Sie dazu einen Einblick geben?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft treibt seit sechs Monaten einen ambitionierten Strategie-Prozess voran. Darin haben wir intensiv die Ergebnisse der letzten vier Jahre beleuchtet und Schlussfolgerungen gezogen. Jetzt geht es darum, die richtige Richtung bis 2025 festzulegen. Das ist ein wichtiger Prozess, der festlegt, in welchen Leitplanken wir uns bewegen wollen. Er soll dazu führen, dass wir innerhalb dieser Leitplanken mutiger, schneller und agiler Entscheidungen treffen können. Ich rechne damit, dass wir hier bald Ergebnisse präsentieren können. Im Verein ist das übergreifende Thema natürlich die Mitgliederversammlung, auf die wir aufgrund der Pandemie so lange gewartet haben und die natürlich durch die Wahl des Aufsichtsrats und des Ehrenrats mit besonderer Spannung erwartet wird. Auch die Art und Weise der Durchführung wird sicher mit großem Interesse verfolgt. Erstmals werden wir unsere wichtigste Veranstaltung unter dem Dach des wohninvest WESERSTADION durchführen."

"Dieser Verantwortung werden wir uns stellen"

WERDER MAGAZIN: Die Aufsichtsratsmitglieder Marco Bode, Kurt Zech, Andreas Hoetzel und Thomas Krohne haben angekündigt, nicht wieder für den Aufsichtsrat zu kandidieren. Waren Sie überrascht?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Ich war überrascht und bedaure diese Entscheidungen sehr. Die Zusammenarbeit mit dem aktuellen Aufsichtsrat war von großer Intensität geprägt. Er hat der Geschäftsführung in diesen schweren Zeiten immer beratend zur Seite gestanden, viele wichtige Impulse gegeben und vor allem Entscheidungen kritisch begleitet. Dass die Kontrollfunktion in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wurde, lag an der großen Disziplin des Aufsichtsrats, der sich darauf verständigt hatte, trotz aller Emotionen und sicher auch unterschiedlicher Bewertungen immer wieder eine gemeinsame Haltung zu entwickeln und die Kommunikation über Marco Bode laufen zu lassen. Das ist eine große Besonderheit, die Werder Bremen auch ausgezeichnet hat. Ich hoffe, dass auch nach der Neubesetzung des Gremiums dieses konstruktiv-kritische Miteinander so erhalten bleibt."

WERDER MAGAZIN: Eine gewisse Konstanz hat das Präsidium sichergestellt, in dem es erneut und auch sehr frühzeitig die Nominierung von Axel Plaat und Marco Fuchs für den Aufsichtsrat einstimmig bestätigt hat.

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Das war in der Tat ein großer Vertrauensbeweis, den das Präsidium gesendet hat. Die beiden haben die Interessen des Vereins in diesem Gremium sehr kompetent vertreten. Ihre Fachlichkeit und Kompetenz sind unumstritten. Auch der Faktor Konstanz spielt sicher eine Rolle. Dieses sechsköpfige Gremium komplett neu zu besetzen, halte ich in diesen herausfordernden Zeiten nicht für zielführend für die Stabilität unseres Vereins. Darin war sich auch das Präsidium sehr schnell einig."

WERDER MAGAZIN: Vor der Mitgliederversammlung gibt es immer wieder Stimmen, die sich dafür aussprechen, dass der Präsident selbst in den Aufsichtsrat nominiert werden und dort den Vorsitz übernehmen sollte, um nicht im operativen Geschäft zu agieren, sondern als oberste Kontroll- und Aufsichtsinstanz.

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Diese Stimmen gibt es seit der Ausgliederung im Jahr 2003 in regelmäßigen Abständen. Der Verein hatte damals sehr gute Gründe dafür, Strukturen zu schaffen, die ihm einen großen Einfluss auf das operative Geschäft garantieren. Werder wollte allen Kritikern der Ausgliederung aufzeigen, dass wir trotz der Gründung einer Kapitalgesellschaft EIN WERDER bleiben. Dass wir es schaffen, Strukturen zu installieren, um auf Augenhöhe zu agieren und einer Entfremdung der beiden Organisationen entgegenzuwirken. Das ist aufgegangen. Wir sind in diesen Strukturen Double-Sieger geworden, haben lange Champions League gespielt und haben sportliche Durststrecken überwunden. Aber das Präsidium ist an dieser Stelle auch nicht dogmatisch unterwegs. Wir wissen, dass sich die Zeiten verändern, dass Werder größer geworden ist, die Kapitalgesellschaft in anderen Umsatz-Regionen gelandet ist und in vielen Bereichen spezielle Fachkompetenz gefragt ist. Wir haben uns schon immer damit auseinandergesetzt und nicht zuletzt 2017 mit einer monatelang vorbereiteten Satzungsänderung dieser Entwicklung Rechnung getragen, die es möglich macht, die Position des Geschäftsführers auch mit Persönlichkeiten zu besetzen, die nicht dem geschäftsführenden Präsidium angehören. Wir haben uns in diesem Prozess außerdem darauf verständigt, diese Strukturen regelmäßig zu überprüfen. Und dieser Verantwortung werden wir uns stellen."

WERDER MAGAZIN: Gibt es denn im Präsidium Aktivitäten, eine solche Personal-Rochade kurzfristig umzusetzen?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Die Satzung würde es ja schon jetzt weitgehend hergeben. Nein, wir haben da im Präsidium eine sehr klare Haltung, und die ist auch sehr belastbar. Kurzfristig werden wir an diesem starken und wichtigen Steuerungsinstrument des Vereins, selbst in der Geschäftsführung Entscheidungen mit zu treffen, nichts verändern. Wie ich schon sagte, wir brauchen jetzt den Fokus, der uns durch diese Krise führt. Und wir müssen uns alle bei dieser Arbeit gegenseitig unterstützen. Wir brauchen jetzt den Zusammenhalt und keine Strukturdebatte, die nach diesem Abstieg zu emotional und persönlich geführt werden würde. Das Präsidium nimmt die Stimmen wahr, die jetzt schnelle Reformen fordern, aber das Präsidium ist nicht von den Motiven überzeugt, die dort vorgetragen werden. Es entsteht bisweilen der Eindruck, dass persönliche Motive eine viel zu große Rolle spielen und der Effekt einer solchen Strukturreform völlig überhöht wird. Die Strukturreform ist kein Allheilmittel. Deshalb werden wir im Präsidium in den Strukturfragen das Steuerrad auch weiter in der Hand behalten und das Tempo bestimmen. Wir werden eigene Gedanken zu strukturellen Anpassungen an die Herausforderungen vorlegen."

Wir wollen das Miteinander wieder voll entfalten
Dr. Hubertus Hess-Grunewald

WERDER MAGAZIN: Welche Punkte müssten in solch einem Plan enthalten sein, und in welchem Zeitrahmen denken Sie dabei?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Im kommenden Jahr werden die Mitglieder wieder über die Position des Präsidenten abstimmen. Und ich denke, dass dann ein Fahrplan des Präsidiums vorliegen wird, wie dieser gewählte Präsident diesem Verein und seinen Mitgliedern dienen sollte. Ich werde mich mit aller Energie dafür einsetzen, dass wir unsere Strukturen so anpassen, dass wir einerseits den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden und dass andererseits sichergestellt ist, dass die Geschäftsführung auch weiterhin mit Persönlichkeiten besetzt ist, die sich für EIN WERDER stark machen, ihren Bereich leistungsstark und erfolgreich wahrnehmen und trotz eines Arbeitsvertrags in der Kapitalgesellschaft die Haltung einer leidenschaftlichen Werderanerin oder eines Werderaners verinnerlicht haben."

WERDER MAGAZIN: Für die Kandidatinnen und Kandidaten der Aufsichtsratswahl dürften Sie sich das gleiche wünschen?

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: "Man muss natürlich differenzieren, es geht hier um eine andere Rolle, aber natürlich sollte bei allen Anwärterinnen und Anwärtern das Interesse an einem erfolgreichen Werder Bremen über das eigene Ego gestellt sein. Ich beobachte die bislang erfolgten öffentlichen Positionierungen mit großem Interesse. Ich habe den Slogan ‚Kein Weiter so‘ vernommen, der, mitten im Abstiegskampf geäußert, natürlich für Unruhe und schnelle Zustimmung sorgt. Aber ich vermisse bislang noch Inhalte hinter dieser Forderung. Inhalte, die nicht so platt sind, dass wir sie nicht längst geprüft hätten, sondern die vielleicht einen interessanten Impuls geben könnten und die Debatte wirklich bereichern."

Ausblick auf die kommende Saison

WERDER MAGAZIN: Blicken wir auf die anstehende Saison voraus. Was bedeutet die wirtschaftliche Situation für den eV als Gesellschafter der KG und für die Abteilungen Handball, Tischtennis und Schach, die mit ihren Bundesliga-Mannschaften der KG angehören?

Dr. Hubertus Hess-Grundewald: "Es ist für den SV Werder eine herausfordernde Situation. Wir sind ein Sport-Verein, aber der Gedanke, dass der Profifußball der Männer unser Herzstück und Motor ist, wird genauso gelebt. Und eine Krise in diesem Bereich hat Auswirkungen auf alle Bereiche. So wie wir in guten Zeiten auch besonders von diesem Wettbewerb profitieren. Alle Abteilungen wissen das und gehen mit der Situation auch sehr realistisch um. Trotz des Abstiegs müssen wir die Weichen auch nicht völlig neu stellen. Die Zahlungsströme zwischen eV und KG sind vertraglich geregelt. Für das Geschäftsjahr 2021/2022 haben wir die Budgets der Bundesliga-Teams im Tischtennis, Schach, Handball und Frauenfußball frühzeitig aufgestellt, personelle Entscheidungen unterstützt und somit Planungssicherheit hergestellt, um den Spielbetrieb auf hohem Niveau zu gewährleisten und sicherzustellen."

WERDER MAGAZIN: Wie groß ist der wirtschaftliche Druck, den sofortigen Wiederaufstieg schaffen zu müssen?

Dr. Hubertus Hess-Grundewald: "Für den sofortigen Wiederaufstieg gibt es keine Garantie, dafür ist die Liga viel zu stark, mit vielen namhaften Vereinen, die das gleiche Ziel haben wie wir. Sollten wir es nicht schaffen, dann werden wir uns darauf einstellen müssen, dass weiterhin in allen Bereichen eine wirtschaftliche Konsolidierung notwendig ist. Vieles, was wir angeschoben haben oder anschieben wollen, wird dann nicht mehr möglich sein. Allerdings sehe ich gute Chancen, uns so aufzustellen, dass uns dieses Szenario erspart bleibt."

WERDER MAGAZIN: Für den Breitensport ist in der Corona-Pandemie glücklicherweise ein Zeitpunkt erreicht, an dem es die Zahl der Infektionen und die entsprechenden Verordnungen erlauben, dass der Betrieb in größerem Umfang wieder aufgenommen werden konnte. Wie haben die Abteilungen die lange Sportpause durch die Pandemie überstanden?

Dr. Hubertus Hess-Grundewald: "Unsere Sportabteilungen haben erfreulicherweise keine substanziellen Mitgliederverluste erlitten. Das spricht für eine große Verbundenheit zu unserem Verein, ist aber auch auf das großartige Engagement vieler Werderanerinnen und Werderaner zurückzuführen, die immer wieder versucht haben, so viel Vereinsleben wie möglich über die Lockdown-Phasen zu retten. Und jetzt werden wir alles daransetzen, auch so schnell wie möglich im Rahmen der aktuellen Corona-Verordnung wieder allen die gewünschten Sportangebote zu machen. Wir wollen das Miteinander, das einen so großen Verein wie Werder Bremen ausmacht, wieder voll entfalten"

WERDER MAGAZIN: Wie war denn die Reaktion der Mitglieder insgesamt nach dem Abstieg? Hat die Mitgliederverwaltung turbulente Wochen hinter sich?

Dr. Hubertus Hess-Grundewald: "Bei uns gingen sehr unterschiedliche Reaktionen ein, es gab natürlich viele kritische Stimmen, aber es gab auch aufmunternde Reaktionen. Erfreulich ist, dass die Zahl der Vereinseintritte neuer Mitglieder seit dem Abstieg etwa drei Mal so hoch war, wie die der Austritte. Daraus ziehe ich auch meine Motivation, meinen Beitrag zu leisten, unseren Verein durch diese Krise zu führen. Und ich hoffe, dass es uns gelingt, diese Menschen zu belohnen mit einer erfolgreichen Saison in allen Sportarten und daraus resultierender Euphorie und großer Lust auf den SV Werder."

Im WERDER MITGLIEDER-MAGAZIN Nr. 347 gibt es zudem Infos zur bevorstehenden Mitgliederversammlung am 5. September im wohninvest WESERSTADION und Aktuelles aus dem Verein. Vereinsmitglieder des SV Werder Bremen erhalten das Magazin wie gewohnt exklusiv per Post oder als e-Paper. Jetzt Mitglied werden!

 

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