11.10.1988 Das Wunder von der Weser II: SV Werder Bremen – BFC Dynamo Berlin 5:0

Dieses Thema im Forum "Allgemeines" wurde erstellt von Bremen, 10. Oktober 2013.

Diese Seite empfehlen

  1. Bremen

    Bremen Moderator

    Kartenverkäufe:
    +5
    Morgen vor 25 Jahren erlebte das Bremer Weserstadion das 2. Wunder von der Weser, das 5:0 gegen Dynamo Ost-Berlin.

    Zur Vorgeschichte: Damals hieß die Champions-League noch Europapokal der Landesmeister und wurde ausschließlich im K.O.-System austragen. Das Los wollte es, daß es zum Duell des Meisters der DDR gegen den Titelträger der BRD kam, und keiner konnte nach der Auslosung ahnen, daß diese Partien gleich doppelt in die Geschichte eingehen wird: denn diese 2 Begegnungen setzten nicht nur die Tradition großer und dramatischer deutsch-deutscher Duelle fort, sondern sie waren auch gleichzeitig das letzte Aufeinandertreffen der Meister der beiden deutschen Staaten, denn nur ein 1 Jahr, 11 Monate und 23 Tage später existierte die DDR nicht mehr.

    Im Hinspiel im Ludwig-Jahn-Sportpark am 06.09.88 blamierte sich Werder Bremen bis auf Knochen, denn die Rehhagel-Truppe ging mit 0:3 unter. Bedingt durch die Olympischen Spiele in Seoul kam es zu einem Terminchaos: die meisten Rückspiele fanden erst vier statt zwei Wochen nach der Hinrunde statt und weil Werder mit Reck, Sauer und Riedle 3 Spieler abstellte, die mit der Olympia-Auswahl den 3. Platz erreichte und somit länger in Südkorea weilten, fand das Rückspiel im Bremer Weserstadion sogar noch eine Woche später statt. Aber noch vor dieser Partie wurde die 2. Runde ausgelost, so daß schon vor Anpfiff der Partie feststand, daß auf den Sieger des Duells der schottische Meister Celtic FC aus Glasgow wartete.

    Fünf lange Wochen lastete die Schmach auf die Werder-Spieler, was sich auch in der Bundesliga bemerkbar machte. Beim späteren Absteiger Hannover 96 reichte es für den amtierenden Meister trotz einer zweimaliger Führung nur zu einem 2:2 (Ausgleich in der 90. Minute durch einen Elfer des späteren Werder-Spielers Stefan Kohn), gegen die Bayern verspielte Ottos Mannen eine 2:0-Führung (Endstand ebenfalls 2:2) und nach der Olympia-Pause verbreitete drei Tage vor dem Rückspiel ein vor allem spielerisch enttäuschendes 0:0 gegen den Aufsteiger FC St. Pauli nicht wirklich die Hoffnung, daß Werder nur 11 Monate nach dem 6:2 gegen Spartak Moskau ein erneutes „Wunder von der Weser“ schaffen würde – wie viele andere Werder-Fans auch habe ich auf dem Weg vom Stadion nach Hause auch nicht daran geglaubt, aber in den folgenden Tagen dachte ich immer mehr an die alte Theaterweisheit, daß eine verpatzte Generalprobe nicht die schlechtesten Voraussetzungen birgt...

    Was man zu der Zeit nicht wissen konnte: Otto Rehhagel fragte Werder-Präsident Dr. Franz Böhmert, ob man unbedingt versuchen sollte, das Spiel gegen St. Pauli zu gewinnen, oder das Rückspiel gegen Ost-Berlin Priorität hätte. Der Doktor gab grünes Licht für Rehhagels-Plan, den beim Heimspiel gegen St. Pauli auf der Tribüne sitzenden Spionen (ohne Anführungszeichen, weil es bei dem damaligen Stasi-Club eh zutreffend war) vom BFC Dynamo irrezuführen, indem er seine Mannschaft mit „angezogener Handbremse“ spielen ließ.

    Aber auch Manager Willi Lemke überließ nichts dem Zufall: er veranlasste, daß die Berliner die selben Zimmer bekamen wie 11 Monate zuvor die Gäste aus Moskau, das Abendessen der Cluboberen fand zur gleichen Uhrzeit im selben Hotelrestaurant statt und es wurden auch die gleichen Gastgeschenke verteilt – und er organisierte noch eine Shopping-Tour für die Gäste, um sie mit dem westlichen Überangebot an Konsumgütern „ein wenig“ abzulenken...
     
  2. Bremen

    Bremen Moderator

    Kartenverkäufe:
    +5
    ...Dienstag, 11. Oktober 1988. Ein milder Herbstabend, an dem sich ca. 23.500 Zuschauer im Weserstadion verirrten. Nur 23.500, denn zu aussichtslos schien die Lage, ein 0:3 noch umzudrehen und außerdem übertrug das ZDF das Spiel live.

    Aber trotz dieser enttäuschenden Zahl knisterte die Atmosphäre schon beim Einlaufen der Mannschaften. Jeder, der zum SV Werder hielt, spürte (sogar ein Dauerpessimist wie ich): hier geht heute vielleicht was! Ich wußte damals nicht, worin dieser Optimismus ihren Ursprung hatte, aber Otto hatte seine Jungs so gepusht, daß sich ihr Selbstbewußtsein wohl auf die Ränge überschwappte. Die Werder-Mannschaft begann mit der Aufstellung

    Oliver Reck; Jonny Otten, Michael Kutzop, Rune Bratseth, Thomas Schaaf; Uli Borowka, Günter Hermann, Mirko Votava, Norbert Meier; Karl-Heinz Riedle, Manfred Burgsmüller

    und war heißer als Frittenfett, so daß Werder-Stürmer Manni Burgsmüller mit den Fäusten mehrfach gegen die Tür der Gästekabine schlug und brüllte: ";Kommt endlich raus ihr Feiglinge, damit wir euch fertig machen können!!!"

    Und es wurde weiter in die psychologische Trickkiste gegriffen. Michael Kutzop fauchte die Gästespieler noch im Kabinengang mit den Worten "Ihr seht kein Land. Ich versprech's euch!" an und Günter Hermann gab Dynamo Stürmer Thomas Doll (ja, genau der) zu verstehen, daß es heute einen Fünfer gibt. Das saß. Und damit es auch sitzen blieb, wurden Spielpausen von den Werder-Spielern immer wieder dazu genutzt, verbal nachzulegen.

    Aber es war nicht nur das Auftreten der Werder-Elf, die die Gäste verunsicherten, sondern auch ungewollt Dynamo-Trainer Jürgen Bogs, denn er hatte seinen Spielern die Partie gegen Werder gegen Spartak gezeigt, damit diese nicht die gleichen Fehler machen sollten wie die Moskauer 11 Monate zuvor, stattdessen wurden sie durch diese Aufzeichnung verunsichert.

    Die erste Halbzeit ist relativ schnell erzählt: Werder war drückend überlegend, erspielte sich zahlreiche Chancen, aber es fiel nur ein Tor durch einen Elfmeter, der dadurch zu Stande kam, daß der in den Strafraum stürmende Bratseth von den Beinen geholt wurde. Michael Kutzop, verwandelte sicher zum 1:0, der Anfang war gemacht.

    55. Minute: Eckball für Werder von rechts durch Meier, der von einem Werder-Spieler per Kopf verlängert aber wird von der Dynamo-Abwehr zunächst geklärt. Der darauf folgende Schuß von Schaaf aus halbrechter Position prallt vom Rücken eines Dynamo-Spielers in Richtung Strafraumkreis halblinks ab. Dort nimmt Hermann den Ball volley aus der Luft und hämmert ihn unhaltbar ins vom Schützen aus gesehen unhaltbar ins rechte obere Eck zum 2:0. Trotz der geringen Zuschauerzahl erbebte das Weserstadion in seinen Grundfesten, denn wohl (fast) jeder im Stadion spürte, daß mit diesem Traumtor aus dem "Hier geht heute vielleicht was!" ein "Hier geht heute bestimmt was!" wurde, auch wenn noch mindestens 1 Tor fehlte. Und auch ZDF-Kommentator Günter-Peter Ploog frohlockte nach dem Treffer "Jetzt kann ich hier für nichts mehr garantieren."


    62.Minute: Meier tritt einen Freistoß links vom Strafraum, der Ball prallz gegen das Bein eines Dynamo-Spielers, von wo er in den 5-Meter-Raum trudelt. Riedle schaltet am schnellsten und schiebt den Ball aus 3 Metern zum 3:0 ins Tor! Damit was das Hinspielergebnis egalisiert und das Weserstadion kochte.

    70.Minute: Ein Freistoß der Gäste wird noch in deren eigenen Hälfte von Hermann abgefangen, der den Ball Votava überläßt. Der Kapitän läuft mittig unbedrängt durch und spielt den Ball nach links auf Meier. Nach ein paar Schritten und einer Drehung flankt der Spielmacher den Ball geschickt die Strafraummitte, wo Oldie Manni Burgsmüller aus ca. 9 Metern Entfernung mit einem herrlichen Flugkopfball vorbei an dem erstarrten Gästekeeper zum 4:0 einnetzt! Diese Tor zum Weiterkommen brachte das Stadion erneut zum brodeln.

    Wenige Minuten später holte Rehhagel unter stehenden Ovationen des Publikums den überragenden Norbert Meier vom Feld, vom dem die Dynamo-Spieler wohl auch noch heute Albträume haben; für ihn kam Thomas Wolter ins Spiel.

    90.Minute: Den Gästen gelingt es nicht, einen Abschlag von Reck unter Kontrolle zu bekommen; im Gegensatz zu Riedle, der den Ball kurz hinter der Mittellinie den Ball von halblinks in den freien Raum schiebt, wo Schaaf zu Sprint gestartet war. Mi Ball läuft Schaaf in den Strafraum rein und drischt kurz hinter der Strafraumgrenze zum 5:0 in die Maschen! Der Jubel kannte nun keine Grenzen mehr, Ersatzspieler, Betreuer, Trainerteam, Sanitäter, Fotografen und Fans stürmten auf das Spielfeld und der französische Schiri Quiniou machte auch keine Anstalten, das Spiel danach noch mal anzupfeifen.

    Das 2. Wunder von der Weser. Wahnsinn!

    Man kann sicherlich darüber streiten, welches das größte von vielen großen Werder-Spielen gewesen ist. Aus fußballerischer Sicht war und ist es für mich dieser Husarenritt aber auf jeden das perfekte Spiel in der Werder-Historie gewesen: Otto Rehhagel hatte seine Mannschaft taktisch und moralisch optimal eingestellt, schon beim Einlaufen spürte man auf den Rängen spürte man den unbedingten Siegeswillen, ohne die Grenze zur Übermotivation zu überschreiten. Im Spiel leistete sich die Rehhagel-Elf Spiel nur wenige Fehler und erspielte sich, wohlgemerkt im einem Meisterduell gegen einen Gegner, der u.a. mit Rohde, Thom und Doll den Kern der DDR-Nationalmannschaft bildete. über 20 Torchancen, soiwe ähnlich viele Eckbälle und ließ dem Gegner nur vereinzelte Chancen zu, der noch nicht einmal zu einem Eckball kam. Es paßte einfach alles zusammen.

    Zum Schluß noch eine persönliche Anekdote: Ich wollte mir das Spiel unbedingt noch einmal ansehen. Weil ich zu der Zeit keinen Videorekorder hatte, bot sich die Wiederholung im Vormittagsprogramm am Folgetag an, aber ich hätte dort zur Schule gemußt, zumal ich mich im Abi-Jahr befand. Aber weil ich ja schon volljährig war, habe ich mir wegen Fieber (Fußball-Fieber :D ) selbst eine Entschuldigung geschrieben, um eine der bis heute größten Sternstunden in der Historie vom SV Werder Bremen noch einmal zu genießen.
     
  3. Jaaaa...das waren noch Zeiten damals!
    Ich war auch im Stadion und hatte die ganze Zeit Gänsehaut!
    Trotz der nur 23 500 Zuschauer war es mit die beste Stimmung die das Weserstadion jemals erlebt hat.
    Schon als Werder das Stadion betrat kam so eine Euphorische Stimmung auf die bis heute nicht zu erklären ist.
    Alle hatten diesen unbedingten Willen den man ihnen schon in den Augen ansehen konnte,die Spieler,die Verantworlichen und die Zuschauer...alles passte an diesem Abend herrlich zusammen!
    Das was Norbert Meier oder Günter Herrmann gespielt haben ,ist für mich noch heute mit das beste was ich jemals gesehen habe in Bremen.
    Klar gab es noch viele andere Spieler die in den darauffolgenden Jahren sehr gute Leistungen brachten,aber das was Meier/Herrmann damals gespielt haben ist nur sehr schwer zu toppen!
    Ich weiss nicht warum,aber ich bin damals mit riesigen Optimismus nach Bremen gefahren,ja...ich habe wirklich ans weiterkommen geglaubt.
    Das haben wohl alle Stadionbesucher an diesem Abend,denn sonst kann ich mir diese Euphorie nach einem desolaten 0-3 im Hinspiel nicht erklären!
    Nun nochmal zum nächsten Tag:
    Ich hatee Urlaub genommen und hatte das Glück das ich mir ebenfalls die Wiederholung am nächsten morgen ansehen konnte.....um überhaupt erstmal zu begreifen was ich da Tags zuvor gesehen hatte.
    Es war einfach eines der Wunder wie es sie nur in Bremen gibt!!!!!!
    Einfach toll das ich heute sagen kann: ICH WAR DABEI !!!!!:applaus::applaus:
     
  4. Dieses Spiel hat einen gaaaaanz großen Anteil daran, dass ich, im Alter von 13 Jahren, Fan des SV Werder Bremen wurde.
    Neben dem SVW ist mein Heimatverein der FC Stahl Brandenburg, zu DDR-Zeiten BSG Stahl Brandenburg. 1984 stiegen wir in die DDR Oberliga auf, und blieben auch bis zur Wende stehts im Oberhaus. Dann ein Jahr 2. Bundesliga und danach ging es leider stetig bergab! (Heute 6. Liga)
    Dass der BFC Dynamo im Rest der DDR nicht sonderlich beliebt war, dürfte sich auch im "goldenen Westen" rumgesprochen haben. :wink:
    Naja, und dann kam das Rückspiel. Man was habe ich bei den Toren gejubelt..
    Die Grün-Weißen sind mir ins Herz gewachsen und so wird es auch immer bleiben!!

    LEBENSLANG GRÜN-WEIß


    P.S.: letzten saßen wir mit unserem Werderfanclub, Werderfreunde Brandenburg, zusamen und spielten ne Runde Karten. Und dann haben wir uns dieses Spiel auf DVD nochmal reingezogen!! :)

    :schal::schal::schal:
     
    Oberfrankenwerderanerin gefällt das.
  5. Hatte den Anfang des Spiels im Fernsehen gesehen. Nach dem 1:0 oder 2:0 habe ich nicht mehr weiter geguckt, weil mir klar war, wie das endet.
    Wie ich heute allen deutschen Mannschaften im Europapokal die Daumen drücke, habe ich das damals für die DDR-Mannschaften gemacht.
     
  6. gelöscht

    gelöscht Guest

    Ort:
    NULL
    Ich war damals auch im Stadion (Westkurve). Die Karte hat mir damals mein Bruder gegeben, der keine Lust auf das Spiel hatte, weil da ja eh nichts mehr ginge nach dem 0:3:D. Für diesen Pessimismus bin ich meinem Brüderchen heute noch dankbar.

    Immer wenn mein Bruder sagt, das nichts mehr geht, geschieht ein Wunder! Bei der WM 1982 ist er während des Halbfinals gegen Frankreich beim Stand von 1:3 gegen Deutschland in der Verlängerung ins Bett gegangen. Wir gewannen noch nach Elfmeterschießen.

    Beim Champions League- Spiel gegen Anderlecht ist er beim Stand von 0:3 zur Halbzeit aus dem Stadion nach Hause gegangen (war aber auch ein Schietwetter) und hat das sensationelle 5:3 verpasst.:D
     
  7. In der Serie "How I Met Your Mother" nennt man jemanden, der immer das Beste verpasst, den Blitz. Dein Bruder ist dann der Fußballblitz.:lol:
     
  8. gelöscht

    gelöscht Guest

    Ort:
    NULL
    :D:D
    Der Hyper-Super-Über-Fußballblitz! Das Halbfinale gegen Brasilien hat er sich übrigens gar nicht live angeschaut, weil er zutiefst pessimistisch war. Von da an wusste ich: Das wird historisch.:beer:
     
  9. Ich war als 13 Jähriger im Stadion!
    Bin damals immer mit unseren Nachbarn und dem Fanclub Brookmerland gefahren.
    Dort wurde bei jedem Spiel auf der Fahrt immer gewettet, wieviele Tore in der BuLi fallen.
    Und ich hatte bei einem Spieltag das richtige Ergebnis.
    Als Preis gab es zwei Karten für dieses Legendäre Spiel.
    3 Tage vorher hatte ich zusammen noch mit meinem Cousin, der damals gerade seinen Führerschein hatte, einen schweren Verkehrsunfall.
    Nicht wirklich viel passiert, nur ich hatte eine deftige Brustkorbprellung (Anschnallpflicht gab es da ja noch nicht).
    Die einzige Sorge im RTW war, dass ich nicht zu dem Spiel fahren kann.
    Aber es klappte und der Sieg und die Stimmung war der heilendste Pflaster der Welt.
    :klatsch::schal::schal::wdance::wdance:
     
    SkyHigh gefällt das.