Da innerhalb des Teams der Wille zu einem weiteren Aufstieg nicht unbedingt vorhanden war, zog es Horeis 2002 weiter zur TuSG Ritterhude, die gerade einen dramatischen Aufstieg in die Bezirksliga gefeiert hatte. Als Nachfolger der Ritterhuder Vereinsikone Peter Kandziora hatte Horeis dabei einen schweren Stand, obwohl in der ersten Saison noch die Klasse gehalten werden konnte. Dennoch hatte Horeis immer wieder mit Störfeuern von außen zu kämpfen, die er bis heute nicht vergessen hat. „Damals hatte der Verein noch ein Gästebuch auf der Internetseite. Da wurde regelmäßig anonym gegen mich geschossen. Die Seite war nach den Wochenenden wahrscheinlich die meist aufgerufene im Kreis, da hast du als Trainer keine Chance, also musste ich die Reißleine ziehen“, so Horeis, der damals die Schattenseiten des Trainerseins kennenlernte.
Doch wie so oft im Leben öffnete sich eine Tür, als sich eine andere schloss – letztlich sollte sich der unschöne Abgang als Wegbereiter für eine überragende Zeit erweisen. Denn während eines Freundschaftsspiels gegen die Werder-A-Jugend war der damalige SVW-Coach Andreas Ernst auf Horeis aufmerksam geworden und bot diesem einen Job als Co-Trainer an. „Damals war Werder die zweite Adresse in Deutschland. Wenn man die Möglichkeit bekommt, da im Leistungszentrum zu arbeiten, dann muss man nicht zweimal überlegen“, sagt der zweifache Familienvater. Gemeinsam übernahmen sie dann die U21 von Viktor Skripnik, von Beginn an entwickelte sich zwischen den beiden Alphatieren ein vertrautes Verhältnis auf Augenhöhe. „Das war fast wie eine Ehe. Andreas hat mir immer den nötigen Freiraum gegeben“, dankt Horeis seinem Kollegen.
Durch gute Arbeit und sportliche Erfolge erarbeitete sich Horeis so auch schnell ein gewisses Standing bei den Hansestädtern – trotz seines großen Selbstbewusstseins war zu Beginn aber noch eine gehörige Portion Nervosität dabei. „Ich bin sicherlich nicht auf den Mund gefallen und kann eine gewisse rhetorische Aufdringlichkeit manchmal nicht vermeiden, aber als ich die ersten Male neben Leuten wie Thomas Schaaf oder Mirko Votava stand, war mein Gesprächsanteil sicher nicht der größte“, gibt Horeis schmunzelnd zu. Doch die anfängliche Aufregung legte sich zeitnah, Jahr für Jahr formten Ernst und Horeis eine schlagkräftige Mannschaft, die in der Bremen-Liga um die Meisterschaft mitspielte. Und das, obwohl sie jedes Jahr mit einem komplett neuen Kader arbeiten mussten.
„Man muss sich das wie ein Casting vorstellen. Zu Beginn einer Saison kamen 50 Leute aus der ganzen Welt, daraus mussten wir auswählen. Wir hatten fußballerisch starke Spieler, eine Mannschaft mussten wir aber immer wieder aufs Neue formen. Das war nicht so leicht. Die Jungs sind zum Training gekommen und danach wieder gegangen“ beschreibt Horeis. Für einen Mann, der den Dorffußball bestens kennt, eine neue Erfahrung: „Ich habe die sogenannte dritte Halbzeit immer als wichtig für den Zusammenhalt empfunden. Dieses Beisammensein war da aber nie Thema, hättest du eine Kiste Bier hingestellt, wäre die wohl schlecht geworden. Auch daran gewöhnt man sich aber.“
Und der Erfolg stellte sich ja ein: Dank regelmäßiger Unterstützung aus der U23 schaffte es die dritte Mannschaft immer in die Spitzengruppe der Bremen-Liga, dreimal durfte Horeis sogar die Meisterschaft in der höchsten Bremer Spielklasse feiern. Dabei arbeitete er mit einigen Akteuren zusammen, die es heute in den Profifußball geschafft haben: Jesper Verlaat (Waldhof Mannheim), Oliver Hüsing (1. FC Heidenheim) oder Kevin Behrens (SV Sandhausen) sind nur einige Spieler, die das Sprungbrett nutzten – HSV-Spieler Bakery Jatta entdeckte Horeis sogar höchst selbst beim Bremer Africa-Cup. Und einem gewissen Florian Kohfeldt verhalfen Horeis und Ernst zumindest indirekt zu seiner Trainerkarriere: Indem sie den heutigen Werder-Coach zum zweiten Torwart degradierten, beendeten sie quasi dessen aktive Laufbahn und zwangen ihn zu seinem Glück.
So vergingen die Jahre, ein Höhepunkt jagte den nächsten: Neben den erwähnten Meisterschaften gewann Werder III auch den prestigeträchtigen Presse-Cup oder siegte beim legendären Hallenmasters vor 6000 Zuschauern. Weitere Highlights waren die Spitzenspiele gegen den Brinkumer und den Bremer SV oder die Partien, in denen die Mannschaft durch die aktive Bremer Fanszene unterstützt wurde. „Wenn da ein paar hundert Ultras Stimmung machen, dann brauchst du nicht mehr versuchen zu coachen. Das war schon überragend“, strahlt Horeis. Auch das Aufeinandertreffen mit Liverpools Starverteidiger Virgil van Dijk, der damals noch in Groningen kickte, bezeichnet Horeis rückblickend als besondere Erinnerung.
An eine Trainingsniederlage kann er sich hingegen nicht erinnern: „Ich habe in 14 Jahren bei jedem Training mitgekickt und nie verloren“, ist sich Horeis sicher. Nicht nur durch die erstaunliche Fitness, die er in jeder Einheit an den Tag legte, verdiente er sich den Respekt seiner Spieler, vielmehr durch seine ehrliche und authentische Art. Trotzdem ließ die Freude in den letzten Jahren sukzessive nach, der Austausch mit der U23 wurde weniger – die Erfolge blieben aus. „Wir haben jedes Jahr bei null angefangen, der Spaß blieb auf der Strecke“, gibt Horeis offen zu. Und so endet am 30. Juni offiziell eine Ära, einen großen Abgang erwartet der bodenständige Fischerhuder aber nicht: „Ich werde mit Björn Schierenbeck und Andreas Ernst noch einen Kaffee trinken und dann war es das. Ein großes Abschiedsspiel gegen die Profis wird es wohl nicht geben“, scherzt Horeis.
Dafür wäre es aber ohnehin zu früh, denn an einen endgültigen Abschied vom Fußball denkt Horeis nicht: „Die Begeisterung für den Sport bleibt, und durch die Corona-Zwangspause hatte man jetzt ja schon genug Entspannung. Ich kann mir gut vorstellen, mein Wissen und meine Erfahrungen weiterzugeben, wenn auch nicht in der ersten Reihe“, blickt Horeis in die Zukunft. Erst mal freut er sich, dass er nun wieder vermehrt Fußballspiele schauen kann, die ihn wirklich interessieren – auch im Kreis Osterholz. „Das reizt mich sehr. Spiele in Bornreihe oder eines der vielen Derbys. Wenn es wieder möglich ist, werde ich sicher an einigen Plätzen vorbeischauen“, prognostiziert er. Daneben freut er sich auf freie Wochenenden mit seiner Familie, Zeit für neue Hobbys und in absehbarer Zeit auch wieder einen Urlaub. Verdient hat sich Stefan Horeis diesen nach 14 aufregenden Jahren beim SV Werder Bremen ohne Zweifel.