"Die Träume werde ich meinen Spielerinnen nicht nehmen"

Brenzlige Situationen gab es vor dem Werder-Tor ausreichend. Trotz des deutlichen Ergebnisses schlug sich Werder jedoch hervorragend gegen den deutschen Vize-Meister aus Duisburg.
Frauen
Donnerstag, 01.01.1970 / 01:00 Uhr

Am Sonntag, 19.10.2008, um 11 Uhr kommt es auf Platz 12 am Weser-Stadion zu einem ganz besonderen DFB-Pokalspiel. Das Frauen-Regionalligateam der Grün-Weißen trifft auf den Vize-Meister und Europapokalteilnehmer FCR 2001 Duisburg, der voraussichtlich mit vier aktuellen Weltmeisterinnen antreten wird. Eine unglaubliche Herausforderung für die jungen Bremer Spielerinnen, die erst seit dem vergangenen Jahr als Team zusammenspielen. WERDER.DE hat vor der Partie mit Trainerin Birte Brüggemann gesprochen.

 

Frau Brüggemann, hat man in dieser Woche gespürt, dass das "Spiel des Jahres" für die Mannschaft kurz bevorsteht?

Das wird nicht das "Spiel des Jahres" sein. Nein, die "Spiele des Jahres" waren unsere entscheidenden Aufstiegsspiele im Sommer gegen Ratzburg und Niendorf. Mit diesen Partien war alles verbunden, mit was wir uns hier seit Monaten intensiv beschäftigen. Wenn wir uns da nicht durchgesetzt hätten, wären wir nicht so weit, wie wir jetzt sind, hätten nicht diese Mannschaft zusammen, stünden nicht in der zweiten DFB-Pokalrunde.

 

Aber ein Spiel gegen ein mit Weltmeisterinnen gespicktes Team, das um den Titel mitspielt und in der Bundesliga die meisten Tore geschossen hat, ist zumindest sehr außergewöhnlich?

Ich lasse mich darauf ein, dass es das "Spiel des Jahres" für den Bremer Frauenfußball ist. Das ganze Umland hatte in den letzten Jahren nicht die Chance, so eine Mannschaft in einem Wettbewerbsspiel zu sehen. Es gibt hier ganz wenige höherklassige Klubs, es gab seit Jahren kein Länderspiel der Frauen hier in der Gegend. Und jetzt ist die Chance da, Frauenfußball auf höchstem Niveau live zu sehen. Ich bin sicher, dass da viele von außerhalb einen Sonntagsausflug nach Bremen unternehmen werden. Immerhin hat fast die komplette Regionalliga aufgrund des Pokaltermins spielfrei.

 

Frauenfußball auf höchstem Niveau, Spaß für die Zuschauer – das könnte aber auch eine herbe Niederlage für ihre Spielerinnen bedeuten. Freut sich das Team trotzdem?

Natürlich ist das für alle von uns ein ganz besonderes Spiel. Vielleicht haben unsere Spielerinnen nie wieder die Chance, gegen solche Gegnerinnen anzutreten.

 

Wie sah denn die Trainingswoche vor diesem Spiel aus? Gab es besondere Vorbereitungen?

Wir wollen uns natürlich so teuer wie möglich verkaufen und bereiten uns intensiv auf die Partie vor. Ein großer Schwerpunkt in der Trainingsarbeit war das Defensivverhalten. Da werden wir 90 Minuten gefordert sein. Wir wollten den Spielerinnen aufzeigen, wie viel man erreichen kann, wenn man sich noch besser untereinander hilft, gegenseitig coacht und jeden Zweikampf absolut konzentriert führt. Wir haben unseren Spielerinnen in den Einheiten viele Erfolgserlebnisse verschafft, damit sie selbstbewusst in die Partie gehen.

 

Gab es schon Kontakt zum FCR Duisburg? Wird es ein Essen oder so etwas mit den Verantwortlichen geben?

Natürlich haben wir wegen der ganzen organisatorischen Sachen mit den Duisburgern telefoniert. Wir haben einigen von ihnen Tickets für die Bundesliga-Partie der Profis gegen Borussia Dortmund besorgt. Da wird es sicher vor dem Stadionbesuch die Gelegenheit zum Gedankenaustausch geben. Mit der Trainerin Martina Voss hatte ich keinen Kontakt, weil sie ihren Fokus durch die Europapokalspiele der letzten Tage in der Ukraine sicher auch woanders hatte.

 

Bei dem Spiel trifft die beste Bundesliga-Torjägerin Inka Grings auf die beste Regionalliga-Torjägerin Nahrin Uyar. Die 18-Jährige in ihrem Team erfüllt die hohen Erwartungen, die alle Experten schon vor der Saison an sie hatten, scheinbar spielend leicht. Hatten Sie das so erwartet?

Ja, ein klares ja. Man muss nur ihre Leistungen im letzten Jahr anschauen, da hat sie die Hälfte aller Tore ihres Teams geschossen und Jahn Delmenhorst fast im Alleingang vor dem Regionalliga-Abstieg gerettet. Bei uns hat sie vom ersten Training an all das bestätigt. Sie hat einen unglaublichen Torinstinkt und Torhunger. Das sieht man in jeder Trainingseinheit. Sie will immer treffen. Ich glaube auch, dass es schon ein paar Zuschauer gibt, die wegen ihr kommen und die gegnerischen Trainer kennen spätestens nach dem Spiel ihren Namen. Sie trifft eigentlich in jeder Partie. Und das Beste ist, dass sie immer noch erst ein Rohdiamant ist. Wir wollen ihr diese Unbekümmertheit, ihre Stärke nicht nehmen, aber sie wird lernen, dass ihre individuelle Klasse allein nicht immer ausreichen wird, um zum Abschluss zu kommen. Dafür ist das Spiel am Sonntag vielleicht schon eine ganz wichtige Erfahrung. Denn gegen Nationalspielerin Annike Krahn & Co. wird sie nicht mit zwei Haken vorbeikommen und abziehen können.

 

In die Regionalliga sind sie mit dem Team gut angekommen, stehen auf Platz zwei. Kann ein Rückschlag am Sonntag diesen Rhythmus stören und sich auf die Regionalliga auswirken?

Diese Gedanken sind schon da. Ich glaube nicht, dass uns die Partie, egal bei welchem Ausgang, im Kopf zurückwirft. Dafür kann die Mannschaft ihre Chancen realistisch genug einschätzen. Aber die Partie wird uns kräftemäßig etwas abverlangen, das unsere Mannschaft noch nie erlebt hat. Nach den 90 Minuten werden einigen schon die Oberschenkel schlottern. Wir treten da gegen ein Team an, dass fünf Mal in der Woche zusammen trainiert, zusätzliches individuelles Kraft- und Stabilisationstraining macht, in der viele Spielerinnen zusätzlich vom DFB gefördert werden. Außerdem hat Duisburg selbst ein sehr gutes Konzept, in dem die Trainerin mit den Studentinnen auch morgens noch mal trainiert. Das wir einfach ein Spiel, in dem fast Profisport auf Amateursport trifft.

 

Also haben sie schon Sorgen um die nachfolgenden Spiele in der Regionalliga.

Es kann passieren, dass unsere Spielerinnen die Partie noch ein paar Wochen in den Knochen mit herumschleppen, wenn sie über ihre Grenzen gehen. Und wir müssen schon beachten, dass wir nur eine Woche später eine englische Woche haben, die mit einer absoluten Top-Begegnung gegen Zweitliga-Absteiger SuS Timmel beginnt. Das wird schon eine sehr große Herausforderung. Da dürfen uns nicht so viele Leistungsträgerinnen nach dem Duisburg-Spiel wegbrechen. Das müssen wir berücksichtigen.

 

Typisch für den Frauenfußball, sind Sie am Sonntag wieder in mehreren Funktionen unterwegs: Trainerin, Sportchefin, Managerin, Verantwortliche für den Spielbetrieb? Wie läuft der Tag ab?

Allein kann ich so ein Spiel natürlich nicht organisieren, ich habe mir eine Gruppe von Werder-Mitarbeitern zusammengesucht, die ihr Know-How einbringen und mich am Sonntag "ehrenamtlich" unterstützen. Soweit sind wir in den Strukturen noch nicht, dass wir bei einer solchen Veranstaltung, zu der immerhin bis zu 1.000 Zuschauer kommen könnten, auf eine eingespielte Mannschaft zurückgreifen können. Ab 9 Uhr besprechen wir uns kurz und jeder übernimmt seine Aufgaben. Ab 9.30 Uhr bin ich dann Trainerin, die sich voll auf die Mannschaft und das Spiel konzentriert und eine Viertelstunde nach der Partie bin ich dann schon wieder Organisatorin, die schauen muss, ob alle DFB-Richtlinien eingehalten werden, die Quittungen einsammelt und dafür verantwortlich ist, dass der Gegner wieder gut nach Hause kommt. Erschwert wird die Organisation des Pokalspiels dadurch, dass an diesem Wochenende jede Menge los sein wird. Am Sonntag findet ja auch noch das Drittliga-Spiel der U 23-Männer gegen Union Berlin statt. Das ist einiges für uns zu beachten. Neben Training, Taktik und Aufstellung, ging es in den letzten Tagen auch um Fragen rund um Stadionsprecher, Toiletten und Absperrband.

 

Auch für die Duisburger war es eine anstrengende Woche, sie kommen fast direkt aus der Ukraine, wo sie zwei Europapokalspiele absolvierten. Diese Belastung, vielleicht ein bisschen Unkonzentriertheit beim großen Favoriten und die eigenen Pokalgesetze könnten doch die Außenseiterchancen erhöhen?

Erstens werden sie uns nicht unterschätzen, denn sie haben mit Martina Voss eine sehr ehrgeizige und sehr professionelle Trainerin mit Weitblick, die Erfolg haben will. Zweitens werden Personalprobleme ihnen nichts ausmachen, denn sie haben so einen Kader, dass sie immer mit einem deutlich besser besetzten Team auflaufen können. Richard Golz hat mal gesagt, "wir haben nie an unsere Chancenlosigkeit gezweifelt". So kann ich es als Trainerin nicht ausdrücken, denn man will natürlich jedes Spiel gewinnen. Aber das ist diesmal bei uns eher so, wie ein Lottospieler gewinnen möchte und sich natürlich immer mal wieder ausmalt, wie es wäre, wenn er alles abräumen würde. Natürlich denkt die eine oder andere Spielerin mal, wie es wäre, wenn wir den Vize-Meister schlagen oder sie ein Tor schießen würde. Diese Träume werde ich meinen Spielern nicht nehmen.

 

Das Gespräch führte Michael Rudolph

 

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