Cheating - ein Problem!

Schach
Sonntag, 28.02.2021 / 11:12 Uhr

Jonathan Carlstedt

Der Artikel des Präsidenten des niedersächsischen Schachverbandes (NSV) Michael Langer auf der Internetseite des NSV gab den Anstoß für mich etwas zum Thema Cheating zu schreiben.

In Corona-Zeiten sitzen wir zuhause, spielen viel Schach und die Möglichkeit und damit die Versuchung zu betrügen ist deutlich eher gegeben als im realen Leben, wo die Möglichkeit des „Entdeckt zu werden“ deutlich konkreter und beängstigender ist als im eigenen Zimmer.
Langer verurteilt in seinem Artikel https://nsv-online.de/2020/04/cheating-nein-danke/ völlig zurecht aufs Schärfste, wenn Spieler im Schach betrügen. Ein wichtiges Signal in dieser Schärfe um jedem zu zeigen: Wir, die auf der ehrlichen Seite unseres Spiels stehen, haben die Gefahr erkannt und werden alles dafür tun, uns unser geliebtes Spiel nicht kaputt machen zu lassen.
Doch ich möchte einen Schritt weiter gehen, denn es gibt Dinge die in dieser Diskussion aus meiner Sicht zu kurz kommen. Was ist Cheating eigentlich? Und was sind Gründe, dass Spieler, in einer besonderen Häufung Jugendliche, betrügen?
Dabei schreibe ich weder als Psychologe, noch als Soziologe. Beides bin ich nicht und die Perspektive beider Berufsgruppen wären sehr willkommen. Meine Perspektive ist die eines Schachtrainer mit 12 Jahren Berufserfahrung und die Perspektive eines leidenschaftlichen Schachspielers, der die aufziehenden Gefahren für unseren Sport ahnt.

Was ist Cheating?

Gemeinhin bedeutet Cheating die Zuhilfenahme einer Schachengine. Diese schlägt Züge vor, die man selber nicht gesehen hätte und die im Durchschnitt deutlich stärker sind als die Ideen und Züge eines Menschen, vor allem im schnelllebigen Online-Schach! Während im realen Leben dies bei nachgewiesenen Betrugsfällen häufig mit einem Smartphone auf der Toilette geschieht, ist die Verwendung einer Engine im heimischen Zimmer deutlich weniger anfällig entdeckt zu werden. Zumindest durch eine andere Person. Glücklicherweise verbessern sich die Erkennungsmechanismen der Schachplattformen und immer mehr Betrüger werden enttarnt. Doch das ist nicht die einzige Form von Cheating, die es gibt!
Denn Cheating ist nicht nur die Zuhilfenahme einer Engine, es ist jegliche Zuhilfenahme von Informationen während der Partie, die nicht dem eigenen Gehirn entspringen. Es ist also auch nicht in Ordnung während einer laufenden Partien beim Bücherstand vorbeizuschauen und mal in einem Buch zu stöbern. Es ist auch nicht in Ordnung seinen Kumpel zu fragen „na, wie meinst du stehe ich“. Und es ist erst recht nicht in Ordnung zu einem befreundeten Spieler zu gehen und zu ihm zu sagen „ging in deiner Partie nicht das Motiv xy“. Im Grunde ist jegliche Kommunikation die sich über Schachinhalte dreht während einer Partie unangemessen, auch ein „was machst du denn da schon wieder?“ (ein Satz den ich regelmäßig höre) zeigt eine Bewertung der Stellung und ist aus meiner Sicht eine Hilfe, für die man als Spieler nichts kann, da man um sie nicht gebeten hat. Wir dürfen im Bereich des Betrugs keinen Graubereich zulassen. Natürlich ist das eine Vorgehen mit deutlich mehr krimineller Energie verbunden als das andere. Einiges ist vielleicht auch nur als Witz oder Nettigkeit gemeint. Es gehört sich trotzdem nicht.

Es ist also unbedingt nötig, dass Vereine und Verbände ganz klar definieren, welches Verhalten unter Cheating fällt und welches nicht. Verpassen wir den Moment, in dem Schach ein großes Problem bekommt und lassen die Leute die Böses im Schilde führen gewähren, wird das Problem größer. Und ja, man darf bei diesem Regeln streng sein. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch, darf man als Sportart die Spieler erziehen, anders scheint das Thema nicht in den Griff zu bekommen zu sein.

Warum wird gecheatet?

Bevor ich diesen Teil meines Artikels beginne, hoffe ich, dass alle, die sich an dieser Diskussion beteiligen, eine Erklärung von einer Entschuldigung unterscheiden können. Ich entschuldige keinen Betrug, aber wir müssen uns Gedanken machen, warum Menschen betrügen und was wir tun können, um Menschen davon zu überzeugen, dass der ehrliche Weg der Richtige ist. Genau wie wir es bei Straftaten tun, wir bestrafen jene, die sie begehen, unternehmen aber Maßnahmen, um andere von ähnlichen Delikten abzuhalten.

Ich möchte mich hierbei auf die Gründe konzentrieren, aus denen heraus Jugendliche im Schach betrügen.
Das Leben eines Jugendlichen ist nicht einfach. Erwachsene meinem zwar häufig „warte erst bis du erwachsen bist, dann weißt du was echte Probleme sind“. Doch nicht nur Erziehungsratgeber sondern auch der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass diese Logik quatsch ist. Mit der selben Logik versuchen manche anderen Menschen in sozialen Schwierigkeiten klar zu machen, dass es Menschen in anderen Teilen der Welt schwerer haben. Als würde man einen Einarmigen darüber hinweg trösten wollen, dass der Mann ohne Beine es ja noch schwerer hätte. Diese Argumentationslinie macht es sich zu einfach, man muss sich mit den Problemen der Person nicht mehr beschäftigen, man findet immer jemanden dem es noch schlechter geht. Doch Probleme von Jugendlichen sind real. Erwartungsdruck der Lehrer und des Freundeskreises, der Eltern und der Großeltern, der Gesellschaft insgesamt und das in einer Phase, in der sich der gesamte Hormonhaushalt umstellt. Einige dieser Jugendlichen sind Schachspieler, sie ziehen Teil ihres Selbstverständnisses und ihres Selbstbewusstseins daraus Schachpartien zu gewinnen und erfolgreich im Schach zu sein. Der stolze Blick des Vaters nach einer gewonnen Partie, das Meckern der Mutter, die kein Schach spielen kann, aber eine Engine-Bewertung zu lesen weiß, warum man im 35. Zug nicht die 11-zügige Gewinnkombination gefunden hat. Das Angeben der Eltern gegenüber anderen Eltern, dass der Sohn jetzt ja mit xy Training macht, dort und dort einen Preis gewonnen hat. Das spüren Jugendliche. Auch Trainer haben Druck, sie brauchen den Erfolg ihrer Jugendlichen um weitere Schüler zu bekommen. Es ist nicht immer leicht, diesen Druck nicht an seine Schüler weiterzugeben. Auch Trainer definieren sich über ihren Erfolg, für manche hängt in gewisser Sicht ihre finanzielle Zukunft davon ab, da erfolgreiche Schüler mehr Anfragen bedeuten. Andererseits, ein Trainer, der sich darüber definiert, wie seine Schüler spielen und der in seinen Schülern nur das potenzielle Geld durch weitere Schüler und mehr Anerkennung sieht, sollte sofort aufhören als Trainer zu arbeiten. Schachtrainer wegen des Geldes zu werden ist eine extrem dumme Lebensentscheidung und das auf die Schüler abzuwälzen ist noch viel schlimmer.

Erfolge im Wettbewerb sind wichtig, wir setzen uns ans Brett um zu gewinnen. Dafür trainieren wir vorher, wir geben viel Geld aus um zum Turnier zu fahren, dort zu übernachten. Doch nichts davon rechtfertigt Betrug. Wenn wir die Enttäuschung einer verlorenen Partie nicht aushalten, dann sollten wir uns vom Schach verabschieden.

Als Schachszene haben wir eine Verantwortung Erfolg richtig einzuordnen. Erfolg ist wichtig, jeder möchte Erfolg. Doch Erfolg um jeden Preis ist nicht der Weg. Jemand, dem der Erfolg auf dem erschummelten Weg mehr bedeutet, als es ehrlich zu versuchen und vielleicht zu verlieren, hat eine verdrehte Sicht auf sich und wie andere Menschen einen sehen. Eigentlich möchte der Cheater durch großartige Erfolge bewundert werden und Stärke zeigen, aber in Wirklichkeit ist Cheating doch nur Ausdruck einer großen persönlichen Schwäche. Auch wenn wir jene bewundern, die gut Schach spielen, sollten wir andere danach beurteilen, wer sie sind und nicht wie sie Schach spielen.

Seit 19 Monaten bin ich selber Vater. Häufig bekomme ich zu hören „da ist ja klar, dass er Großmeister wird, bei dem Vater“. Meine Standard-Antwort ist „wenn er mit 18 richtig von falsch unterscheiden kann, dann bin ich mehr als glücklich“. Ist es nicht wichtiger, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen, ob wir bereit sind für Schwächere einzustehen, ob wir jedem anderen Menschen mit Respekt begegnen, als die Frage wie viele Schachpartien wir in unserem Leben gewonnen haben? Jeder stimmt diesem Satz zu, so hoffe ich zumindest, doch er ist nichts wert, wenn wir ihn nicht jeden Tag leben und dieses Wertegerüst unseren Schützlingen mit auf den Weg geben. Das ist nicht immer einfach, denn für so etwas gibt es kein Applaus, keine Medaillen und keine Siegerehrung. Doch wir müssen anfangen das Richtige zu tun, auch wenn niemand hinschaut.

Nicht Corona, sondern Cheating ist die große Herausforderung, der unser Sport begegnen muss. Jeder muss sich selbst überprüfen, ob das eigene Verhalten immer in Ordnung ist und alle die im Schach Verantwortung haben, mich eingeschlossen, müssen darüber nachdenken, was wir anders im Umgang mit Jugendlichen tun müssen, um diesen zu zeigen, dass Cheating falsch ist.

Wie ihr seht gibt es zahlreiche Gründe fürs Cheaten, von bewusstem Betrug um Erfolg, Preise oder Online-ELO-Punkte zu gewinnen bis hin zu „nebenbei die Engine laufen zu lassen weil es ja nur ein Spiel ist“.

Wir von Werder akzeptieren keinen dieser Gründe, vielmehr werden wir weiterhin alles daran setzen, auch in Zukunft bei unseren Online-Turnieren die Cheater zu enttarnen und ggf. weitere Maßnahmen folgen zu lassen.

In der Vergangenheit haben wir dieses insbesondere in Zusammenarbeit mit der Firma ChessBase erfolgreich praktiziert und schon einige Preisträger im Nachhinein disqualifiziert!

Bleibt fair und habt Spaß am Schach!

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