Auf die Plätze, Fertig, Warten

Bremens Leichtathleten hoffen auf eine Late Season

In zehn Tagen soll endlich ein erster Startschuss fallen: Werder-Sprinter Fabian Linne.
Leichtathletik
Donnerstag, 11.06.2020 / 07:08 Uhr

Olaf Dorow / Weser Kurier 10.06.2020, Seite 27

Blick in die Startlöcher

Die Medienabteilung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) hatte sich in den vergangenen Tagen nicht über Langeweile zu beklagen brauchen. Es galt, den überraschenden wie spektakulären Standort-Wechsel von Weitsprung-Weltmeisterin Maleika Mihambo in die USA zu moderieren, es mussten ein mühsam beschlossener Terminplan für die kommenden Wochen und Monate in die Öffentlichkeit getragen – und die öffentliche geäußerte Athletenkritik daran erwidert werden.

So still wie auch die Leichtathletik, die wohl immer noch als ein Art Fundament des olympischen Sports betrachtet werden darf, derzeit steht, so viel Bewegung gibt es doch. Und am meisten kreist diese Bewegung um etwas, das man normalerweise als banal, in diesen Zeiten in der Szene aber fast schon als magisch ansehen dürfte. Das Zauberwort heißt, im besten Neudeutsch: Late Season. Nicht nur die Aktiven und ihr Publikum warten spätestens nach der Olympia-Verschiebung um ein Jahr sehnsüchtig darauf, dass es später als gewohnt in diesem Jahr dann aber doch noch zu Wettkämpfen und sogar Meisterschaften kommt. Auch all die Betreuer, Trainer, Funktionäre, all die Ehrenamtlichen, all die Verantwortungsträger für das Laufen Springen, Werfen bewegt die Frage nach dem Wie oder auch nur dem Ob einer verspäteten Saison. Auch in Bremen. Stellvertretend sei an dieser Stelle der jeweilige Blickwinkel von Mitgliedern der großen Leichtathletik-Familie eingefangen. Eine kleine Rundreise durch die Bremer Szene:

DLV-Funktionär Matthias Reick

Die Suche nach Beherrschbarkeit

Die Virulenz von Covid-19 sei ja nicht weg. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Matthias Reick darauf hinweist. Der Bremer sagt das als Präsidiumsmitglied des DLV – und als Arzt. Die Lockerungen, die es nun in der Leichtathletik gibt, würden nicht deswegen erfolgen, weil Corona Gott sei Dank in die Ecke gedrängt und vollends beherrschbar sei. Sondern, weil ein scharfer Lockdown wirtschaftlich, sozial und psychologisch kaum noch vermittelbar sei. Und man schauen müsse, wie die Lage doch noch beherrschbar sei. Für den Verband heiße das: Er könne nur Empfehlungen aussprechen, für Genehmigungen oder Restriktionen ist er nicht zuständig. Für den 8. und 9. August hofft der DLV auf eine behördliche Genehmigung für eine deutsche Meisterschaft. Sie soll in Braunschweig stattfinden. Quasi als Geister-Meisterschaft. Es wird kein Publikum geben, zwischen den Läufern soll eine Bahn frei bleiben, längere Läufe soll es gleich gar nicht geben. Das war von Spitzenathleten wie der WM-Dritten Gesa Felicitas Krause scharf kritisiert worden, sinngemäß auch mit der Frage: Warum dürfen wir nicht, was die Profifußballer dürfen? Ein solches Kontrollsystem wie der Fußball könne die Leichtathletik aber nicht stemmen, bekam sie zur Antwort. Mit Chance werden die Laufentscheidungen beim für September geplanten Istaf in Berlin nachgeholt. „Das Problem ist die Abstandsregel“, sagt Reick, in dessen Verantwortungsbereich auch die deutsche Meisterschaft im Berglauf fällt. Sie wurde abgesagt, so wie auch etliche andere Titelkämpfe. So torsohaft die Veranstaltung in Braunschweig auch sei, so wichtig sei ihr Zustandekommen. Sei die Anwesenheit von TV-Kameras, die Bilder für Zuschauer, Medien, Sponsoren erzeugen. „Es ist wichtig, weiter sichtbar zu bleiben“, sagt Matthias Reick.

Vereinsmanager Jens Ellrott

Die Suche nach Alternativen

Jedes Jahr eine größere Veranstaltung. Das sei seit Jahren ein festes Ziel beim TuS Komet Arsten, sagt Jens Ellrott, Geschäftsführer des Vereins. Nicht, um Reichtümer anzuhäufen, sondern eher um ein Angebot zu schaffen. Eine Motivation zu haben, Spaß zu haben bei der Aussicht „auf ein schönes Fest auf unserer wunderschönen Anlage“, wie Ellrott es beschreibt. In diesem Sommer hätten es in Arsten gleich zwei Großveranstaltungen werden sollen: Die norddeutschen Meisterschaften und die deutschen Meisterschaften für die U 16. Am vergangenen Dienstag sei nun aber auch die U 16-Meisterschaft abgesagt worden. Der DLV plant in seinem Konzept noch die Titelkämpfe der U 18 und U 20, nicht aber die der jüngeren Jahrgänge. „Es sind 14- oder 15-Jährige“, sagt Ellrott. Ein unlösbares Corona-Problem. Zu viele Eltern würden anreisen, sie müssten dann draußen vor dem Stadion bleiben. Ein Leichtathletikfest wäre das dann schon mal gar nicht mehr. „Wir haben aber die Aussicht auf die Norddeutschen 2021 und die U 16-Meisterschaften 2022“, sagt Ellrott. Das sei zumindest eine gute Alternative zu den abgesagten Veranstaltungen. „Sonst wäre das bitter gewesen“, sagt der Vereinsmanager. Zudem würde man die Zeit nutzen können, die wunderschöne Anlage mit ein paar Veränderungen noch etwas hübscher machen zu können.

Trainer Andrei Fabrizius

Die Suche nach Motivation

Wie hält man Athleten bei der Sache, wenn man ihnen über Monate nicht sagen kann, worauf sie sich eigentlich vorbereiten sollen? Wozu überhaupt das ganze Training mit all seinen Schikanen gut sein soll? „Wir haben die ganze Zeit durchtrainiert“, sagt Andrei Fabrizius, Sportwart und Sprinttrainer beim SV Werder, über die Monate des Sportstillstands. Athleten bräuchten Ziele, sonst werde es schwer, sagt er. Besonders im Jugend- und Nachwuchsbereich sei das mit der Motivation eine schwierige Angelegenheit. Erfahrene Athleten wie Sandra Dinkeldein wüssten genau, was sie wollen und worauf es ankäme. Bei Jugendlichen bilde sich hingegen eher mal ein Fragezeichen. Wozu das Ganze? Insofern sei es eine sehr wichtige Sache, dass es jetzt, mit einem Meeting in Bremen Ende nächster Woche, und mit der Aussicht auf deutsche Meisterschaften später im August, wieder „etwas zum Festhalten“ geben würde. Fabrizius‘ Sprinterinnen Sandra Dinkeldein und Svea Kittner, beide 27 Jahre alt, hoffen auf einen Start in Braunschweig. Die verlängerte Trainingsphase im Frühjahr habe mit der Aussicht auf eine Late Season nicht nur negative Aspekte gehabt, sagt Fabrizius. Man habe an Details arbeiten können, für die sonst zu wenig Zeit geblieben wäre. So könnte eine Late Season vielleicht sogar einen late record erbringen.

Athlet Fabian Linne

Die Suche nach der Form

Ein Sprintmeeting auf Platz 11. Am 20. Juni. Gemeldet für 100 sowie 200 Meter. Nun ja, ein kleiner Wettkampf, um sich einzugrooven, könnte man sagen. Nun ist es aber keine kleine Sache mehr. Es ist „ganz cool“. So sagt es Werder-Sprinter Fabian Linne, Bremens aktuell leistungsstärkster Leichtathlet. Das Meeting auf Platz 11, auf der heimischen Anlage also, ist endlich ein erster Wettkampf. Es könnte sogar sein, dass ihm lange Zeit, womöglich bis zum August, kein zweiter folgen kann. Linne, noch nicht mal 20, gehört zu den schnellsten Flitzern im Land, er peilt über 200 Meter einen Platz im Finale der deutschen Meisterschaft an. Dafür habe er auch in den strengsten Lockdown-Wochen eher mehr als weniger getan, erzählt er. Er wollte präpariert sein. Also übte er, als das weder auf Platz 11 noch in der Werder- Halle ging, auf der Bürgerweide oder auf der Straße vor der elterlichen Wohnung in Findorff. Mit seinem Trainer Andriy Wornat versucht er, mit dem Fokus Braunschweig eine Trainingssteuerung hinzubekommen, da ein Wettkampf als quasi wichtigstes Element zur Formüberprüfung wie Weiterentwicklung nicht zur Verfügung steht. Und auch darauf muss er vorbereitet sein: Dass der Kontakt zum Gegner auf der Bahn nebenan fehlen wird. „Das wird schon eine komische Erfahrung“, sagt Fabian Linne.

 

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