"Ich fahre manchmal etwas zu schnell aus der Haut"

Anthony Jung im großen WERDER.DE-Interview

Anthony Jung kam im vergangenen Sommer ablösefrei von Bröndby IF
Anthony Jung kam im vergangenen Sommer ablösefrei von Bröndby IF (Foto: nordphoto).
Interview
Dienstag, 23.11.2021 / 17:30 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Ein Kind gibt einem einfach eine ganz andere Lebensqualität, sagt Anthony "Tony" Jung. Im zweiten Teil des großen WERDER.DE-Interviews blickt der frischgebackene Vater zudem auf seine ersten Monate bei den Grün-Weißen, verrät, mit welchen Erwartungen er nach Bremen kam, und erklärt seine Leidenschaft für Hunde.

WERDER.DE: Tony, in der 2. Bundesliga spielen derzeit so viele klangvolle Clubs wie selten zuvor. Welche Rolle spielte das bei deiner Entscheidung für Werder?

Anthony Jung: "Vielleicht hätte ich auch in der ersten Liga einen Verein gefunden, aber ich wusste, dass die zweite Liga für mich realistisch ist. Und habe mich daher natürlich damit beschäftigt, mit Freunden darüber gesprochen, welche Clubs es mittlerweile in der zweiten Liga gibt. Ich war ablösefrei und hatte Geduld bei der Vereinssuche, weil ich sicher war, dass irgendetwas Gutes passiert. Und ich wusste: Falls es für mich in die zweite Liga geht, dann werden es geile Spiele."

WERDER.DE: Du hast die Liga vor einigen Jahren bereits erlebt. Was hat sich verändert?

Anthony Jung: "Es war schon damals eine kampfbetonte Liga, so wie heute. Man muss sich reinbeißen. Es gibt viele Parallelen."

Wir haben wirklich große Talente dabei.
Anthony Jung

WERDER.DE: Wurden deine Erwartungen bei Werder bisher erfüllt?

Anthony Jung: "Die Entscheidung hat sich vor einigen Monaten richtig angefühlt. Und so ist es auch jetzt noch. Aber Erwartungen zu formulieren, war damals nicht so einfach. Man wusste noch nicht, wie der Kader letztlich aussehen würde. Es gab eine große Ungewissheit, bei der klar war, dass sie noch einige Zeit andauern würde. Ich hatte dennoch jederzeit das Vertrauen, dass wir eine gute Mannschaft haben werden. Außerdem wusste ich, dass ich mich hier am Maximum präsentieren muss, um zu spielen. Und so ist es auch gekommen."

WERDER.DE: Es gibt einige erfahrene Spieler in eurer Mannschaft, aber auch sehr viele junge. Wie kannst du helfen, diese Mannschaft zu führen?

Anthony Jung: "Zunächst einmal: Ich finde, dass es die jungen Spieler richtig gut machen. Wir haben wirklich große Talente dabei. Alle geben Gas. Ich denke, dass Kommunikation auf dem Platz und außerhalb sehr wichtig ist. Ich versuche daher, bei Bedarf Dinge zu erklären. Wichtig ist, dass die jungen Spieler offen dafür sind, angeleitet und geführt zu werden. Ich habe bisher nicht das Gefühl, dass jemand das nicht will. Die jungen Spieler hören zu, sind wissbegierig. Aber man darf sie auch nicht verbiegen, sie müssen sich entfalten können – wie ein Rudel Welpen (lacht). Klar, dass sie auch noch Fehler machen. Aber nur so kann das große Potenzial, dass in unseren jungen Spielern steckt, zur Geltung kommen."

Von Vaterfreuden und Hundesorgen

WERDER.DE: Noch jünger ist dein vor wenigen Monaten geborener Sohn. Was waren die eindrucksvollsten Erfahrungen in der ersten Zeit mit dem kleinen Levin?

Anthony Jung: "Als ich wusste, dass ich Vater werde, habe ich natürlich bei anderen Vätern noch etwas genauer hingehört, wenn sie sich über Kinder unterhalten. Aber klar ist: Letztlich muss man alles selbst erleben. Ein Kind gibt einem einfach noch einmal eine ganz andere Lebensqualität. Man lebt nicht mehr nur für sich selbst. Der Blick auf vieles verändert sich. Ich finde, dass wir sehr viel Glück mit dem Kleinen haben. Wenn er geschlafen und gegessen hat und frisch gewickelt ist, dann ist er drei Stunden einfach gut drauf und lacht ununterbrochen. Es macht wahnsinnig viel Spaß."

WERDER.DE: Sind eure Hunde eifersüchtig?

Anthony Jung: "Nee! Davor hatten wir tatsächlich etwas Bammel. Denn unsere beiden Französischen Bulldoggen sind speziell, brauchen ihre Zeit, um sich mit Fremden „einzugrooven“. Da ist es wichtig, nicht alles zu blockieren, was die Hunde machen, sie nicht immer sofort wegzuschicken. Wir haben es leider im Welpenalter versäumt, sie von der Couch zu kriegen. Wenn der Kleine dort gestillt wird und die Hunde schnuppern mal am Hinterkopf, dann lassen wir das zu. Ich kann nicht erkennen, dass sie sich ausgegrenzt fühlen, und finde, dass sie einen überraschend guten Job machen (lacht)."

WERDER.DE: Woher kommt die Leidenschaft für Hunde?

Anthony Jung: "Meine Frau und ich sind mit Hunden groß geworden. Und wir haben immer gesagt: Wenn wir mal zusammenziehen, wollen wir auch einen Hund haben. Dann haben wir uns ein bisschen mit der Französischen Bulldogge beschäftigt. Zuerst haben wir dann den Rüden bekommen. Und haben einige Zeit später gedacht: Ob wir einen Hund haben oder zwei, ist egal. Mittlerweile wissen wir: Das ist nicht so (lacht)."

WERDER.DE: Eines der Tiere hat einen Rollstuhl. Wie kam es dazu?

Anthony Jung: "Durch einen Bandscheibenvorfall, der operiert werden musste. Danach hat der Hund ein halbes Jahr lang Physiotherapie bekommen, in der Hoffnung, dass die Funktion der Hinterbeine wiederhergestellt werden kann. Unsere Mindestanforderung war, dass er wieder alleine sein Geschäft machen kann. Alles Weitere – haben wir gesagt – bekommen wir schon hin. Letztlich war der Schaden leider zu groß, die Funktionen sind nicht wiedergekommen. Also haben wir uns damit beschäftigt, was man machen kann. Französische Bulldoggen sind vorne sehr robust gebaut und daher prädestiniert für einen Rollstuhl, wenn die Hinterbeine nicht mehr funktionieren. In den USA sieht man das häufiger, in Deutschland noch nicht so oft. Daher werden wir häufig auf der Straße angesprochen. Die Leute sind fasziniert, und es gibt ausschließlich positive Rückmeldungen. Für uns war von Anfang an klar: Wenn der Hund aufgibt, resigniert und nicht mehr will, dann werden wir ihn gehen lassen. Aber wir wollten ihm jede Chance geben. Und er versprüht eine wahnsinnige Lebensfreude."

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WERDER.DE: Deine Leidenschaft fürs Zocken an der Konsole ist bekannt. Wie kam es dazu?

Anthony Jung: Ich bin damit groß geworden. Wir hatten damals Super Nintendo, Nintendo 64, Nintendo Game Cube, PlayStation. Das alles war immer da. Und als ich das erste Mal von zu Hause ausgezogen bin, konnte ich damit dem Kontakt zu meinen Freunden weiter pflegen. Es hat also eine soziale Komponente, aber der Wettstreit war natürlich auch immer wichtig (lacht). Und so leicht ist diese Leidenschaft einfach nicht wegzukriegen, auch wenn ich mittlerweile deutlich reduzierter zocke."

WERDER.DE: Wie gehst du damit um, als Fußball-Profi sehr stark unter öffentlicher Beobachtung zu stehen?

Anthony Jung: "Man findet sich im Laufe der Zeit damit ab. Natürlich bleibt es immer schwierig, zum Beispiel von Leuten benotet zu werden, die noch nie gegen einen Ball getreten haben. Aber man muss es akzeptieren. Wenn man sich im Profifußball bewegt, ist einem bewusst, dass man in der Öffentlichkeit steht und etwas stärker beobachtet wird, was man macht. Ich bin aber sicher, dass andere in diesem Geschäft mehr in einem „goldenen Käfig“ leben als ich."

WERDER.DE: Wann kommen bei dir die spanischen Wurzeln durch?

Anthony Jung: "(lacht) Was ist denn typisch spanisch? (überlegt) Ich kann durchaus temperamentvoll sein, fahre manchmal etwas zu schnell aus der Haut. Ich hatte früh die Angewohnheit, immer eine Kleinigkeit auf dem Teller übrig zu lassen. Und meine Mutter hat mir irgendwann gesagt, dass das typisch spanisch ist. Aber insgesamt denke ich, dass ich die deutschen Tugenden wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit sehr stark verinnerlicht habe."

WERDER.DE: Mit wie vielen Punkten solltet ihr in die Weihnachtspause gehen, um ab Januar noch einmal richtig angreifen zu können?

Anthony Jung: "(überlegt) Ich kann versprechen, dass wir alles dafür tun werden, möglichst alle Spiele zu gewinnen, um Weihnachten den Kontakt nach oben zu haben. Die zweite Liga ist unberechenbar, dadurch hat man zum einen viele Möglichkeiten, muss aber auch immer wachsam sein und darf nie nachlassen. Nach dem Sieg in Nürnberg war die Erleichterung riesengroß. Wir haben trotz des Rückstands viel investiert und gesehen, dass wir in der Lage sind, das Spiel noch zu drehen. Die Einstellung hat gestimmt, die Überzeugung war da, und wir haben trotz des Gegentors weiter nach vorne gespielt, sind marschiert. Am Ende war es wichtig zu sehen, dass wir dafür belohnt wurden. Dieses Signal war wichtig und sollte uns durch die weitere Saison tragen."

Im ersten Teil des großen WERDER.DE-Interviews des Monats spricht Anthony Jung über seinen Weg in den Profifußball, die Zeit in Dänemark und über die Beziehung zu seinem spanischen Vater.

 

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