Thomas Schaaf wird 60: "Ich hoffe, dass noch viele Jahre folgen"

Interview anlässlich des runden Geburtstags

Thomas Schaaf vor der Ostkurve des wohninvest WESERSTADIONs.
Werder gratuliert Thomas Schaaf zum 60. Geburtstag (Foto: Heidmann).
Interview
Freitag, 30.04.2021 / 08:22 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Thomas Schaaf gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten in Werders Bundesliga-Geschichte. Seine außergewöhnliche Karriere bei den Grün-Weißen begann schon 1972, im Alter von gerade einmal elf Jahren. Nun feiert der ehemalige Coach und heutige Technische Direktor seinen 60. Geburtstag.

WERDER.DE hat mit Thomas Schaaf anlässlich seines Geburtstages über seinen Werdegang und seine Zeit bei Werder gesprochen.

Der Weg zu Werder

WERDER.DE: Der 30. April 1961, der Tag Ihrer Geburt, war ein Sonntag. Sonntagskinder sind dem Volksglauben nach mit besonders viel Glück gesegnet. Empfinden Sie das für Ihr Leben so?

Thomas Schaaf: "Für mich gibt es jedenfalls keinen Grund, mich zu beschweren oder mit dem bisher Erlebten unzufrieden zu sein. Und wenn wir, also meine Familie und ich, das noch einige Jahre wie bisher erleben dürfen, dann ist mein Leben sicher ein großes Glück."

WERDER.DE: Was hat der Gedanke an den nahenden 60. Geburtstag in den vergangenen Wochen bei Ihnen ausgelöst?

Thomas Schaaf: "Ich musste unter anderem jede Menge Interviews geben und habe dadurch gemerkt, wieviel Aufmerksamkeit diesem Tag geschenkt wird, wie viele Menschen sich darüber Gedanken und Arbeit damit machen (lacht). Es ist ein Geburtstag, sogar ein runder. Aber für mich hat er keine so große Bedeutung. Mir ist allerdings bewusst, dass nun schon eine gewisse Zeit meines Lebens hinter mir liegt. Und ich hoffe, dass noch viele Jahre folgen. Wenn an meinem Geburtstag viele Menschen an schöne Momente oder Begegnungen mit mir denken und darüber glücklich sind, dann freue ich mich sehr darüber."

WERDER.DE: Blicken wir auf Ihre bisherigen runden Geburtstage: 1971 wurden Sie zehn Jahre alt. Welche Rolle spielte der Fußball damals für Sie?

Thomas Schaaf: "Wir haben mit der Familie in der Straße „Am Schwarzen Meer“ gewohnt, und ich habe als Kind mit den anderen Kindern auf dem Brommyplatz gekickt. Mit sieben habe ich bei Union 60 mit dem Fußball im Verein begonnen. Das Stadion, in dem die große Bundesliga spielte, war für uns damals „um die Ecke“. Aber nicht jeder konnte sich eine Eintrittskarte leisten. Allerdings durften Eltern ihre Kinder kostenlos mitnehmen. Also haben wir am Tor gelauert und darauf gewartet, dass ein Erwachsener unsere Hand genommen und uns mit reingenommen hat."

WERDER.DE: 1972, ein Jahr nach Ihrem zehnten Geburtstag, sind Sie zu Werder gewechselt. Wie kam es dazu?

Thomas Schaaf: "Mein Bruder war vier Jahre älter als ich und ein wirklich guter Fußballer damals. Werder war an ihm interessiert. Dann wurde gesagt: „Der Kleine ist ja auch gar nicht so schlecht“ (lacht). Also bin ich mitgegangen zu Werder."

Es war alles nur mit viel Verständnis und Unterstützung meiner Familie möglich.
Thomas Schaaf

WERDER.DE: An Ihrem 20. Geburtstag im Jahr 1981 spielte Werder die einzige Zweitliga-Saison seiner Bundesliga-Geschichte. Wie haben Sie diese Spielzeit erlebt?

Thomas Schaaf: "In der Abstiegssaison ein Jahr zuvor gehörte ich auch schon zur Mannschaft, und ich erinnere mich an die eine oder andere Diskussion mit unserem damaligen Manager Rudi Assauer, weil ich als junger Spieler aus meiner Sicht gute Leistungen gezeigt und Einsätze verdient gehabt hätte. Aber in der sportlichen Not im Abstiegskampf wurde eher auf ältere und erfahrene Spieler gesetzt. Das änderte sich in der zweiten Liga. Wir haben zum Beispiel in Berlin vor 70.000 Fans gespielt, das war etwas ganz Besonderes. Aber natürlich hatten wir auch Spiele gegen Bocholt, Herford oder Erkenschwick. Und auch wenn ich die Möglichkeit bekam zu spielen, hätte ich das damals lieber in der ersten Liga getan."

WERDER.DE: Während der Aufstiegssaison kam Trainer Otto Rehhagel zum zweiten Mal zu Werder. Wie haben Sie ihn damals erlebt?

Thomas Schaaf: "Er kam mit dem Image des „Feuerwehrmanns“, hatte diese Fähigkeiten ja auch bei Werder einige Jahre zuvor schon unter Beweis gestellt. Und man dachte, er ist ein Retter, der kurzfristig motivieren kann, aber zu mehr nicht in der Lage ist. Das hat er rasend schnell komplett widerlegt. Er hatte schnell einen sehr guten Draht zur Mannschaft. Und nach dem Aufstieg hat er bekanntlich eine Mannschaft aufgebaut, die in den Folgejahren extrem erfolgreich war."

Vom Spieler zum Trainer

WERDER.DE: Junge Spieler orientieren sich an älteren. An wem haben Sie sich orientiert?

Thomas Schaaf: "Ich hatte das große Glück, dass sich Hartmut Konschal meiner angenommen hat. Daraus ist eine ganz besondere Verbundenheit entstanden. Unser Kontakt ist nie abgerissen, mittlerweile spielen wir regelmäßig zusammen Golf. Das bedeutet mir sehr viel."

WERDER.DE: Welche Pläne hatten Sie 1991, als Sie 30 geworden sind?

Thomas Schaaf: "Zunächst einmal wollte ich noch gut Fußball spielen. Aber ich hatte schon mit 27 begonnen, Nachwuchsmannschaften bei Werder mit zu betreuen. Mit Axel Plaat als verantwortlichem Trainer habe ich neun Jahre lang in der Jugend trainiert, am Anfang ergänzend zu meiner Aufgabe als Spieler, später hauptamtlich. 1993 habe ich die UEFA Pro Lizenz erworben, obwohl ich noch Bundesliga-Spieler war."

WERDER.DE: Das ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar…

Thomas Schaaf:: "Aber man darf nicht vergessen, dass es auch heute Menschen gibt, die einen Job haben und sich dazu in der Abendschule weiterbilden. Ich habe großen Respekt davor, wenn sich jemand dieser Herausforderung stellt. Ich habe mich vor Arbeit nie gedrückt. Aber die Fußballlehrer-Lizenz zu erwerben, eine Jugend-Mannschaft zu trainieren und noch selbst in der Bundesliga zu spielen, war tatsächlich sehr intensiv. Zudem hatten wir damals eine kleine Tochter. Daher war das alles nur mit viel Verständnis und Unterstützung meiner Familie möglich."

WERDER.DE: Hätten Sie damals gedacht, dass Sie bereits vor Ihrem 40. Geburtstag Bundesliga-Trainer sein würden?

Thomas Schaaf: "Nein, aber ich habe viele Sachen auch einfach auf mich zukommen lassen. Ich habe nie lange Verträge geschlossen, was sich bei meiner langen Werder-Zeit komisch anhört. Aber ich habe immer gesagt: Ich muss mich in der Arbeit wiederfinden, die Aufgabe erkennen, etwas bewirken können – diese Faktoren sind für mich entscheidend. Und ich wusste immer, dass wir erfolgreich sein müssen, damit ich meine Arbeit bei Werder weiterführen kann."

WERDER.DE: Wie haben Sie Ihre Fußball-Philosophie als Trainer entwickelt?

Thomas Schaaf:: "Meine Idee hat sich über die Jahre durch das, was ich selbst erlebt habe, und das, was ich bei anderen Mannschaften gesehen habe, entwickelt. Arrigo Sacchi mit dem AC Mailand oder Johan Cruyff in Barcelona – der Fußball dieser großen Mannschaften hat mich interessiert und inspiriert, die Schnelligkeit, das direkte und technisch hochwertige, offensive Kombinationsspiel. Und so hatte ich es auch selbst als Spieler bei Werder erlebt: mit offensivem Spiel und dem Ziel, viele Tore zu schießen. Ich habe mir immer vorgestellt, was ich als Fan im Stadion gerne von der Mannschaft sehen würde. Als einige Monate, nachdem ich die Bundesliga-Mannschaft übernommen hatte, Klaus Allofs zu Werder kam, hatten wir sehr schnell eine Idee, wie man eine Mannschaft zusammenstellen kann. Letztlich war es ein großes Glück, dass vieles so aufgegangen ist und gepasst hat, wie wir es uns vorgestellt hatten."

Schaaf: "Es ging oft an die Substanz und an die Grenzen"

WERDER.DE: Ihr 50. Geburtstag im Jahr 2011 wurde von einer schwierigen Situation im Abstiegskampf begleitet. Wie sehr hat es Sie damals getroffen, so etwas als Trainer mit Werder erleben zu müssen?

Thomas Schaaf: "Mir war immer klar, dass zu einem Fußballer-Leben nicht nur gute Zeiten, sondern auch nicht so gute gehören. Und ich habe mich nie vor einer Aufgabe gedrückt. Deshalb war klar, dass ich mich auch dieser Herausforderung stellen würde."

WERDER.DE: Sie haben schon kurz nach dem Gewinn des Meistertitels 2004 gesagt, dass Werder künftig an diesem Erfolg gemessen werden wird. Diese Feststellung gilt auch heute, 17 Jahre später, noch…

Thomas Schaaf: "Jeder, der mal etwas sehr Gutes geleistet hat, wird immer daran gemessen. Es ist müßig darüber nachzudenken, ob das gerecht ist oder nicht. Gerade im Fußball mit seinen starken Emotionen gilt das. Selbst wenn man rational weiß, dass man Manches einfach nicht schaffen kann."

WERDER.DE: Was ist vor allem geblieben aus Ihrer Zeit als Spieler und Trainer – das Bewusstsein, ein privilegiertes Berufsleben gehabt zu haben, oder doch, dass es ein extrem auszehrender Job war?

Thomas Schaaf: "Das eine schließt das andere nicht aus. Natürlich ging es oft an die Substanz und wirklich an die Grenzen, weil ein sehr intensiver Einsatz nötig war, körperlich und auch mental. Andererseits konnte ich durch den Fußball Momente erleben, von denen andere nur träumen können."

WERDER.DE: Sie haben bereits die große Unterstützung der Familie für Ihren Job erwähnt. Was machte diesen Rückhalt aus?

Thomas Schaaf: "Ich hatte das große Glück, dass ich meinen Job immer so machen konnte, wie ich es mir vorgestellt habe. Dazu kam, dass meine Familie und meine Freunde das Verständnis hatten, mich so lange wie nötig in Ruhe zu lassen – gerade nach Niederlagen, die mich danach noch sehr beschäftigt haben. Ich habe grundsätzlich nach jedem Spiel immer eine Zeit für mich gebraucht, um etwas zur Ruhe zu kommen und wieder für andere Dinge offen zu sein. Diese Zeit habe ich immer bekommen. Alle wussten, dass ich mich irgendwann von selbst wieder melde und dann auch wieder die nötige Aufmerksamkeit für sie habe."

WERDER.DE: Was macht das Leben mit 60 Jahren für Sie lebenswert?

Thomas Schaaf: "Zunehmend die Gelassenheit zu haben, mich um Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, nicht zu kümmern. Und mir gleichzeitig die nötige Zeit für das zu nehmen, was ich bewegen kann. Es wäre allerdings schön, wenn mir das noch häufiger gelingt (lacht)."

WERDER.DE: Was wünschen Sie sich zum Geburtstag?

Thomas Schaaf: "Gesundheit für mich, meine Familie und die Menschen um mich herum. Damit wir gemeinsam noch viel erleben können. Gesundheit ist immer die Voraussetzung dafür, dass man etwas anpacken kann im Leben."

WERDER.DE: Bedauern Sie, dass durch die Corona-Einschränkungen keine große Feier möglich ist?

Thomas Schaaf: "Ich glaube, dass viele gerne mit mir feiern würden. Das freut mich sehr. Auch weil wir alle durch die Pandemie schon seit langem nicht das soziale Umfeld haben, das wir gewohnt sind und erleben möchten. Dadurch kommt einem solchen Tag natürlich eine noch größere Bedeutung zu, und der Geburtstag hätte einen Anlass gegeben, mal wieder alle zusammen zu holen. Es ist schade, dass das nicht möglich ist."

 

 

Mehr spannende Werder-Interviews:

Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.