Titelsammler in Torshavn

Interview: Ex-Werderaner Kevin Schindler auf den Färöer-Inseln

Kevin Schindler im Stadion von Torshavn.
Fußball ist die Nummer eins: Für Kevin Schindler, aber auch die färöische Bevölkerung.
Interview
Montag, 29.03.2021 / 18:35 Uhr

Das Interview führte Yannik Cischinsky

Kevin Schindler hat nicht lange überlegt, als das Angebot vorlag. Er hat sich ins Abenteuer gestürzt. Seit etwas mehr als einem Jahr ist der Ex-Werderaner nun Co-Trainer auf den Färöer-Inseln. Mit dem Hauptstadtklub HB Torshavn sammelte er seitdem fleißig Titel, war vergangene Saison auch noch als Spieler im Einsatz und fühlt sich wohl auf den Schafsinseln im Nordatlantik.

WERDER.DE hat mit dem 32-Jährigen über den Fußball auf den Färöer-Inseln, seinen Weg als Trainer und die Erinnerungen an die Zeit in Bremen gesprochen.

WERDER.DE: Wir müssen dir als erstes zu einer ganzen Reihe an Titeln gratulieren: zur Meisterschaft und zum Pokalsieg Ende des vergangenen Jahres und zum jüngsten Erfolg, dem Sieg im Supercup Ende Februar. Herzlichen Glückwunsch!

Kevin Schindler: „Danke!“

Die Chance, den Weg des Trainers einzuschlagen

WERDER.DE: Nimmst du auch Glückwünsche zum Debüt in der zweiten Mannschaft von HB Torshavn an? Wie kam es denn dazu?

Kevin Schindler (lacht): „Klar. Ich möchte noch selbst spielen, mich fit halten. Da liegt es nahe, bei der zweiten Mannschaft auszuhelfen und den jungen Spielern und denen, die am Wochenende vielleicht weniger gespielt haben, auf dem Platz weiterzuhelfen.“

WERDER.DE: Co-Trainer in der 1. Liga, Spieler in der 2. Liga. Das klingt nach stressigen Wochenenden...

Kevin Schindler: „Durchaus. Ich bin auch mal von morgens bis abends hier auf dem Vereinsgelände. Mein Leben hier besteht fast rund um die Uhr aus Fußball, aber ich nehme mir kleine Auszeiten. Ich mache Sport, um abzuschalten. Das ist für mich persönlich ganz wichtig.“

WERDER.DE: Was bringt einen ehemaligen Bundesliga-Profi auf die Färöer?

Kevin Schindler: „Ein Flugzeug (lacht). Spaß beiseite. Ich war Ende 2019 auf Vereinssuche und hatte ein Angebot von der U23 des BVB. Das kam aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen zwar nicht zustande, aber ich konnte bei Dortmund hospitieren. Auf einer Autofahrt zur Spielerbeobachtung in Holland kam aus dem Nichts ein Anruf. Jens Berthel Askou, der zu der Zeit Trainer in Torshavn war, rief Mike Tullberg - dem jetzigen Trainer der U19 von Dortmund - an, neben dem ich im Auto saß. Plötzlich wurde ich gefragt, ob ich als Assistenztrainer und Spielertrainer auf die Färöer-Inseln kommen möchte… und ich habe es einfach wahrgenommen. Ich bin drei, vier Wochen später hier hergeflogen, habe mir alles angeschaut und war mit dem Coach sofort auf einer Wellenlänge. Zwei Wochen später hatte ich den Vertrag unterschrieben.“

WERDER.DE: Und du hast es bisher nicht bereut?

Kevin Schindler: „Auf keinen Fall. Es ist für mich eine völlig neue Erfahrung. Ich wollte den Weg des Trainers einschlagen und dazu wurde mir hier die Chance gegeben. Mein Fokus ist, den Spielern viel an die Hand zu geben. Ich finde, das ist vergangene Saison gut gelungen.“

Die Menschen hier lieben Fußball über alles.
Kevin Schindler

WERDER.DE: Was kannst du den Spielern aus deiner bewegten Laufbahn mit verschiedenen Ländern und Ligen mitgeben?

Kevin Schindler: „Das Niveau der Ausbildung ist natürlich nicht mit Deutschland vergleichbar. Es gibt keine Leistungszentren. Die Ansprüche sind andere, es braucht im technischen und taktischen Training viel Geduld. Aber alle sind wissbegierig, sind offen für neuen Input. Den jungen Spielern kann ich vor allem mitgeben, dass sie sich fokussiert und diszipliniert verhalten müssen. Viele träumen den Traum, im Ausland zu spielen, sie wollen runter von der Insel und etwas Neues ausprobieren, aber das ist mit harter Arbeit verbunden…

WERDER.DE: … und vermutlich ein weiter Weg. Ist Dänemark das beliebteste Ziel?

Kevin Schindler: „Skandinavien insgesamt und Island. Aber es gibt auch Kontakte nach Deutschland. Es gibt immer mal wieder Berater, die neugierig sind und sich den Fußball auf den Färöer-Inseln anschauen wollen.“

"Typisch deutsch" unter den "stressfreien" Insulanern

WERDER.DE: Du hast in Deutschland ja einige Ligen selbst erlebt. Wenn du einen deiner Spieler nach Deutschland vermitteln müsstest, an welchen deiner Ex-Klubs würdest du ihn empfehlen?

Kevin Schindler: „Wenn ich nach dem Niveau des Fußballs hier gefragt werde, sage ich immer untere 3. Liga oder Regionalliga. Wir haben aber junge, talentierte Spieler, denen ich zutrauen würde, in der U19 eines Bundesligisten - oder in einem gut-strukturierten Leistungszentrum bis zur U23 mit ein paar Jahren mehr Zeit – die nächsten Schritte zu gehen. Im Herrenbereich noch den Sprung in die zweite deutsche Liga oder höher zu schaffen, wird schwierig. Ein gutes Beispiel ist Joan Simun Edmundsson von Arminia Bielefeld. Er ist als Talent gegangen und hat über weite Umwege den Sprung in die Bundesliga geschafft. “

WERDER.DE: Sind die Färinger so fußballverrückt, wie man immer hört?

Kevin Schindler: „Fußball ist Nummer eins hier, dann folgen Handball und Rudern. Natürlich strömen bei 12.000 Einwohnern in Torshavn nicht mehrere tausend Fans zu den Spielen ins Stadion, das läuft alles etwas kleiner und gesitteter ab. Aber die Menschen hier lieben Fußball über alles.“

WERDER.DE: Wie hat dich denn die Inselgemeinschaft aufgenommen? Als Deutscher bist du vermutlich ein Exot.

Kevin Schindler: „Ja und nein. Der erste deutsche Fußballer auf den Färöer-Inseln spielte hier in den 1980er-Jahren. Außerdem gibt es mit Michael Winter einen deutschen Trainer, der den Erstligist TB Tvøroyri coacht. Die Menschen haben mich sehr herzlich aufgenommen. Im Verein gelte ich als sehr diszipliniert, typisch deutsch. Viele hier sind deutlich lockerer, man könnte auch sagen stressfreier.“

WERDER.DE: Komm‘ ich heut‘ nicht, komm‘ ich morgen…

Kevin Schindler: „Ja, genau. Das mag ich nicht so, ich bin da sehr strukturiert. Deshalb bin ich vielleicht hier, um gewisse Strukturen und Disziplin in den Verein zu bringen (lacht).“

Schindler: Bremen ist meine Heimat

WERDER.DE: War das für dich zu Beginn die größte Umstellung?

Kevin Schindler: „Beruflich waren es schon die fehlenden Strukturen. Wir haben neue Büros geschaffen, einen neuen Kraftraum – das war mit viel Arbeit verbunden. Davon abgesehen war vor allem das Wetter sehr gewöhnungsbedürftig.“

WERDER.DE: Als Meister habt ihr es in die Champions-League-Qualifikation geschafft. Das wird ein Abenteuer, oder?

Kevin Schindler: „Auf jeden Fall. Das wird ein Highlight für den ganzen Verein und auch für mich. Wir haben letztes Jahr die Qualifikation zur Europa League gespielt, sind da leider in der ersten Runde ausgeschieden. Trotzdem sind das die Höhepunkte der Saison.“

WERDER.DE: Wird dein Engagement in Deutschland wahrgenommen?

Kevin Schindler: „Der Fokus aus Europa ist nicht so groß, aber es gibt einige sehr interessierte Fußball-Enthusiasten, Groundhopper, die in jedes Land reisen.“

WERDER.DE: Du hast sogar Besuch von Fußballfans aus Bremen bekommen, war zu hören…

Kevin Schindler: „Das war eine witzige Geschichte. Nach einem Spiel standen da vier Leute, die mich angesprochen haben. Ich war ziemlich perplex, allzu oft spricht mich hier ja nicht jemand auf Deutsch an (lacht). Die Jungs kamen aus Cloppenburg, Oldenburg, Bremen und der Region und haben sich mehrere Ligaspiele hier angeschaut. Witzigerweise war erst vorletzte Woche jemand aus Nordenham bei einem Spiel und hat mir einen Werder-Schal übergeben. Das fand ich auch cool.“

WERDER.DE: Apropos Werder. Hast du aus deiner Zeit in Bremen noch Kontakt zu dem einen oder anderen von Werder?

Kevin Schindler: „Bremen ist meine Heimat, da lebt meine Familie. Immer wenn ich Zeit habe, versuche ich vorbeizuschauen. Werder ist mein Verein, da bin ich großgeworden. Florian Kohfeldt habe ich mal wiedergetroffen, auch zu Tim Borowski besteht noch Kontakt. Zu Philipp Bargfrede hatte ich rund um sein Karriereende noch mal etwas Kontakt.“

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WERDER.DE: Obwohl ihr beide lange im LZ wart und einige Teams durchlaufen habt, war Florian Kohfeldt nie dein Trainer.

Kevin Schindler: „Stimmt, aber wir sind uns immer wieder über den Weg gelaufen. Er ist ein Delmenhorster Junge, so wie ich. Er hat meinen Weg verfolgt, ich habe seinen verfolgt.“

WERDER.DE: Welche Erinnerungen kommen in dir hoch, wenn du an Werder zurückdenkst?

Kevin Schindler: „Quasi meine ganze Jugend habe ich im Leistungszentrum verbracht, das werde ich nie vergessen. An die Trainer, mit denen ich da gearbeitet habe, denke ich gerne zurück, natürlich auch an die Erfahrungen als Profi, mein erstes Bundesliga-Spiel oder Einsätze im Europapokal. Das war eine prägende Zeit für mich. Die Bundesliga verfolge ich weiterhin, schaue mir Spiele von Werder an, aber auch anderer Klubs, für die ich gespielt habe.“

WERDER.DE: Jetzt möchtest du eine Trainerkarriere einschlagen. Wie sehen da deine nächsten Schritte aus?

Kevin Schindler: „Definitiv auf meiner Agenda stehen die A-Lizenz und der Fußball-Lehrer. Aufgrund von Corona finden aktuell keine Fortbildungen beim DFB statt, Reisen nach Deutschland sind schwierig. Das muss dementsprechend noch etwas geschoben werden… Ich kann also nicht sagen, wo ich in zwei, drei Jahren stehen werde. Hier habe ich einen Vertrag bis Oktober, halte die Ohren und Augen offen, für das, was danach kommt.“

WERDER.DE: Vielen Dank für das Interview, Kevin!

 

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