Ziele verfehlt, Fehler gemacht - Baumann: In schlechten Zeiten nicht wegducken

Frank Baumann und Florian Kohfeldt zeigten sich selbstkritisch bei der Saisonanalyse (Foto: nordphoto).
Profis
Freitag, 10.07.2020 / 16:21 Uhr

Von Yannik Cischinsky und Marcel Kuhnt

Es war die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte. Dementsprechend kritisch wurde die Spielzeit 2019/2020 beim SV Werder Bremen aufgearbeitet. „Es war eine offene und sehr kritische Analyse“, berichtete Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung. In den vergangenen Tagen wurde die Fehleranalyse in den unterschiedlichen Gremien der Grün-Weißen wie der Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat und dem Präsidium zum Abschluss gebracht. Am Freitag präsentierten Marco Bode, Klaus Filbry, Frank Baumann, Dr. Hubertus Hess-Grunewald und Florian Kohfeldt die Erkenntnisse auf einer ausführlichen gemeinsamen Pressekonferenz (jetzt anschauen).

Im Zentrum stand dabei das sportliche Abschneiden und die herausfordernde finanzielle Situation des SV Werder, maßgeblich bedingt durch die Corona-Pandemie. Als Vorsitzender der Geschäftsführung machte Klaus Filbry deutlich, dass alle handelnden Akteure die Verantwortung für die Verfehlung der Saisonziele übernehmen und sich dieser stellen würden. „Wir haben unser Ziel absolut verfehlt und Fehler gemacht, die uns dahin gebracht haben“, betonte auch Frank Baumann. „Als Geschäftsführer Fußball übernehme ich intern und extern die Gesamtverantwortung für die Saison. Wer mich kennt weiß aber, dass ich mich gerade in schlechten Zeiten nicht wegducke.“

"Alle hinter ihrem Top-Niveau zurückgeblieben"

Gemeinsam mit Cheftrainer Florian Kohfeldt legte er ausführlich dar, welche Gründe es für „das historisch schlechte“ Abschneiden gab. In die Aufarbeitung der einzelnen Fachbereiche ist eine Vielzahl an Daten eingeflossen: von athletischen Parametern über Statistiken zu Verletzungen bis hin zu Spieldaten. „Die Verletzungen waren nachweislich der Hauptgrund, der die Mannschaft bis weit in die Rückrunde geschwächt hat“, resümierte Baumann. Mit über 2.000 Ausfalltagen hatten die Grün-Weißen fast dreimal so viele zu verkraften wie der Durchschnitt (742 Ausfalltage) der anderen Bundesliga-Klubs. Besonders relevant sind die 905 Ausfalltage der Hinrunde, die vor allem aufgrund von Muskelverletzungen, die auf Überbelastung zurückzuführen sind, zustande kamen.

Zur Einordnung der Zahlen zog Baumann Untersuchungen der zuständigen Verwaltungs-Berufsgenossenschaft und Studien heran, nach denen ein Team 137 Ausfalltage einen Punkt sowie 271 Ausfalltage einen Tabellenplatz kosten. Zeitweise hatten bei Werder zwölf Stammspieler zeitgleich gefehlt. Entscheidend ist der daraus resultierende Teufelskreis: Nahezu durchgängig senkten die zahlreichen Ausfälle die Trainingsqualität, den Konkurrenzkampf, die taktische Flexibilität im eigenen Spiel sowie die Möglichkeit, im Spielverlauf „personell nachzulegen“. Erst nach der Corona-Pause sei das Team athletisch und hinsichtlich der Kaderbreite konkurrenzfähig gewesen, so Baumann.

Als sportlich-verantwortlicher Geschäftsführer räumte er selbstkritisch Fehler ein. Zwar habe man mit Blick auf die Verletzungsmisere frühzeitig durch Prozessänderungen eingewirkt sowie später durch harte Personalentscheidungen positive Effekte erzielt, hierbei sei man jedoch „nicht immer konsequent“ vorgegangen und habe „zu lange gewartet“. In puncto Transfers hätten "kaum bis keine" der Ideen funktioniert. Auch die Spieler nahm Baumann in die Pflicht: „Sie haben natürlich auch ihren Anteil.“ Neben der Nachlässigkeit bei Standards seien „alle Spieler hinter ihrem Top-Niveau zurückgeblieben“. Dies sei kein Problem des Trainerteams gewesen. Auserkorene Führungsspieler hätten zudem dem Team nicht wie erwartet helfen können.

"Die Konflikte zu lösen, hat Energie gekostet"

Florian Kohfeldt, der sich für das entgegengebrachte Vertrauen als Cheftrainer die Weiterentwicklung der Mannschaft in der kommenden Saison wieder voranzutreiben bedankte, nannte im Wesentlichen drei Faktoren seines Arbeitsbereichs:

1. Die Trainingssteuerung und die Überbelastung lägen in letzter Verantwortung ihm, beim Cheftrainer. Kohfeldt zur Leistungssteuerung insbesondere in der Vorbereitung: „Das darf mir nicht mehr passieren. Getrieben von Ehrgeiz, den athletischen Status des Teams zu verbessern, das Spiel zu ändern und beflügelt von Ergebnissen der Diagnostik haben wir gedacht, dass das Team dafür bereit sei. Doch die Mannschaft war es nicht.“

2. Der Staff und das 'Team um das Team': Vor der Saison habe man versucht, ein Funktionsteam mit größtmöglicher Fachkompetenz zusammenzustellen. „Was dabei auf der Strecke blieb, war die Teamfähigkeit“, so Kohfeldt unumwunden. „Die Konflikte zu lösen, hat Energie und Fokus gekostet“, so Kohfeldt, der nach personellen Veränderungen aber gerade im Saisonendspurt eine „echte Teamleistung des Staffs“ wahrgenommen hat.

3. Über zwei Drittel der Saison war die erhoffte Flexibilität durch fehlende Kadertiefe nicht gegegeben, das wirkte sich maßgeblich auf das Spiel seiner Mannschaft aus. "Die Stärke des Trainers kam durch diese Situation nicht zum Tragen", ergänzte Baumann.

Dass es deshalb kein 'Weiter so“' geben könne, betonte Marco Bode, Vorsitzender des Aufsichtsrats. Über die gesamte Saison habe das Kontrollgremium die Entscheidungsträger kritisch begleitet. „Wir müssen bereit sein, aus den Fehlern zu lernen“, sagte Bode, der zugleich die personelle Konstanz in der Geschäftsführung und auf dem Trainerposten stützte. „Alle, die denken, es gäbe nur die zwei Extreme - 'Weiter so' und 'rollende Köpfe' - werden wir nicht glücklich machen. Es gab eine kritische Betrachtung der Ursachen. Wir sind alle gemeinsam der vollen Überzeugung, dass wir mit diesem Führungsteam weitermachen wollen. Dass wir uns weiterentwickeln müssen, ist klar, ich bin aber auch davon überzeigt, dass wir unserer Philosophie treu bleiben müssen.“

 

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