In Bruchteilen einer Sekunde

Sven Jablonski im Interview

Sven Jablonski pfiff gestern den SV Werder gegen Everton (Foto: hansepixx).
Interview
Sonntag, 04.08.2019 / 17:15 Uhr

Das Interview führte Marcel Kuhnt

Es kommt nicht oft vor, dass Sven Jablonski in seinem „Wohnzimmer“ auflaufen darf. Der gebürtige Bremer meint damit das wohninvest WESERSTADION. Am „Tach der Fans“ war das anders. Das Testspiel gegen den FC Everton (zum Spielbericht) leitete der 29-jährige Schiedsrichter. Eine Gelegenheit, die er in der Bundesliga nie bekommen wird. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Partie der Grün-Weißen gegen die "Toffees" ein Highlight für ihn war. „Natürlich verfolge ich den Weg von dem Bundesligisten aus unserer Stadt, genauso wie ich den Weg meines Heimatsvereins verfolge", sagt Sven Jablonski gegenüber WERDER.DE.

WERDER.DE: Moin, Herr Jablonski. Beginnen wir am Anfang. Wie sind sie Schiedsrichter geworden?

Sven Jablonski: „Wirklich geplant war das nicht. Ich selbst habe zunächst einfach Fußball gespielt. Mit vier Jahren bin ich beim Blumenthaler SV eingetreten und habe dort über zehn Jahre selbst gekickt. Als ich 13 Jahre alt war, kam unser Schiedsrichter-Obmann zum Training und hat nach neuen Schiedsrichtern gesucht. Ein paar Freunde und ich haben uns dann gedacht, dass es eine spannende Erfahrung sein kann.“

Von der Bremen-Liga bis in die Bundesliga

WERDER.DE: Und wie waren die ersten Erfahrungen?

Sven Jablonski: „Es war ungewohnt. Man stand nicht mehr auf dem Platz und hat gespielt, sondern lief auf und musste Entscheidungen treffen. Es ist eine ganz andere Perspektive auf das Spiel.“

WERDER.DE: Inwiefern?

Sven Jablonski: „Als Schiedsrichter trifft man auf 22 ganz unterschiedliche Charaktere. Jeder Spieler hat seine eigene Persönlichkeit. Zudem müssen Entscheidungen im Bruchteil einer Sekunde getroffen und im Nachgang vertreten werden. Dabei geht es auch um Durchsetzungsvermögen und vor allem Verantwortung.“

WERDER.DE: Irgendwann mussten Sie sich entscheiden: Fußball spielen oder Schiedsrichter sein?

Sven Jablonski: „Richtig. Ich wollte mich zwischen den beiden Sachen entscheiden, da beides schwierig zeitlich miteinandervereinbar war, wenn man sich auf eine Sache zu 100% konzentrieren will. Die Schule kam ja auch noch dazu (lacht). Da ist die Entscheidung dann auf die Schiedsrichterei gefallen. Einerseits hat es mir unfassbar viel Spaß gemacht und andererseits dachte ich mir, dass ich Fußball auch noch in der Freizeit spielen kann, wenn ich möchte.“

WERDER.DE: Ihr Weg ging dann ja recht schnell nach oben…

Sven Jablonski: „Das stimmt. Es war zwar ein schneller, aber trotzdem langer Weg. Zunächst habe ich aber wie alle anderen in der Jugend angefangen. Mit 16 Jahren kam mein erstes Herrenspiel. Das war sehr aufregend, hat mich aber auch persönlich vorangebracht. Daher kann ich jüngeren Menschen nur raten, den Job auszuprobieren. Als Schiedsrichter muss man Verantwortung für die Entscheidungen übernehmen, die man trifft, und auch selbstkritisch sein, wenn ein Fehler passiert.“

Die meisten Schiedsrichter sind an der Basis tätig. Ohne diese Menschen, wäre der Fußball nicht durchführbar.
Sven Jablonski, Bundesliga-Schiedsrichter

WERDER.DE: Wie gehen Sie mit Fehlern um?

Sven Jablonski: „Ich ärgere mich über jeden Fehler selbst am Meisten. Im Nachgang schaut man sich die Szene mehrmals an, um zu überprüfen wie es zu der Fehleinschätzung kam und wie man es beim nächsten Mal besser machen kann. Wichtig ist, dass man während der Partie Situationen, die strittig sind, schnell aus seinem Kopf bekommt, um sich voll und ganz auf das Spielgeschehen zu konzentrieren.“

WERDER.DE: Ihre erste Bundesliga-Partie verlief ruhig. Können Sie sich an das Spiel noch erinnern?

Sven Jablonski: „Ja, das war die Begegnung Bayer 04 Leverkusen gegen den SC Freiburg. Eine geräuschlose und schöne Premiere.“

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WERDER.DE: Das war am 17.09.2017. 4:0 für Bayer 04 Leverkusen. Damals waren Sie 27 Jahre alt und der jüngste Schiedsrichter der Liga. In der kommenden Saison sind Sie mit 29 Jahren immer noch der Jüngste. Macht Sie das stolz?

Sven Jablonski: „Mit 27 Jahren in der Bundesliga zu pfeifen, war schon früh. Dennoch war es für mich ein langer Weg. Über 16 Jahre stand ich jedes Wochenende auf einem anderen Sportplatz. Von den kleinen Fußballplätzen durfte ich meinen Weg bis in die großen Stadien gehen. Obwohl ich jetzt vor vielen Tausenden pfeifen darf, muss ich sagen, dass die Schiedsrichter, die an der Basis pfeifen, die wahren Helden sind.“

WERDER.DE: Wie meinen Sie das?

Sven Jablonski: „Die meisten Schiedsrichter sind an der Basis tätig. Ohne diese Menschen, wäre der Fußball nicht durchführbar. Ich ziehe vor denen den Hut, denn sie hören jedes einzelne Wort von den Zuschauern. Da springt einer über die Bande und steht vor Dir, ohne dass er von einem Ordner abgehalten wird.“

WERDER.DE: Neben Ihrer Tätigkeit als Schiedsrichter arbeiten Sie noch als Bankkaufmann. Bekommt man nach einem Bundesliga-Spiel auch mal einen Spruch gedrückt?

Sven Jablonski: „Um das zu umgehen, habe ich mittlerweile montags immer frei (lacht). Klar, witzelt man auf der Arbeit ab und zu, aber das ist alles im vernünftigen Rahmen. Aber natürlich ist das nicht der Grund, weshalb ich frei habe. Der Montag ist dafür da, um das Spiel nachzubereiten, zu trainieren und auf das nächste Spiel schon wieder vorzubereiten.“

WERDER.DE: Inwiefern vorbereiten?

Sven Jablonski: „Man setzt sich im Vorhinein mit den kommenden Mannschaften auseinander. Wie geben sich einzelne Spieler auf dem Platz, auf welche Standardvarianten muss man sich einstellen und wie spielt ein Team. Dass alles versucht man vor einem Spieltag zu verinnerlichen, damit man optimal präpariert ist. Und natürlich schaut man sich auch alle anderen Partien des Spieltags an.“

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WERDER.DE: Das klingt fast nach einer Analyse wie bei einer Mannschaft.

Sven Jablonski: „Das stimmt. Viele Außenstehende können sich das gar nicht vorstellen, dass man als Schiedsrichter so einen Aufwand hat. Im Schnitt beschäftige ich mich sieben Tage die Woche mit Fußball.“

WERDER.DE: Hat man eigentlich alle Regeln im Kopf?

Sven Jablonski: „Das muss man differenzieren. Als Schiedsrichter musst Du natürlich regelsicher sein. Das ist extrem wichtig, daher haben wir auch einmal im Jahr einen schriftlichen Regeltest beim DFB. Das ist die Theorie. In der Praxis wirst Du aber nie erfolgreich sein, wenn Du nicht ein Gespür für den Fußball, für das Spiel entwickelst. Ich bin der Meinung, dass es von Vorteil ist, wenn man selber Fußball gespielt hat.“

WERDER.DE: Am Samstag haben Sie das Testspiel am Tach der Fans gegen Everton gepfiffen. Haben Sie sich auf das Spiel im Vorhinein gefreut?

Sven Jablonski: „Klar, habe ich mich gefreut. Das wohninvest WESERSTADION war immer der kürzeste Weg für mich, um Bundesliga zu sehen. Jetzt dort pfeifen zu können, war ein tolles Gefühl. Quasi wie Pfeifen im Wohnzimmer.“

WERDER.DE: Sind Sie als Bremer dann auch Werder-Fan?

Sven Jablonski: „Als Schiedsrichter ist man leidenschaftlicher Fußballfan. Natürlich verfolge ich den Weg von dem Bundesligisten aus unserer Stadt, genauso wie ich den Weg meines Heimatsvereins verfolge. Wenn ich mir aber im Stadion ein Spiel anschaue, verfolge ich das Spiel viel aus Schiedsrichtersicht.“

 

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