"Man kann allen noch eine ganze Menge mitgeben"

Florian Kohfeldt im Saisonabschluss-Interview

U23
Donnerstag, 01.06.2017 / 11:54 Uhr

Das Interview führte Martin Lange

Letztlich war das Saisonfinale kaum an Dramatik zu überbieten. Erst am letzten Spieltag sicherte sich Werders U 23 mit dem 1:0-Erfolg gegen den VfR Aalen den Klassenerhalt in der 3. Liga. Es war das Ende einer turbulenten Spielzeit, die trotz eines Zwischenhochs zu Beginn der Rückrunde mit dem Krimi gegen Aalen gipfelte. Für Coach Florian Kohfeldt kam dieser Saisonverlauf derweil nicht überraschend.

Im Interview mit dem WERDER-Mitgliedermagazin spricht Werders U 23-Coach über die abgelaufene Saison, die Entwicklungsmöglichkeiten junger Spieler in der 3. Liga sowie über seine tägliche Arbeit auf dem Trainingsplatz:

WERDER.DE: Florian, wie hast du den letzten Drittliga-Spieltag mit dem entscheidenden Treffer zum 1:0 gegen Aalen wenige Minuten vor dem Abpfiff und dem kurze Zeit später geschafften Ligaverbleib erlebt?

Florian Kohfeldt: "Für die Jungs war die Ausgangsposition am letzten Spieltag ein enormer Druck, dem sie hervorragend Stand gehalten haben. Wir hatten einen Plan für diese Partie, haben uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und nach dem Abpfiff waren es einfach wahnsinnige Emotionen."

WERDER.DE: Warum seid ihr nach einer guten Phase während der Saison am Ende doch in diese schwierige Situation gerutscht?

Florian Kohfeldt: "Diese gute Phase in etwa zwischen dem 20. und 27. Spieltag hatte tatsächlich Hoffnungen geweckt, die für eine zweite Mannschaft in der 3. Liga aber eher ungewöhnlich sind. Außer Mainz 05 und uns gab es dort in dieser Saison keine weitere zweite Mannschaft mehr. Das hat Gründe: Es ist eine Profi-Liga. Jedes Wochenende geht es für unsere junge Mannschaft gegen Gegner mit vielen langjährigen Profis, die in der Jugend auch in Leistungszentren sehr gut ausgebildet wurden. Daher standen wir in dieser Saison überwiegend da, wo wir bisher fast immer standen in der 3. Liga: im Abstiegskampf."

WERDER.DE: Und warum?

Florian Kohfeldt: "Verletzungen und Sperren wichtiger Spieler hatten sicher einen Einfluss. Die konnten wir nicht so kompensieren wie gewünscht. Und vielleicht haben sich einige Spieler eher mit ihrer persönlichen Zukunft als mit der Mannschaft beschäftigt. Das ist letztlich ein ganz normaler Vorgang. Und mit diesem guten Ausgang der Saison kann man es sogar als einen wichtigen Entwicklungsschritt für die Spieler sehen."

WERDER.DE: Sieht die Kaderplanung in der 3. Liga anders aus, als wenn es zu einem Abstieg in die Regionalliga gekommen wäre?

Florian Kohfeldt: "In der 3. Liga braucht man ein paar erfahrene Spieler, auf die man in der Regionalliga eventuell verzichten könnte. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass wir auch eine Liga tiefer gut ausbilden könnten. Für unsere Talente, die jetzt aus der U 19 kommen, wäre es dort vermutlich leichter, sofort Spielanteile zu bekommen. Aber wir sind die letzte Stufe vor der Bundesliga, wollen unsere Top-Talente bestmöglich fördern – und das in der höchsten möglichen Liga. Für Niklas Schmidt und Johannes Eggestein beispielsweise, die noch in der U 19 hätten spielen können, war es richtig, dass sie diese Saison bereits in der 3. Liga dabei waren."

Ich habe bei der U 23 eine charakterlich tolle Mannschaft vorgefunden.
U 23-Trainer Florian Kohfeldt

WERDER.DE: Wie stark können Entwicklung und individuelle Fähigkeiten der Spieler in diesem Alter noch positiv beeinflusst werden?

Florian Kohfeldt: "Unsere Spieler in der U 23 sind noch lange nicht fertig. Viele haben gerade ihren ersten größeren Vertrag unterschrieben. Die Schule oder die Ausbildung sind abgeschlossen, auf einmal sind sie gefühlt schon Profis, ohne aber tatsächlich den letzten Schritt gemacht zu haben. Die Spieler dabei zu begleiten, den Sprung in die Bundesliga zu schaffen, ihnen auch mal Grenzen aufzuzeigen, andererseits aber die volle Unterstützung und das Vertrauen zu geben, ihnen dabei jeden Tag vor Augen zu führen, welch ein harter aber toller Weg es ist – das ist die Aufgabe in der U 23."

WERDER.DE: Wie ist die Entwicklung der 3. Liga einzuschätzen?

Florian Kohfeldt: "Es ist echter Profifußball, die Clubs haben Top-Stadien – auch wenn die 3. Liga finanziell für viele eine sehr große Herausforderung ist. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren alles noch professioneller werden wird. Die 3. Liga wird sich immer stärker der ersten und zweiten Liga annähern. Allein medial ist das zu erkennen, wenn man bedenkt, dass in der kommenden Saison alle Partien live übertragen werden."

WERDER.DE: Für dich persönlich war es eine turbulente Saison…

Florian Kohfeldt: "Es ist schon seit drei Jahren turbulent (lacht). Diese Saison war eine tolle, spannende Zeit. Ich habe sehr viel gelernt, jede Menge Erfahrungen gesammelt, in guten und in schwierigen Phasen. Und ich habe bei der U 23 eine charakterlich tolle Mannschaft vorgefunden, mit der man sehr gut arbeiten kann."

WERDER.DE: Wie ist es denn als Cheftrainer?

Florian Kohfeldt: "Ich fühle mich wohl damit. Es macht mir sehr viel Spaß, in dieser Rolle zu arbeiten. Auch weil ich mit Thomas Horsch, Manuel Klon und Mirko Votava ein sehr gutes Trainer- sowie übriges Funktionsteam um mich herum habe, bei dem das ‚Chef sein‘ leicht fällt. Und außerdem ist die Zusammenarbeit mit Frank Baumann und Björn Schierenbeck sehr gut und vertrauensvoll."

WERDER.DE: Die zweite Mannschaft eines Erstligisten zu betreuen, ist aber eine spezielle Aufgabe. Was reizt dich daran?

Florian Kohfeldt: "Ich arbeite sehr gerne mit jungen Spielern. Man kann allen noch eine ganze Menge mitgeben. Außerdem ist es natürlich eine riesige Chance, in meinem Alter bereits in der 3. Liga trainieren zu dürfen. Das ist nicht selbstverständlich. Ich freue mich zwar nicht darüber, dass ich nicht immer weiß, welche Spieler ich im Training und im Spiel zur Verfügung habe. Aber die positiven Aspekte wiegen das bei weitem auf."

WERDER.DE: Was ist dir als Trainer grundsätzlich wichtig?

Florian Kohfeldt: "Ein erfolgsorientierter, respektvoller Umgang. Denn das erwarte ich auch von meinen Spielern. Ich versuche, den Spagat zu schaffen zwischen absoluter Erfolgsorientierung, der nichts im Wege stehen darf und der sich jeder unterordnen muss, und einem einwandfreien persönlichen Umgang."

WERDER.DE: Was ist heute in der Ausbildung junger Spieler entscheidend?

Florian Kohfeldt: "Neben den fußballerischen Fähigkeiten halte ich es für sehr wichtig, dass die Jungs eine gewisse Selbstständigkeit erlernen. Die Strukturen des Leistungsfußballs geben vor, dass sie in einem zeitlich sehr engen Alltag leben – und das häufig ab ihrem 14. oder 15. Lebensjahr. Es muss ihnen zwangsläufig viel abgenommen werden. Im Fußball ist es aber wichtig, auf dem Platz selbstständig Entscheidungen zu treffen. Natürlich erarbeiten wir uns das auch im Training. Aber wir achten im WERDER Leistungszentrum alle darauf, dass die Spieler auch außerhalb des Spielfelds in dem ihnen möglichen Rahmen vieles eigenständig tun."

WERDER.DE: Was ist bei der sportlichen Ausbildung noch wichtig?

Florian Kohfeldt: "Aus meiner Sicht können wir uns auf dem Gebiet der kognitiven Schnelligkeit noch sehr verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass der Fußball zukünftig noch schneller wird und die Anforderungen an die Spieler weiter steigen, man deutlich flexibler sein muss. Es geht nicht darum, als Team 30 Grundordnungen zu beherrschen. Aber man muss innerhalb seines Spiels einige Dinge immer wieder wechseln können – und das aufeinander abgestimmt. Darauf lege ich in der Arbeit großen Wert."

 
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