Der andere Blickwinkel

Jan De Witt im Interview

Stand früher selbst in der Ostkurve: Jan De Witt (Foto: WERDER.DE).
Profis
Donnerstag, 08.03.2018 / 12:01 Uhr

Das Interview führte Yannik Cischinsky

Er hat Top-Tennisprofis wie Andrea Petkovic oder den Franzosen Gilles Simon trainiert und gilt als einer der besten Tennis-Trainer Deutschlands. Jan De Witt, aufgewachsen in Bremen, hat in der Tennisbranche einen großen Namen. Aktuell ist der 52-Jährige bei Werder, wo er die Umstrukturierungen im Geschäftsbereich Sport beratend begleitet.

Mit WERDER.DE spricht De Witt über seine Aufgaben bei den Grün-Weißen, was der Fußball vom Tennis lernen kann, die Einführung des Videobeweis und Florian Kohfeldt.

WERDER.DE: Ein Tennistrainer bei Werder Bremen. Wie ist es denn dazu gekommen?

Jan De Witt (lacht): „Ich bin grundsätzlich neugierig, was in anderen Sportarten passiert. Im Fußball interessiert mich Werder einfach am meisten. Ich kenne Björn Schierenbeck schon seit knapp zehn Jahren. Über ihn ist der Kontakt zu anderen Werderanern entstanden. Einen regelmäßigen inhaltlichen Austausch gibt es schon lange, Werder-Mitarbeiter waren auch schon häufiger bei uns in Halle. Ich finde es sehr interessant, sich in anderen Sportarten umzuhören.“

WERDER.DE: Du hast das WERDER Leistungszentrum schon in der Vergangenheit aktiv begleitet…

Jan De Witt: „Damals habe ich die Individualförderung bei Werder analysiert und mich intensiv mit dem Top-Talente-Konzept auseinandergesetzt. Primär war das Ziel, einzelne, vor allem junge Spieler, in den U-Teams individuell noch besser fördern zu können. Diese Individualförderung soll die Chance erhöhen, dass sich ihnen irgendwann die Möglichkeit bietet, in den Bundesligakader aufgenommen zu werden.“

WERDER.DE: Der sportliche Bereich unter der Leitung von Frank Baumann befindet aktuell sich im Change Prozess. Was sind dabei deine konkreten Aufgaben bei Werder?

Jan De Witt: „Ich helfe hier in zwei Bereichen mit. Zum einen schaue ich verstärkt nach wie vor auf die Individualförderung im Top-Talente-Programm und die Ausbildung und Förderung der Jugendspieler. Eine der schwierigsten Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, ist der Übergang der Spieler von der Jugend zu den Profis. Da gibt es ein Haufen von Problemen, die auftreten können. Es macht Sinn, die jungen Leute dort zu unterstützen und ihnen möglichst breit aufgestellt Hilfestellung anzubieten.“

Ich gucke viel beim Training zu, gebe Anregungen, orientiere mich am internationalen Zustand
Jan De Witt

WERDER.DE: Und der zweite Bereich?

Jan De Witt: „Ja, zum anderen begleite ich den Bereich Athletik, Gesundheit und Fitness. Ich schaue, was es hier an der Weser schon gibt, wie die Probleme in den Mannschaften angegangen werden. Ich gucke viel beim Training zu, gebe Anregungen, orientiere mich am internationalen Zustand. Im Nachgang versuchen wir den Ist-Zustand auf diesen Standard anzupassen. Man stellt sich dann auch zwangsläufig die Frage – und das sollte man auch: Wie kann der Werder-Weg weitergehen? Wo kann man sich strukturell besser aufstellen, um die eigene Position zu verbessern? Wir müssen nicht alles neu erfinden, aber in anderen Sportarten gibt es spannende Konzepte, die sich eventuell auf Werder anpassen und dann integrieren lassen. Unter dem Strich wollen wir mittel- und langfristig bessere Ergebnisse erzielen.“

WERDER.DE: Tennis ist eine Einzelsportart, Fußball eine Teamsport. Wie kann der Fußball etwas vom Tennis lernen?

Jan De Witt: „In erster Linie schaue ich mit meinem sportartfremden Blick, was hier passiert. Die Förderung des Individuums ist auch im professionellen Fußball ein wichtiger Punkt. Im Tennis wird naturgemäß individueller gedacht. Viele individuelle Maßnahmen lassen sich nicht Ein-zu-Eins übernehmen, aber Ansätze aus dem Tennis können sehr sinnvoll für die individuelle Arbeit mit Spielern sein. Als Beispiel würden mir da auf die einzelnen Spieler zugeschnittene Videos einfallen. Da geht es dann konkret darum, was man den einzelnen Spielern anbieten kann, um sie zu fördern? Im Bereich Athletik geht es ebenfalls darum immer individuellere Trainingspläne zu gestalten.“

WERDER.DE: Du hast die „Gerry Weber Breakpoint-Base“ als Tennisakademie in Halle/Westfalen aufgebaut. Wie blickst du auf die Nachwuchsarbeit bei Werder?

Jan De Witt: „Einige Bereiche sind jetzt schon sehr gelungen und qualitativ sehr hochwertig, in anderen Bereichen gibt es noch Platz für Verbesserungen. Dazu zählt auch die Situation ums Stadion „Platz 11“. Das ist eine schwierige Situation für Trainer- und Funktionsteams mit den Plätzen, Trainings- und Arbeitsbedingungen oder den Umkleiden. Das ist eine riesige Baustelle, die angegangen werden muss und von der Geschäftsführung aber auch bearbeitet wird. Es gibt viele Bereiche, in denen Werder echt gute Arbeit leistet, aber ich behaupte, dass man es – vorausgesetzt man gießt es in die richtige Form, in der alles optimal zusammenarbeitet – noch besser machen kann.“

WERDER.DE: Sprechen wir kurz über Florian Kohfeldt. Du hast einen ähnlichen Hintergrund wie er. Du hast als Aktiver nicht in der Weltspitze gespielt, aber trainierst nun ebenda. Wie kann man Athleten trainieren, die aus einem professionellen Hintergrund kommen?

Jan De Witt: „Im Tennis ist das Verhältnis 50:50. Auch überragende Spieler arbeiten mit Menschen zusammen, die nicht selbst auf dem höchsten Level gespielt haben. Du musst fehlende Erfahrung im Profibereich mit anderen Leistungen ausgleichen. Ich habe viel Erfahrung auf allerhöchstem Level. Man kann über den wissenschaftlichen Ansatz vieles ausgleichen. Das ist ein Bereich, in den ich mich sehr reingehängt habe und den ich auch heute noch für sehr wichtig erachte. Das führt dazu, dass man sehr früh eine wichtige Arbeitsethik entwickelt. Florian kenne ich schon länger. Wir haben eine Ausbilder-Fortbildung zusammen absolviert und dabei festgesellt, dass wir in der Videoanalyse sehr ähnlich agieren, dass wir uns viel und gerne damit beschäftigen. Ich glaube, in vielen Punkten haben wir eine ähnliche Herangehensweise.“

WERDER.DE: Inwieweit spielen Statistiken und Daten eine immer größer werdende Rolle im Fußball?

Jan De Witt: „Als Tennistrainer habe ich einen Statistiker, der gezielt für mich arbeitet. Ich entwickle die Art und Weise, wie er sich mit Daten beschäftigt, mit. Im Fußball ist alles deutlich komplexer. Ich glaube, mit Statistik lässt sich vieles nicht annähernd so gut erfassen, wie im Tennis. Trotzdem kann es Sinn machen, detaillierter vorzugehen. Und das wird auch gemacht. Wichtig ist in meinen Augen eine zentrale Fähigkeit, die heutige Cheftrainer haben müssen: die Filterfunktion. Im Tennis ist es einfacher, da man sich nicht mit einer ganzen Mannschaft beschäftigen muss. Jeder Einzelne aus dem Funktionsteam hat eine anspruchsvolle Aufgabe, und hilft dabei, jeden Einzelnen mitzunehmen, sodass jeder weiß, was er zu tun hat. Einige Bereiche sind für den Fußball auch nicht zu übersetzen, aber über viele Dinge wird diskutiert.“

WERDER.DE: Sind heutige Trainerteams nicht vielleicht viel zu klein?

Jan De Witt: „Die Teams sind bereits wesentlich größer geworden. Es gibt viele Menschen, die hier hauptsächlich im Hintergrund agieren, aber sehr wichtige Funktionen innehaben. Die stehen nur nicht in der Öffentlichkeit. Im Endeffekt lautet das Credo: Was will der Chef? Jeder muss mit Florians Augen auf seine Aufgaben schauen und diese bestmöglich in seinem Sinne erledigen. Ich bin begeistert von vielem, was ich hier sehe. Dennoch wird sich ergebnisoffen die Frage gestellt, ob das schon die optimale Ausrichtung ist. Und ich wage zu sagen, das geht noch besser. Deshalb laufen Gespräche mit vielen verschiedenen Personen.“

WERDER.DE: Kommen wir zum Abschluss zu einem etwas anderen Thema. Es wird im Fußball viel über den Videobeweis gesprochen. Im Tennis gibt es ihn schon jahrelang. Wie blickst du auf die Diskussion und was kann der Fußball aus dem Tennis mitnehmen?

Jan De Witt: „Im Tennis ist der Videobeweis ja bekanntlich anders organisiert. Dort gibt es einen simplen Videobeweis: Entweder ist der Ball im oder außerhalb des Spielfeldes. Im Fußball geht es da eher um technische Vergehen, aber auch da ist die Einführung des Videobeweises meiner Meinung nach alternativlos. Die technischen Voraussetzungen sind weitestgehend gegeben und es geht um extrem viel Geld. In einer Sportart, die so hoch technisiert ist, muss es in meinen Augen einen Videobeweis geben. Meiner Meinung nach muss aber für Zuschauer, Spieler und Verantwortliche klar erkennbar sein, wann er angewendet wird und das ist noch nicht abschließend geklärt. Im Tennis entscheiden beispielsweise die Athleten, wann sie eine Entscheidung noch einmal sehen möchten und der Videobeweis ist innerhalb weniger Sekunden da - und vor allem für alle im Stadion sichtbar.“

WERDER.DE: Lassen sich Fehler denn damit gänzlich ausschließen?

Jan De Witt: „Es werden auch mit dem Videobeweis noch Fehler gemacht, aber abschaffen sollte man ihn nicht wieder. Aus den Fehlern muss man lernen und dann kann der Videobeweis in Zukunft dauerhaft zu einer Bereicherung für die Bundesliga werden.“

 
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