„Wir verschenken wertvolle Zeit“

Werders Präsident und Geschäftsführer Dr. Hubertus Hess-Grunewald über den Polizeikosten-Prozess

Profis
Freitag, 19.05.2017 / 17:05 Uhr

Es ist eine spannende Woche für den SV Werder Bremen – auf und neben dem Platz. Auf dem Spielfeld kämpft Werder um die sensationelle Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb. Abseits kämpft Werder darum, entgegen politischer Beteuerungen nicht für die Mehrkosten bei Polizeieinsätzen von der Stadt Bremen zur Kasse gebeten zu werden. Zwei Tage nach dem das Verwaltungsgericht in erster Instanz der Klage der DFL stattgegeben hat und die bisherigen Gebührenbescheide der Stadt zurückgewiesen hat, spricht Werders Präsident und Geschäftsführer Dr. Hubertus Hess-Grunewald, der zu den interessierten Prozessbeobachtern gehörte, über seine Einschätzung und ordnet die Reaktionen auf den Prozess ein.

Zur Prozessbewertung: „Das Verwaltungsgericht hat der Klage der DFL stattgegeben und die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide der Stadt Bremen bestätigt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Stadt. Der SV Werder begrüßt diese Entscheidung natürlich, sie folgt unserer Einschätzung der Situation. Aber klar ist auch, dass es nur ein Zwischenschritt sein wird. Es wird nicht die letzte Instanz sein, um die Streit-Fragen juristisch zu klären.“ 

Zur Einschätzung des Innensenators, selbst einen Etappensieg davongetragen zu haben: „Ich kann als Prozessbeobachter diese sehr zuversichtliche Einschätzung nicht teilen. Neben der eindeutigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Gebührenbescheide aufzuheben, hat sich das Gericht zwar zur Verfassungskonformität des Bremer Gesetzes geäußert, aber ich habe als Jurist auch genau zugehört. Das Gericht hat nach der vorläufigen Beratung gesagt, dass es das Bremer Gesetz für „noch verfassungsgemäß“ hält, aber im Nachsatz auch betont: „Das kann man aber auch anders sehen.“ Das deutet in der Regel schon daraufhin, dass das Gericht sehr genau weiß, dass es auch gewichtige Gegenargumente in dieser Frage gibt. Im Ergebnis stand diese Frage aber am Mittwoch auch nicht zur Bewertung an. In der Urteilsverkündung hat die Vorsitzende ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Frage „dahingestellt“ bleibt. Diese Eindeutigkeit, die Innensenator Mäurer in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes dort herausgehört haben will, konnte ich jedenfalls nicht vernehmen.“

Über die Aussage des Gerichts, dass Werder Bremen natürlich auch Veranstalter der Bundesliga-Spiel ist: „Hier sieht sich der SV Werder einfach in seiner Sorge bestätigt, dass es über kurz oder lang den SV Werder Bremen treffen würde, die Mehrkosten zu tragen, obwohl es klare Aussagen der politisch Verantwortlichen in Bremen gibt, dass man den SV Werder Bremen hier nicht in Anspruch nehmen will. Aber wir sehen schon jetzt voraus, dass im Fall einer Entscheidung für die Stadt, die Rechnung direkt oder indirekt bei uns im Weser-Stadion landen würde und die Forderung  des Gerichts, in den Gebührenbescheiden genau zu begründen, warum Werder als eindeutiger Veranstalter nicht belangt werden soll, unterstreicht das. Die Befürworter des Bremer Gesetzes inklusive Innensenator Mäurer beteuern bei jeder Gelegenheit, dass man Werder nicht schaden will, aber wir sind nicht naiv. Am Ende werden sie mit den Achseln zucken und feststellen, dass sie nicht anders konnten. Keiner konnte mir bisher wirklich erklären, wie man sicherstellen will, dass Werder am Ende des gerichtlichen Verfahrens keinen Schaden nimmt.“

Über den Hinweis des Innensenator, dass die öffentliche Meinung ihn bestärke: „Das kann man nicht verleugnen. Die Debatte wird von Seiten der Gesetzes-Befürworter auch so geführt, dass diese Umfragewerte auch nicht erstaunen. Der Senator wirft der DFL fehlende Kommunikationsbereitschaft vor, obwohl sie von Seiten des Fußballs immer wieder angeboten wird und es schon außerhalb der Gerichtssäle und Anhörungs-Termine zwei Treffen gab, an denen einmal Herr Mäurer extra nach Wolfsburg gereist ist, um sich mit hochrangigen DFL-Vertretern zu treffen bzw. die DFL und Werder gemeinsam bei unserem Bürgermeister in Bremen den Dialog gesucht haben. Es wird vollkommen verschwiegen, dass wir für unseren Kurs, konstruktiv mitzuhelfen, die Polizeieinsatzzeiten zu verringern, die Unterstützung der Gewerkschaft der Polizei haben, die in Bremen die große Mehrheit der Polizisten vertritt. Die sinkenden Polizei-Einsatzzeiten als ein Teilerfolg des guten Miteinanders in Bremen werden nicht thematisiert.“

Über die „reiche Geldruckmaschine DFL, die nur kassiert und nichts abgeben will":„Das ist die überspitzte Kurzform der Argumentation der Stadt, die aus meiner Sicht nicht nur ins Leere läuft, sondern auch positive Entwicklungen hemmt. Nur mit dem Finger auf die „reiche Gelddruckmaschine DFL“ zu zeigen, „die nur verdient und nichts abgeben will“. Das halte ich für sehr durchsichtig und nicht zielführend. Der Fußball hat sich 2012 gemeinsam mit der Innenministerkonferenz zu einem sehr umfangreichen Maßnahmen-Paket für mehr Sicherheit und Prävention verpflichtet und  alle geforderten Punkte umgesetzt. Der Fußball will sogar sehr engagiert mithelfen, mit diesem gesamtgesellschaftlichen Problem  umzugehen. Und Werder ist dabei vorangegangen. Es gab darüber hinaus immer Gesprächsangebote die Zusammenarbeit zu intensivieren, das aktuellste vom vergangenen Mittwoch durch Herrn Rauball. All diese positiven Entwicklungen, werden vom juristischen Weg der Stadt Bremen torpediert.“

Warum es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist: „Während des Prozesses habe ich das Argument gehört, dass wir kein Problem mit Gewalt hätten, wenn es sich beim Nordderby nicht um ein Spiel im Bundesliga-Wettbewerb der DFL handeln würde. Das ist einfach so realitätsfremd. Wir können doch die Berichterstattung der letzten Wochen verfolgen, wie sich Gewalttäter auch bei Derbys im Juniorenbereich diese Bühne sichern, wie in unterklassigen Ligen, in denen die Vereine nichts verdienen, Hundertschaften von Polizisten eine Sportanlage sichern müssen. Wir mussten erst vor zwei Jahren ein bedeutungsloses Testspiel in der Sommervorbereitung gegen Hannover 96 auf ausdrücklichen Wunsch der Polizei ohne Zuschauer durchführen. Wir sehen doch wie Gewalttourismus am 1. Mai sinnvolle politische Demonstrationen unterwandert und die Polizei in Anspruch nimmt. Wir haben doch sehr deutlich dokumentieren können, dass es Auseinandersetzungen am Spieltag im Stadtgebiet gibt, die auf politische Gegensätze zurückzuführen sind und mit Fußball nichts zu tun haben außer die Bühne zu nutzen. Das zeigt doch deutlich, dass wir nur gemeinsam und mit großem Einsatz für Prävention die Einsatzzeiten der Polizisten, die einen sehr schwierigen Job machen, verringern können. Wenn wir die Kostenfrage für Polizeieinsätze endlich geklärt, haben wir noch keinen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wir verschenken wertvolle Zeit.“ 

Was der Prozess bisher gebracht hat: „Seit drei Jahren sehen wir uns regelmäßig bei Anhörungen, Gerichtsterminen, innerparteilichen Abstimmungsrunden. Erreicht wurde für Bremen nichts außer jetzt anfallende Gerichts- und Anwaltskosten sowie Ausgaben für Gutachten. Man darf doch die Richtigkeit der Strategie bezweifeln. Ich bin sehr gespannt, ob die parlamentarische Mehrheit, die die Einführung des Gesetzes im Jahr 2014 ermöglicht hat, überhaupt noch Bestand hat. Die Oppositionsparteien lehnen den Weg komplett ab. Die Grünen haben damals aus Koalitionsgründen zugestimmt, ohne überzeugt zu sein. Und in meiner Partei, der SPD, die alles federführend vorangetrieben hat, beobachte ich schon, dass relevante Persönlichkeiten mit dieser Entwicklung alles andere als glücklich sind. Und ich werde auch weiterhin innerparteilich für einen Kurswechsel kämpfen. Ich werde mein Parteibuch nicht abgeben, sondern in dieser Frage unbequem bleiben.“ 

Über das Miteinander mit der Stadt: „Soweit wir in der Frage der Polizeikosten auseinanderliegen, so deutlich muss man sagen, dass sich das Verhältnis zur Stadt nicht nur über diesen Streit definiert. Die Verbindung Werder und Bremen ist viel mehr. Wir arbeiten in zahlreichen Projekten vertrauensvoll zusammen, unterstützen uns gegenseitig. Hier haben wir in den vergangenen beiden Jahren einige Schritte wieder aufeinander zu gemacht. Vielleicht ist es aber auch das Wissen um das konstruktive Miteinander, weshalb wir uns als Werder Bremen in der Frage der Polizeikosten so engagiert in die Argumentation einmischen. Wir sind einfach überzeugt, dass es einen gemeinsamen Weg, einen besseren Weg gibt. Werder und die Bundesliga sind für die Stadt Bremen kein Zuschuss-Geschäft. Ganz im Gegenteil. Dafür werden wir zeitnah aktuelle Zahlen vorlegen.“ 

 
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