Gisdol: „Wir haben uns vom ‚Ihr müsst’ freigemacht“

Anschwitzen – der Hamburger SV vor dem 106. Nordderby

Zlatko Junuzovic und Gotoku Sakai werden ihre Teams zum 106. Nordderby als Kapitäne auf den Rasen führe (Foto: Nordphoto).
Profis
Samstag, 15.04.2017 / 19:00 Uhr

von Maximilian Hendel

Welches stets schnelllebige und in diesem Zuge auch mitunter vergessliche Gegenwartsereignis die Fußball-Bundesliga sein kann, daran hat Werders Cheftrainer Alexander Nouri erst am Donnerstag wieder erinnert. „Gefühlt ist das Hinspiel schon Jahre her“, schmunzelte der 37-Jährige auf der Pressekonferenz der Grün-Weißen vor dem Rückrundenwiedersehen mit dem großen Nordrivalen Hamburger SV am morgigen Ostersonntag, 16.04.2017, um 15.30 Uhr im Bremer Weser-Stadion. Doch gerade die sportlich durchaus beeindruckende jüngste Vergangenheit der Kontrahenten gab den Verantwortlichen beider Klubs in diesen Tagen wiederholt den Anlass, die kurze Zeit seit letztem Herbst Revue passieren zu lassen.

Insgesamt acht Zähler hatte beispielsweise der SVW nach dem 2:2-Unentschieden Ende November 2016 erst zusammengebracht, allerdings noch einmal vier Punkte schlechter, bis dato sogar komplett ohne Saisonsieg und folgerichtig auf dem letzten Tabellenplatz standen damals die Hamburger da. „Ich war ja selbst hier im Studio bei Herrn Delling und das Urteil war einhellig“, erinnerte sich Heribert Bruchhagen unlängst im NDR Sportclub, „wir waren äußerst skeptisch, was die Zukunft des HSV anging.“

HSV-Fans und Mannschaft bilden wieder eine Einheit

Nur weder ließ sich beim angesprochenen vormaligen Auftritt des 68-Jährigen an Ort und Stelle im Oktober letzten Jahres erahnen, dass die ‚Rothosen’ von kurz vor der Winterpause an seit Dezember eine famose Aufholjagd von ganz unten starten würden und noch weniger, dass ungefähr zu gleicher Zeit der eigentliche Ruheständler Bruchhagen als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der HSV Fußball AG übernimmt. Aber was ist schon vorhersehbar im Profisport? „Umso schöner ist es, dass wir den Turnaround geschafft und unsere äußerst prekäre Ausgangssituation klar verbessert haben“, meinte Bruchhagen erleichtert über aktuell 33 Punkte und Rang 13. Mit Hilfe von immer sichtbarer gewordenen Entwicklungsschritten befreite sich das letzte durchgängig in der Liga vertretene Gründungsmitglied unter dem Ende September 2016 installierten neuen Cheftrainer Markus Gisdol aus seiner zwischenzeitlich demoralisierenden sportlichen Situation. Selbst anfängliche Durststrecken genauso wie der ein oder andere teils brachiale Rückschlag im neuen Jahr warfen das Team nicht aus der neugewonnen Spur. Auch unter Gisdol musste man zunächst über zwei Monate auf den ersten Saisonsieg warten (2:0 in Darmstadt am 4. Dezember). Zudem galt es, den gänzlich misslungenen Rückrundenstart mit Niederlagen gegen die direkte Konkurrenz aus Wolfsburg und Ingolstadt sowie wenige Wochen später das desolate 0:8 in München wegzustecken.

„Wir haben uns von den sogenannten ‚Endspielen’ und dem ‚Ihr müsst’ freigemacht und sind stattdessen unseren Weg gegangen“, umschrieb der Fußballlehrer. Nichtsdestotrotz benötigte es einer „Initialzündung“, wie Gisdol auf der gestrigen Spieltagspressekonferenz nachträglich vergegenwärtigte. Jenen Schlüsselmoment fand er in der zwar überaus deutlichen 2:5-Heimniederlage gegen Borussia Dortmund von Anfang November 2016, doch „da hat man gespürt, dass wieder etwas entstehen kann“, versicherte der 48-Jährige. Nach zuvor sieben Punktspielen ohne eigenen erzielten Treffer hatte der HSV damals allen voran im zweiten Durchgang zarte Reanimationszeichen gezeigt. „Die Fans haben ein gutes Gespür dafür, ob die Mannschaft alles gegeben hat – und diese hat es verstanden, die Fans in jedem Spiel abzuholen“, lobte Gisdol nunmehr und beschwor: „Durch diesen sehr schwierigen Weg, vielleicht den schwierigsten Weg überhaupt, ist eine tolle Verbindung mit ihnen entstanden, die uns Kraft und Sicherheit gibt. Wenn du das Gefühl hast, da stehen tausende Leute hinter dir, auch wenn du mal einen Fehler machst, dann ist das unglaublich.“

Großartige Heimstärke als Faustpfand im Abstiegskampf

Vor allem im heimischen Volksparkstadion verhalf diese geknüpfte Einheit zwischen Spielern und Anhängern zu einer bemerkenswerten Serie. Seit der von Markus Gisdol hervorgehobenen Dortmund-Partie ist der HSV zuhause (bis auf das DFB-Pokalviertelfinale gegen Gladbach) nicht mehr zu bezwingen gewesen. Aus neun Bundesligaheimspielen holte man sieben Siege und zwei Remis. Zuletzt biss sich Champions-League-Aspirant 1899 Hoffenheim aufgrund eines Doppelpacks des glänzend aufgelegten Aaron Hunt die Zähne an den Hamburgern aus (2:1-Endstand). Ein echtes Pfand im Abstiegskampf. Allerdings, und das wird vor allem auch den Bremern nicht entgangen sein, ringen die Elbstädter auf fremden Plätzen um Konstanz. Aus 14 Spielen blieben lediglich neun Punkte übrig. Dieser Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsertrag „ist bei uns in dieser Saison besonders eklatant“, weiß auch Heribert Bruchhagen und mahnte: „Wir kommen nicht umhin, auch auswärts Punkte holen zu müssen.“

Jedoch werden den Gästen für diese Aufgabe im Weser-Stadion einige potentielle Stammkräfte fehlen. Zu Torwart René Adler (Rippenbruch), Mittelfeldspieler Albin Ekdal (Muskelbündelriss) und Offensivakteur Nicolai Müller (Innenbandriss) gesellt sich noch Innenverteidiger Kyriakos Papadopoulos, der eine Gelbsperre absitzen muss. Immerhin deutet alles auf die Rückkehr von Gideon Jung nach überstandenen Muskelproblemen hin, er würde den frei gewordenen Platz von Papadopoulos einnehmen. Sehr unsicher ist das Mitwirken des torgefährlichsten HSV-Angreifers Bobby Wood (Fünf Saisontreffer). Aufgrund von Kniebeschwerden im Verlauf der Trainingswoche fehlte der US-Nationalspieler auch bei der heutigen Abschlusseinheit, wurde einstweilen aber trotzdem in den Kader berufen. Michael Gregoritsch, Doppeltorschütze des Hinspiels, Pierre-Michael Lasogga oder Luca Waldschmidt stünden bereit, informierte Markus Gisdol noch und ließ die Pressekonferenz kurz darauf mit einem Schlusswort ausklingen, das den Kern dieses Nordderbys kaum besser einrahmen könnte: „Es treffen zwei tolle Klubs aufeinander, die bisher eine phantastische Rückrunde gespielt haben. Ich werde jede Kampfansage oder ähnliches vermeiden“, denn es gehe „nach wie vor um die schönste Nebensache der Welt.“

 

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