Die Seiltänzer suchen ihre Balance

Anschwitzen - Bayer 04 vor dem Gastspiel des SVW

Szene aus dem Hinspiel: Bayers Ömer Toprak im Duell mit Ousman Manneh (Foto: nordphoto).
Profis
Freitag, 10.03.2017 / 08:00 Uhr

von Maximilian Hendel

Die unmissverständlichsten Worte richtete Rudi Völler zu Beginn der aktuellen Leverkusener Trainingswoche an die Mannschaft von Bayer 04. Als eine außerordentlich einberufene Montagspressekonferenz schon so gut wie beendet schien, war der Sportdirektor noch auf seine Profis angesprochen worden. „Wir haben allen das Alibi genommen, das werden wir ihnen auch noch mal eindringlich sagen. Jetzt zählt’s“, appellierte der 56-Jährige angesichts der tags zuvor vollzogenen Trennung von ihrem bisherigen Cheftrainer. Beim am heutigen Freitag, 10.03.2017, um 20.30 Uhr in der BayArena stattfindenden Auftaktspiel des 24. Spieltages gegen Werder Bremen werden die Gastgeber nun erstmals seit Sommer 2014 ohne die Anleitung von Roger Schmidt auskommen.

Auf diesen Anlass, noch dazu inmitten der Rückrunde, hätten die Verantwortlichen des augenblicklichen Tabellenzehnten nur allzu gern verzichtet. „Mir ist das sehr schwer gefallen, weil ich bis vor einigen Tagen fest daran geglaubt habe, dass wir das zumindest bis zum Ende der Saison hinbekommen“, betonte Völler. Nicht nur weil Bayer 04 unter Schmidt drei Mal in Serie mindestens in die Hauptrunde der Champions League einziehen konnte, sondern in den währenddessen vielen guten Phasen durch einen riskant-spektakulären Vorwärtsverteidigungsfußball die Konkurrenten immer wieder einzuschüchtern wusste.

Tayfun Korkut beerbt Roger Schmidt

Große Wehmut angesichts jener zwar mitunter auch konfliktreichen-, doch einige Zeit vor allem fußballerisch überaus ertragreichen Partnerschaft zwischen Klub und dem Fußballlehrer ließ der auf Hochtouren laufende Ligabetrieb jedoch nicht zu. Rechts neben Rudi Völler saß bereits Bayers kurzfristige Zukunft: Tayfun Korkut, der einen bis Saisonende gültigen Kontrakt besitzt, versprühte naheliegend einigen Optimismus und positive Erwartungen gegenüber seiner Jobchance bei einem Spitzenklub: „Vor allem freue ich mich, mit so einer hochtalentierten Mannschaft arbeiten zu können, in der sehr, sehr viel Potenzial steckt.“ Erst im letzten Dezember gab er nach kaum einem halben Jahr auf eigenen Wunsch das Amt bei Zweitligist 1. FC Kaiserslautern ab, davor war der langjährige türkische Nationalspieler bis April 2015 knapp 16 Monate Trainer beim damaligen Bundesligisten Hannover 96.

Korkut soll in den restlichen elf Punktspielen das „Minimalziel“ (Geschäftsführer Michael Schade) Europa-League-Qualifikation aus der zuletzt sichtbar verunsicherten Mannschaft kitzeln. Die spanische Tageszeitung El País etwa beschrieb die gegenwärtige Leverkusener Spielanlage, als würden „Seiltänzer ohne Netz“ agieren. Dieses vor der ersten Achtelfinal-Partie der Champions League im Februar getroffene kritische Urteil wurde durch Diego Simeones Team von Atlético Madrid anschließend auf denkbar schmerzhafteste Weise veranschaulicht, indem es eine heillos ins Verderben rennende Bayer-Elf für deren Hochrisiko-Naivität mit vier Gegentoren bestrafte. Direkt im Anschluss verursachte nicht zuletzt die apathische und orientierungslose erste Halbzeit beim 0:2 daheim gegen Mainz veritablen Unmut bei den Fans, ehe es letztes Wochenende noch ein deftiges 2:6 in Dortmund obendrauf setzte. Allerdings dürfte selbst diese Negativspirale wenig daran ändern, dass die Grün-Weißen heute Abend einer „phantastischen Mannschaft“ gegenüberstehen, „die über unheimlich viel individuelle Qualität verfügt.“ Darauf verwies Werders Cheftrainer Alexander Nouri am Mittwoch noch einmal.

Minimalziel wackelt: „Müssen uns gegenseitig besser absichern“

„Ich habe eine Mannschaft vorgefunden, die sehr, sehr bereit ist, willig und neugierig“, resümierte Korkut am gestrigen Donnerstag hoffnungsfroh über die bislang gewonnenen Eindrücke aus der gegenseitigen Kennenlernwoche. Seine Ansätze fokussiert er auf „einige Kleinigkeiten, einen Ticken anderes Training, neue Abläufe und Ansprache.“ Insbesondere bedarf es dabei der augenscheinlichen Harmonisierung zwischen dem Offensiv- und jüngst mächtig in Schieflage geratenen Defensivverhalten. Womöglich findet gerade Bayers jetziger Cheftrainer trotz der Kürze der Zeit die notwendigen „zwei, drei Anker, um eine bessere Balance zu bekommen, die in den letzten Wochen gefehlt hat.“ Mit lediglich 15 Gegentoren bis zur Winterpause besaß der FCK unter Korkut die zweitbeste Abwehr der 2. Bundesliga. „Wir wollen nicht, dass sie ihre guten Angewohnheiten der letzten Jahre verliert“, versicherte der 42-Jährige, aber „wir müssen ein besseres Raumgefühl entwickeln und uns gegenseitig besser absichern.“

Dieser anvisierte Lösungsweg soll möglichst schon gegen Werder die erhofften Effekte nach sich ziehen, denn der Anspruch am Rhein bleibt unverändert hoch – um die weiß selbstverständlich auch Tayfun Korkut: „Wir leben alle von den Ergebnissen. Der Verein hat seine Ziele und die müssen erreicht werden.“ Inwieweit er die Aufstellung zu diesem Zweck eventuell auch personell anpasst, bleibt eines der „Fragezeichen“, von denen Alexander Nouri im Vorfeld sprach. Um die in den Vorwochen doch arg gebeutelte Viererkette zu unterstützen, spekulierte kicker online beispielsweise mit einer etwas defensiver ausgerichteten Doppel-Sechs aus dem unter Schmidt nie wirklich zum Zug gekommenen Julian Baumgartlinger und Lars Bender. Dafür müsste allerdings der angeschlagene Knöchel von Kapitän Bender mitmachen. Ansonsten wäre der um seine Form ringende Charles Aránguiz die Option. Sichere Ausfälle bleiben Hakan Calhanoglu (FIFA-Sperre) sowie Verteidiger Jonathan Tah (Aufbau nach Muskelfaserriss). Trotzdem, wie Bayers ehemaliger Kapitän Simon Rolfes dieser Tage im Kölner Stadtanzeiger unterstrich, ist „dieser Kader viel besser als der zehnte Platz, den er im Moment belegt.“

 
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