Die Karriere nach der Karriere

Vom Spielfeld an den Schreibtisch: Frank Baumann ist beim SV Werder inzwischen Direktor Profifußball und Scouting.
Profis
Dienstag, 28.01.2014 / 10:17 Uhr

Mehr als viereinhalb Jahre sind mittlerweile seit seinem letzten Pflichtspiel für die Grün-Weißen vergangen. Es war ein perfekter Abschied: Der langjährige Kapitän reckte am 30. Mai 2009 nach dem 1:0-Finalsieg gegen Bayer Leverkusen den DFB-Pokal in den Berliner Abendhimmel. Es folgte eine etwa siebenmonatige Auszeit, ehe Frank Baumann am 1. Januar 2010 seinen Job als Assistent des damaligen Geschäftsführers Klaus Allofs antrat. „Nach dem Pokalsieg wollte ich alles erst mal einige Wochen verarbeiten und sacken lassen. Dann gab es einen langen Urlaub mit meiner Familie, der zuvor nicht möglich gewesen war, weil sich Schulferien und Spielplan nie vertragen haben. Anschließend folgte ein Praktikum bei meinem Berater in der Schweiz. Und ich habe die Unterlagen meines Fernstudiums zum Sportfachwirt noch einmal herausgeholt, das ich zwei Jahre zuvor begonnen hatte",
erinnert sich Werders Ehrenspielführer, der während seiner Auszeit auch erste Aufgaben im Club übernommen und unter anderem das damalige Wintertrainingslager in Dubai mit vorbereitet hatte. Zudem erwarb er die B-Trainer-Lizenz. „Ich wollte von Beginn an möglichst breit aufgestellt sein", nennt Baumann ein wichtiges Ziel für seine ‚Karriere nach der Karriere‘, das er auch heute noch verfolgt.

Ehrgeizig, kommunikativ, mit klarer Linie und ohne sich in den Vordergrund zu drängen - so wie Frank Baumann einst auf dem Fußballplatz glänzte, versieht er beim SV Werder seit dem Ende seiner Spieler-Laufbahn auch die Arbeit ‚hinter den Kulissen‘.

Vom ersten Arbeitstag an gestaltete sich sein Aufgabengebiet vielfältig. Ein wichtiges Augenmerk galt schon damals der Stärkung der Verbindung zwischen der Profi-Mannschaft und dem Leistungszentrum sowie der Scouting-Abteilung. Zudem übernahm Frank Baumann organisatorische Aufgaben rund um das Bundesliga-Team, erhielt einen intensiven Einblick in die Arbeitsbereiche von Klaus Allofs, war Werders Hauptansprechpartner (Main Contact) für die UEFA bei internationalen Spielen, Vertreter bei der ECA (European Club Association) und konnte so „aus erster Hand jede Menge lernen". Kein Wunder, dass nach Allofs‘ Weggang im Herbst 2012 in den Medien über Baumann als Nachfolger auf dem Geschäftsführer-Posten spekuliert wurde. Der Ex-Nationalspieler positionierte sich aber schnell sehr klar und betonte, dass er diesen Job nicht anstrebt. „Eine interessante Aufgabe und eine spannende Herausforderung - keine Frage", sagt Baumann heute. „Aber ich empfinde es als Luxus, nicht unbedingt den höchsten Posten anstreben und Karriere machen zu müssen. Aufgrund meiner Lebensplanung ist es damals nicht dazu gekommen, und ich werde auch in Zukunft einen solchen Posten nicht übernehmen." Dennoch sei es ihm wichtig, sich „in bestimmten Bereichen zu verwirklichen, zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und einen gewissen Einfluss zu haben."

Und so steht Baumann nun zwar nicht in vorderster Reihe, wurde aber Ende November 2012 zum Direktor Profifußball und Scouting befördert. Sein Aufgabengebiet umfasst dabei im Wesentlichen zwei Bereiche: die Leitung der Abteilung Scouting und die Verantwortung für die U 23, die seit einiger Zeit nicht mehr dem Leistungszentrum angeschlossen, sondern Thomas Eichin als Geschäftsführer Sport unterstellt ist. „Ganz grob kann man sagen: Alles, was er bei den Profis macht, mache ich bei der U 23", erklärt Baumann die Arbeitsteilung mit seinem Chef. Das heißt: Der 38-Jährige kümmert sich um Verträge mit Spielern und Trainern, die sportliche Ausrichtung der U 23 - ist sozusagen ihr Sportdirektor. „Immer in enger Abstimmung mit Thomas. Wir sind in einem täglichen Austausch, sowohl über unsere Mannschaften als auch über externe Spieler", betont ‚Baumi‘. „Denn die Verknüpfung der beiden Teams und der Dialog sind für uns von enormer Bedeutung und sollen in Zukunft weiter gestärkt werden."

Ausdruck der noch engeren Verbindung waren auch die diesjährigen Wintertrainingslager in Spanien, die die Teams nur 30 Autominuten voneinander entfernt absolvierten. Baumann war an der Auswahl der Orte entscheidend beteiligt, besichtigte im Vorfeld Hotels und Trainingsplätze und beurteilte die Bedingungen in Jerez de la Frontera und Chiclana danach als „sehr gut".

Die Trainingslager selbst nutzte er nun zum intensiven Kontakt mit beiden Werder-Teams: „Ich konnte die Spieler mal über einen längeren Zeitraum hautnah erleben, das Training beobachten. Es ist immer interessant, wie sich eine Mannschaft und auch einzelne Spieler in einem so wichtigen Zeitraum wie der Vorbereitung verhalten und entwickeln, auf bestimmte Situationen reagieren."

In Bremen sind Trainingsbesuche aufgrund der Vielzahl seiner Aufgaben für Frank Baumann nicht die Regel. Dort beginnt der Arbeitstag im Büro im Weser-Stadion meist spätestens um 8.30 Uhr. Viele Meetings bestimmen den Alltag des Ex-Profis. „Vor allem die Koordination des Scoutings erfordert zahlreiche und regelmäßige Gespräche", erklärt Baumann. „Es geht darum: Wo, wann und wen ‚scouten‘ wir? Dafür tausche ich mich mit unseren Scouts aus, sichte Angebote von Beratern, sammele und kategorisiere Informationen - am Telefon und im persönlichen Dialog." Anschließend wird entschieden, welche Spieler live und direkt vor Ort beobachtet werden. „Wir beraten immer im Team, was wichtig ist, welche Prioritäten wir setzen, wo kurzfristig, mittelfristig und langfristig Bedarf besteht", verrät Baumann und erklärt die Komplexität dieser Arbeit: „Wir planen die Zusammenstellung der Mannschaften immer über die nächsten Jahre." Ist das Interesse an einem Spieler bereits konkreter, sollen schon erste Gespräche geführt werden, dann begibt sich Frank Baumann auch schon mal selbst auf Beobachtungstour.

Wichtig ist dabei vor allem ein großes Netzwerk mit guten Kontakten, um zu spüren, welche Möglichkeiten es gibt, Spieler zum SV Werder zu holen. Um zu wissen: Wo laufen Verträge aus? Wo sind Spieler unzufrieden und wollen den Verein wechseln? Die Scouting-Mitarbeiter der Grün-Weißen, die viel in den Stadien unterwegs sind, regelmäßig Trainer und Berater treffen, sind ein wichtiger Teil dieses Netzwerks. „Informationen sind das A & O", betont Baumann, der in seinem jetzigen Job von den vielen Kontakten profitiert, die er bereits als aktiver Fußballer knüpfte - mit ehemaligen Mitspielern, mit Trainern, mit Verantwortlichen der Clubs. „Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass sich das notwendige Netzwerk enorm schnell aufbaut, wenn man bei einem Verein in entsprechender Position arbeitet", erzählt Baumann. „Und man lernt auch sehr schnell einzuschätzen, was interessant und wer seriös ist."

Nicht nur die vielen Kontakte aus mittlerweile gut 20 Jahren Fußballgeschäft zahlen sich für den zweifachen Familienvater heute aus, auch die Erfahrungen als langjähriger Kapitän des grün-weißen Bundesliga-Teams, die Erfahrungen im Führen von Mitspielern. „Gewisse Grundprinzipien, die mir früher als Kapitän schon wichtig waren, versuche ich auch jetzt beim Führen meiner Mitarbeiter zu beherzigen", so Baumann. „Ich will sie für die Arbeit begeistern, sie von dem, was wir vorhaben, überzeugen und vor allem vorleben, was ich von ihnen erwarte, und ihnen Wertschätzung für das Geleistete entgegenbringen." Ein guter Teamgeist sei dabei - genau wie früher - unerlässlich, betont er. Und die Verantwortung ist heute wesentlich größer als früher als Mannschaftskapitän.

Keine Frage: Frank Baumann hat den Übergang vom aktiven Fußball-Profi zum ‚Leben danach‘ auf beeindruckende Weise geschafft. Man merkt ihm an, dass der derzeitige Job zum jetzigen Zeitpunkt genau der richtige ist. Sein Tipp für alle, die ihm nachfolgen: „Man sollte sich bereits als aktiver Fußballer mit der Zeit nach der Karriere auseinandersetzen, offen sein für Neues, man muss neugierig sein, viele Fragen stellen. Das war bei mir der Fall. Und mir war auch bewusst, dass die Aufgaben zeitlich noch intensiver werden als während der Fußballer-Zeit."

Bei aller Leidenschaft und Begeisterung für die derzeitige Arbeit - wie lange Frank Baumann diesen Posten bekleiden wird, will er nicht prognostizieren. Denn: „Ich kann mir sehr wohl vorstellen, zukünftig auch noch einmal eine ganz andere Aufgabe zu übernehmen, da ich es noch immer spannend finde, Neues kennenzulernen." Die Trainer-A-Lizenz zu erwerben und seinen Sohn Moritz ein Jahr lang zu trainieren, um Erfahrungen als Jugendcoach zu sammeln, könnte eine reizvolle Aufgabe sein. „Und selbst wenn mir das nicht so gut gefallen sollte: Auch als Sportdirektor oder Manager, egal, ob im Profi- oder im Nachwuchsbereich, kann man von Erfahrungen als Trainer profitieren", weiß ‚Baumi‘. „Schließlich hat man in verantwortlicher Position einen großen Einfluss auf die Spielidee eines Teams und kann Arbeit und Gedanken des jeweiligen Trainers mit eigenen Erfahrungen in diesem Bereich noch besser verstehen."

Von Martin Lange

 

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