Willi Lemke und Hess-Grunewald: ''Kontinuität und Stabilität wahren''

Seit 13 Jahren im Aufsichtsrat des SVW: Der Vorsitzende Willi Lemke und sein Stellvertreter Dr. Hubertus Hess-Grunewald.
Profis
Sonntag, 04.11.2012 / 12:00 Uhr

Die Wahl des Aufsichtsrats ist wichtiger Tagesordnungspunkt der diesjährigen Mitgliederversammlung des Sport-Verein ‚Werder' von 1899 e. V, am Montag, 05.11.2012. Willi Lemke, derzeit Vorsitzender des Gremiums, und sein Stellvertreter Dr. Hubertus Hess-Grunewald erklären im aktuellen WERDER MAGAZIN die Arbeit des Aufsichtsrats.

Wie lautet Ihr Fazit der zurückliegenden Amtsperiode?

Willi Lemke: Wenn man von den sportlichen Schwierigkeiten der vergangenen beiden Jahren absieht, befindet sich der SV Werder insgesamt in einer erfreulichen Situation. Unser Ansehen hat sich weiter positiv entwickelt - nicht nur in Bremen und umzu, sondern weltweit. Zudem haben wir die schwierige Finanzlage im vergangenen Jahr gemeinsam prima gemeistert. Auch wenn es für einige vielleicht nicht auf Anhieb nachzuvollziehen ist: Die Entwicklung des SV Werder verläuft insgesamt positiv.

Dr. Hubertus Hess-Grunewald: Die Aufgaben, die wir uns vor vier Jahren vorgenommen haben, haben wir zu 100 Prozent erfüllt. Wir sind mit dem Ziel angetreten, die Geschäftsführung zu verjüngen und sie zahlenmäßig zu reduzieren. Nach dem Ausscheiden von Jürgen Born und Manfred Müller, intensiven Beratungen und mehreren Kandidatenvorstellungen haben wir die Entscheidung getroffen, Klaus Filbry einzustellen. Wir haben heute drei Geschäftsführer, die mit langfristigen Verträgen bis 2015 an Werder gebunden sind. Das garantiert uns Kontinuität und Stabilität.

"Das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen"

Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung praktisch dar?

Hess-Grunewald: Die Arbeit reduziert sich nicht auf vier Aufsichtsratssitzungen im Jahr - im Gegenteil: Wir sprechen sehr viel miteinander, auch zwischen diesen Sitzungen. Willi stellt als Vorsitzender ganz hervorragend die Kommunikation im Aufsichtsrat sicher. Es ist ihm sehr wichtig, dass alle sechs Aufsichtsratsmitglieder immer denselben Informationsstand haben und niemand von aktuellen Entwicklungen überrascht werden kann.

Kontrolle und Beratung sind die Aufgaben eines Aufsichtsrats. Wie nehmen Sie diese wahr?

Lemke: Ich verwende beide Begriffe nicht so gerne. Wir begleiten die Geschäftsführung als Partner, um bei Bedarf Dinge noch einmal von einer anderen Seite zu betrachten. Die Einhaltung des gemeinsam festgelegten Budgets ist eine unserer Kernaufgaben. Wir arbeiten sehr eng mit der Geschäftsführung zusammen. Und in all den Jahren unserer Tätigkeit gab es nur eine oder zwei Entscheidungen, die nicht einstimmig waren. Ansonsten treffen wir die Entscheidungen stets einvernehmlich. Wir bemühen uns immer wieder, so lange zu diskutieren, bis wir sagen können: Das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen.

Hess-Grunewald: Es ist immer wieder ein Balanceakt. Kontrolle heißt stets auch etwas Distanz. Beratung hat dagegen etwas mit Nähe zu tun. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld. Man muss sich gegenseitig Vertrauen und Respekt entgegenbringen. Und man muss sich auch in schwierigen Situationen einigen. Es dürfen keine ‚faulen' Kompromisse sein. Sondern wir müssen Entscheidungen zum Wohle des SV Werder treffen und dann auch umsetzen. Diese Entscheidungen müssen von allen getragen werden, sonst funktioniert es nicht.

"Sich total mit Werder identifizieren"

Welche Kompetenzen sollten grundsätzlich im Aufsichtsrat eines Fußball-Bundesligisten zusammenkommen?

Lemke: Uns ist es wichtig, verschiedene Charaktere zu haben. Das Gremium darf nicht zu groß sein. Und es müssen Personen sein, die sich mit Werder total identifizieren, sonst würden wir die viele Arbeit gar nicht leisten können. Man muss Erfahrung haben, kooperativ sein, partnerschaftlich denken können. Und natürlich ist wirtschaftlicher Sachverstand unverzichtbar.

Niels Stolberg ist während der zurückliegenden Amtsperiode ausgeschieden. Was bedeutete das für den Aufsichtsrat?

Hess-Grunewald: Es war ein großer Verlust - zum einen menschlich und auch weil er sich sehr stark eingebracht hat. Wenn er als Bremer Unternehmer in der Öffentlichkeit stand, war es immer auch gut für Werder. Wir haben diesen Verlust sehr bedauert. Aber es war leider unvermeidlich. Mit Axel Plaat ist der Schatzmeister des Vereins nachgerückt und damit ein ausgewiesener Finanzfachmann. Das war sehr wichtig.

Lemke: Wir haben Niels Stolberg als riesigen Werder-Fan kennen gelernt, als erfolgreichen Geschäftsmann und als Mann mit großem Herz für jegliche Anliegen, gerade wenn es um Sport ging. Er war ein großartiger Sponsor. Wir haben seinen Rat immer sehr geschätzt. Daher war die spätere Entwicklung ein Schock für uns. Er hat nie nein gesagt, wenn es darum ging zu helfen. Das wird manchmal etwas vergessen, wenn man heute über ihn spricht.

Werder hat das Ziel, sich auch international noch besser zu positionieren. Wurde der Club durch die fehlende Präsenz im internationalen Wettbewerb in diesem Bestreben zurückgeworfen?

Lemke: Es war sicherlich nicht förderlich. Aber wir haben durch unsere jahrzehntelangen Erfolge eine unglaublich positive Resonanz in der ganzen Welt. Wenn man sagt, dass man aus Bremen kommt, verbinden die Leute das überall sofort mit Werder. Wir haben ein tadelloses Ansehen weltweit. Und das verliert man nicht in zwei, drei Jahren. Der Geschäftsführung ist bewusst, dass wir uns international noch besser aufstellen müssen. Dabei sind wir sind auf einem guten Weg. Aber man darf die internationale Vermarktung nicht nur aus Sicht von Werder Bremen sehen, sondern aus Sicht der Bundesliga im Gesamten.

Was meinen Sie damit genau?

Lemke: Im Vergleich zu anderen europäischen Ligen - wie Spanien oder England - sind wir noch nicht optimal aufgestellt. Die DFL tut schon einiges und unterstützt die Vereine bei Engagements im Ausland. Aber wir müssen noch mehr tun. Der chinesische Markt ist zum Beispiel unglaublich interessant für deutsche Unternehmen. Die Liga muss eine führende Rolle bei der Erschließung ausländischer Märkte übernehmen, um unser Super-Produkt ‚Fußball-Bundesliga' noch besser zu platzieren.

"Die Rahmenbedingungen sind exzellent"

Es wurde schon im Vorfeld der Mitgliederversammlung über das Minus in der Kasse des SV Werder gesprochen. Wie schwer wiegt es?

Hess-Grunewald: Wir werden die Zahlen, die kursieren, nicht im Vorfeld kommentieren. Das genaue Ergebnis wird bei der Mitgliederversammlung bekannt gegeben. Dass es ein Minus geben wird, ist ja schon öffentlich geworden. Aber so absurd es sich anhört: Die Höhe dieses Minus ist ein Erfolg. Denn als sich die schwächere sportliche Entwicklung Ende 2010, Anfang 2011 andeutete, wir uns in der Bundesliga im Abstiegskampf befanden, in der Champions League ausgeschieden waren und abzusehen war, dass wir in der darauf folgenden Saison nicht international spielen würden, da haben Geschäftsführung und Aufsichtsrat die Weichen für die Zukunft gestellt. Um ein Defizit, dass sonst vielleicht um ein Vielfaches höher ausgefallen wäre, zu verhindern. Damals wurde die Entscheidung getroffen, den Kader umzubauen. Und was wir jetzt in der Bilanz ausweisen, ist bereits das erste positive Ergebnis einer enormen Anstrengung. Das laufende Geschäftsjahr wird dann noch besser. Wir haben es geschafft, dass es aus der Talsohle wieder bergauf geht und sind froh, dass wir nun dieses Ergebnis ausweisen können. Es war ein hartes Jahr.

Worin sehen Sie die wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats in den kommenden Jahren?

Lemke: Kontinuierlich am Erfolg weiterzuarbeiten, sich niemals auszuruhen und die neuen Aufgaben partnerschaftlich mit allen anzupacken. Um die positive Arbeit der vergangenen Jahrzehnte zum Wohle des SV Werder und auch unserer Hansestadt Bremen weiterzuführen. Einstimmig in Geschäftsführung und Aufsichtsrat die richtigen Wege einzuschlagen, war im zurückliegenden Jahr nicht immer ganz einfach. Aber wir haben es geschafft. Weiterhin diesen Zusammenhalt zu erhalten, das ist für uns ein ganz wichtiges Ziel.

Hess-Grunewald: Die Verträge der Geschäftsführer werden in der nächsten Amtszeit auslaufen. Hier müssen rechtzeitig die Weichen gestellt werden, damit die Kontinuität gewahrt bleibt. Ansonsten gilt es, das gute Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung weiter zu pflegen. Denn das kommt nicht von alleine, sondern muss immer wieder neu erarbeitet werden.

"Wir müssen alle ein Werder-Herz haben"

Lemke: Unser aller Ziel ist es, sportlich wieder an die erfolgreichen Jahre anzuknüpfen. Wir haben einen hervorragenden Trainer, um den uns viele Clubs beneiden. Das Umfeld ist kaum zu toppen. Die Rahmenbedingungen für erfolgreichen Fußball sind exzellent. Jetzt hoffen wir, dass sich das auch auf dem Rasen wieder niederschlägt. Uns ist es aber auch wichtig, den Fans zu sagen: Der Aufsichtsrat hat Geduld. Die Mannschaft muss sich finden und braucht Zeit. Wenn mal ein Spiel verloren geht, darf man nicht gleich unruhig werden. Es war immer unsere Stärke, auch in nicht so guten Zeiten zusammenzustehen. Und es hat sich immer ausgezahlt. 

Der SV Werder Bremen muss die Wandlung von klassischen Vereinsstrukturen zu einem mittelständischen Unternehmen bewältigen. Sind Sie zufrieden mit dem bisher Geleisteten?

Hess-Grunewald: Mit Klaus Filbry haben wir seit 2010 einen Geschäftsführer, der aus einem international renommierten Unternehmen kam, dazu gute Kenntnisse im Fußball hat. Uns war klar, dass wir uns diese neuen Impulse von außen holen müssen. Klaus Filbry hat sich Werder angesehen und dem Aufsichtsrat berichtet, was bei uns alles noch nicht funktioniert im Vergleich zu anderen mittelständischen Unternehmen - zum Beispiel in der Personalentwicklung oder wenn es um Führungsstrukturen geht. Wir sind nun seit einiger Zeit dabei, uns noch professioneller aufzustellen.

Dennoch bleibt Werder Bremen in allen Bereichen immer ein besonderes Unternehmen...

Hess-Grunewald: Alle können die Arbeit hier nur mit Herzblut machen. Das gilt auch für den Aufsichtsrat. Wir können uns nicht einfach einen Top-Manager in unser Gremium holen, der nur seinen Job macht. Wir müssen ein Werder-Herz haben, mitfiebern, aber gleichzeitig auch immer kühlen Kopf bewahren. Es gilt, sich im Erfolg zurückzunehmen. Der Aufsichtsrat gehört nicht auf den Balkon, um sich nach einem Titelgewinn feiern zu lassen. Das gebührt den Spielern und der sportlichen Leitung. Natürlich haben wir auch unseren Anteil. Der bleibt allerdings mehr im Verborgenen. 

Der Aufsichtsrat begleitet die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft, wird aber von der Mitgliederversammlung des Sport-Verein ‚Werder' gewählt. Warum?

Hess-Grunewald: Die Kapitalgesellschaft, die den gesamten Bundesliga-Spielbetrieb abwickelt und organisiert, ist ein Tochterunternehmen des Sport-Verein Werder. Der Verein ist der einzige Gesellschafter. Deshalb ist die Mitgliederversammlung des Vereins das höchste Kontrollorgan und stellt zu Recht auch Fragen zur Entwicklung der Kapitalgesellschaft. Klaus Allofs als Vorsitzender der Geschäftsführung berichtet in jedem Jahr bei der Mitgliederversammlung. Denn es war immer unsere Philosophie klarzustellen, dass Kapitalgesellschaft und Verein gemeinsam unter einem Dach arbeiten und es einen sehr intensiven Austausch gibt.

Was darf man von der Neuwahl des Aufsichtsrats erwarten?

Lemke: Das können wir im Vorfeld schwer beurteilen. In unserer Satzung ist klar festgelegt, dass der Wahlausschuss entscheidet, welche Kandidaten sich zur Wahl stellen. Wir sind sicher, dass der Wahlausschuss den Mitgliedern eine gute Auswahl präsentieren wird und dass wir in der zukünftigen Besetzung weiter erfolgreich zum Wohle von Werder Bremen arbeiten werden.

Das Interview führte Martin Lange

 

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