Mielitz-Interview Teil 2: "Ich trinke morgens meinen Kaffee am Kiosk"

Noch trainiert er oft "für die Bank", aber in den kommenden zwei, drei Jahren will Sebastian Mielitz sich bei Werder durchsetzen.
Profis
Freitag, 30.09.2011 / 10:48 Uhr

Die Vertragsverlängerung mit Torhüter Sebastian Mielitz gehörte in diesem Sommer zu den Facebook-Nachrichten mit der größten Beliebtheit. Heimlich, still und leise ist in den letzten Jahren aus dem Nachwuchs-Keeper hinter Tim Wiese ebenfalls ein Publikumsliebling geworden. Einer, über den nicht viel bekannt ist. WERDER.DE traf sich deshalb in dieser Woche mit dem 22-Jährigen, dem einzigen Sohn von Olaf und Ines Mielitz aus Neulöwenberg, um über Dorfkinder, Kioskbesuche und soziale Netzwerke zu sprechen.

Du stehst in diesen Tagen im Tor des Bundesliga-Tabellen-Zweiten, aber eigentlich weiß man gar nichts von dir. Verrate doch etwas mehr über dein erstes Zuhause, wo kommst du genau her?
Sebastian Mielitz: "Ich komme aus Neulöwenberg. Das ist ein Dorf. Einfach nur ein Dorf. Da ist nichts außer Wald und Seen drumherum. Es gibt 400, maximal 450 Einwohner, eine Hauptstraße und in vier Minuten bist du mit dem Fahrrad durchgefahren."

Und wo gab es da den nächsten Sportplatz?
Sebastian Mielitz: "Bei uns im Dorf. Es gibt keinen Verein, aber einen Fußballplatz. Die Tore sind nicht so groß wie normal, aber der Platz wird von der Gemeinde immer gemäht. Im Nachbarort Löwenberg, wo ich zur Schule gegangen bin, haben sie jetzt aber so einen neuen Soccerplatz aufgestellt, mit Kunstrasen."

Gab es denn überhaupt genug Jungs, mit denen man kicken konnte oder hingen die im Sommer immer im Schwimmbad rum?
Sebastian Mielitz: "Bei uns gibt es keine Schwimmbäder, bei uns gibt es Seen."

Auch gut, aber Jungs zum Kicken gab es trotzdem nicht?
Sebastian Mielitz: "Ich weiß es gar nicht mehr so genau, ich bin ja schon mit 13 nach Cottbus in die Sportschule gegangen und vorher lauteten die Stationen Grüneberg, Löwenberg , Oranienburg. Da gab es überall genug Jungs zum Kicken."

Wann ist es dir denn in den Kopf geschossen, dass der Platz zwischen den Pfosten der richtige für dich ist?
Sebastian Mielitz: "Das hat ein bisschen gedauert. Es gab eine Zeit, da habe ich freitags E-Jugend im Feld gespielt und zwei Tage später bei der D-Jugend im Tor gestanden habe. Irgendwann zu Weihnachten hat mir mal ein Onkel meiner Großmutter eine Torwartausrüstung geschenkt - schöne Handschuhe, gepolstertes Trikot, ERIMA, aber ich war glücklich. Da war es dann wohl klar. Ich hatte mich bis dahin aber schon immer gern in die Bälle geschmissen."

Durch einen Freund bist du schon immer Werder-Fan gewesen. Wie kam es denn, dass du auch ausgerechnet bei den Grün-Weißen gelandet bist?
Sebastian Mielitz: "Wir waren in der Cottbuser Jugend drei starke Keeper im gleichen Jahrgang. Sie sind heute alle im Profifußball gelandet. Martin Männel hält in der zweiten Liga in Aue. Tom Mickel spielt für den Hamburger SV. Die Situation war also nicht so günstig und das haben die Scouts von Werder bei den DFB-Lehrgängen mitbekommen. Der damalige B-Jugendtrainer Bernd Pfeifer hat mich dann geholt."

Du bist mit deinem Werdegang die perfekte Kopie des früheren Nachwuchstorhüters Alexander Walke, auch er kam über Oranienburg und Cottbus zur Werder?
Sebastian Mielitz: "Ja, er kommt aus der gleichen Ecke wie ich. Aber er ist das typische Stadtkind, während ich der Junge vom Dorf war. Wir hatten in Oranienburg den gleichen Torwarttrainer. Aber mehr Parallelen gibt es nicht. Er ist ja ein paar Jahre älter und wir haben uns nur mal für ein gemeinsames Interview in Oranienburg getroffen."

Was ist denn ein Dorfkind?
Sebastian Mielitz: "Na ja eben ein Dorfkind. Eins, das mehr in Wald, Wiesen und Seen rumzieht als andere."

Gilt das heute auch noch?
Sebastian Mielitz: "Wenn ich zu Hause bin gehe ich oft mit meinem Papa joggen, schwimmen oder bolzen. Mit den Nachbarn und ein paar anderen Freunden geht es auch heute noch oft auf den Bolzplatz."

Wirst du denn bei dir im Dorf als der Fußball-Profi erkannt?
Sebastian Mielitz: "Nein, weil ich nicht durchs Dorf gehe. Das macht keinen Sinn, da triffst du niemanden."

Vor zwei Jahren hast du in Bremen Abitur gemacht. War es eine schwierige Zeit für dich, diese Doppelbelastung durchzustehen.
Sebastian Mielitz: "Überhaupt nicht. Ich vermisse die Schule sogar. Das war eine gute Zeit, du hattest eine sinnvolle Beschäftigung vor dem Training. Die Schule war ein richtig gutes soziales Netzwerk. Nicht wie Facebook, sondern einfach echt. Das ist leider weggefallen. Viele sind ihre eigenen Wege gegangen, ein richtig guter Kumpel ist übrig geblieben. Ich mache mir seit zwei Jahren Gedanken, was ich machen könnte, um das etwas auszugleichen. Vielleicht ein Studium, irgendwas mit Sport wäre schön. Das ist doch irgendwie mein Leben."

Sehen wir dich dann in 20 Jahren als Bundesliga-Trainer?
Sebastian Mielitz: "Das ist aber noch lang hin. Vorstellen kann ich mir das nicht, aber Thomas Wolter hat immer gesagt, dass er sich das als Spieler auch nie vorstellen konnte. Aber 20 Jahre ist wirklich etwas weit entfernt, als dass ich mir da jetzt irgendeinen Gedanken mache."

Aber in zehn Jahren Werder-Keeper Nummer eins, wäre doch gut? Oder soll es dann schon der FC Barcelona sein?
Sebastian Mielitz: "Also diese Fahrpläne immer. Wenn du es so willst, dann sage ich mal, ich setze mich hier in den nächsten Jahren durch. Wenn ich es wirklich - sagen wir mal innerhalb von zwei, drei Jahren - geschafft habe, dann würde ich am liebsten bis 2025 unterschreiben und am besten gleich noch einen Anschlussvertrag als Nachwuchstorwarttrainer. Den Job würde ich mir dann mit Michael Jürgen teilen. Das wäre ein Spaß. Wenn es so laufen würde, wäre ich mit der Karriere zufrieden. Ich fühle mich wohl in Bremen, ich muss hier nicht weg. Aber Fantasterei beiseite: Ich weiß, dass sich im Fußball alles schnell ändern kann. Wir treffen uns einfach mal 2025 wieder und lachen dann vielleicht über diese Aussage."

Du bist einer der wenigen Frühaufsteher-Profis, die ich kenne. Was macht man denn, wenn dann das Training noch nicht auf dem Plan steht?
Sebastian Mielitz: "Frühstücken, zum Kiosk gehen, Kaffeetrinken. Den trinke ich immer am Kiosk."

Quatsch?!
Sebastian Mielitz: "Doch. Das ist da wirklich gut. Der Kiosk ist bei mir gleich um die Ecke."

Du trinkst jeden Morgen deinen Kaffee am Kiosk?
Sebastian Mielitz: "Was wundert dich da, das ist ein toller Ort, um Kontakte zu knüpfen, da kann man gut quatschen. Ich mag es, mit Menschen zu reden, die schon was erlebt haben. Das finde ich gut."

Wie muss man sich das vorstellen? "Miele", der Profi-Torhüter, katapultiert sich um 6.15 Uhr mit zwei Espresso in den Tag und redet über dies und das. Der Kaffee ist kostenlos, weil der Wirt Werder-Fan ist.
Sebastian Mielitz: "So ähnlich, nur später so um 8.30 Uhr und es ist Kaffee mit Milch. Aber ich muss wirklich nichts dafür bezahlen wie andere Stammkunden aber auch. Ich stehe auf und schlendere da gemütlich hin. Früh ist da noch nicht soviel los. Da kannst du auch noch ein bisschen Zeitung lesen. Abends bin ich da auch mal, da ist es voller. Wenn ich mit dem Auto vorbeifahre halte ich auch hin und wieder mal an und trinke eine Cola light."

Und du musst dann die Werder-Lage erklären?
Sebastian Mielitz: "Ja, Fußball gehört dazu. Dem kann mich sich nirgendwo entziehen, egal wo du bist. Das gehört dazu, auch wenn man es mal nicht mehr hören kann. Da muss man einfach die Contenance bewahren und nett und freundlich sein."

Und mit wem kommst du da in Kontakt?
Sebastian Mielitz: "Das ist total unterschiedlich. Da gibt es Polizisten, alte Omis, den Kioskbesitzer - da hat jeder was zu erzählen. Ich glaube, viele von uns haben so etwas nicht. Einige gehen immer im gleichen Restaurant essen, haben die gleichen Leute um sich herum."

Bist du überrascht, dass es mich überrascht, dass du als Fußball-Profi morgens immer am Kiosk deinen Kaffee trinkst?
Sebastian Mielitz: "Ein bisschen, ich bin eben so erzogen worden. Ich möchte bescheiden bleiben. Das ist doch eigentlich normal. Ich bin so aufgewachsen. Meine Eltern waren nicht reich und nicht arm, alles war ganz normal. So soll es auch bleiben. Ich muss nicht auf den Putz hauen. Das ist nicht mein Naturell. Und ich merke, dass es ein guter Weg ist. Das kommt in meinem Umfeld gut an und die Fans akzeptieren das auch. Mein Papa sagt immer, dass ich die guten Seiten von meiner Mutti mitbekommen habe."

Nur dein Beruf ist nicht normal. Ein Beruf, in dem du in Gehaltsregionen vorstößt, die sich deine gesamte Familie wahrscheinlich nie vorstellen konnte?
Sebastian Mielitz: "Das stimmt, aber deswegen macht sich niemand verrückt. Das ist ja alles noch relativ neu. Als ich in der U 17 zu Werder kam, habe ich 200 Euro im Monat verdient. Als ich meine Freundin kennengelernt habe, hat sie mich immer zum Essen eingeladen. Und jetzt kümmert sich mein Papa um das Finanzielle. Da bin ich mir sehr sicher, dass ich nicht über den Tisch gezogen werde. Das ist auch viel wert."

Das Interview führte Michael Rudolph


Lesen Sie auch den 1. Teil des Interviews mit Sebastian Mielitz, in dem der 22-Jährige über seinen Weg zur "Nummer 1" spricht.

 

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