Mielitz: "Ein Leihgeschäft wäre nichts für mich"

Sebastian Mielitz vor dem Bremer Parkhotel, dem Mannschaftsquartier der Werderaner vor Heimspielen, wo er unter anderem schon mit Phillipp Bargfrede, Daniel Jensen, Florian Trinks und Lennart Thy das Zimmer teilte.
Profis
Donnerstag, 29.09.2011 / 14:37 Uhr

Die Vertragsverlängerung mit Torhüter Sebastian Mielitz gehörte in diesem Sommer zu den Facebook-Nachrichten mit der größten Beliebtheit. Heimlich, still und leise ist in den letzten Jahren aus dem Nachwuchs-Keeper hinter Tim Wiese ebenfalls ein Publikumsliebling geworden. Einer, über den nicht viel bekannt ist. WERDER.DE traf sich deshalb in dieser Woche mit dem 22-Jährigen, dem einzigen Sohn von Olaf und Ines Mielitz aus Neulöwenberg, um über seinen Weg zur "Nummer 1" zu sprechen.

"Miele" von einem zweiten Torhüter kann man eigentlich gar nicht sprechen, du spielst regelmäßig bei Werder. Deine zweite Saison als zweiter Keeper hat gerade begonnen und du kommst auf zehn Bundesligaspiele, zwei Mal Champions League und eine Europa-League-Partie. Zwei Partien folgen jetzt auf jeden Fall noch. Für deine momentane Situation ist die Bezeichnung "1b" erfunden worden.
Sebastian Mielitz: "So ist das, wenn du Pech hast, machst du ein Jahr lang kein Spiel, weil Tim immer fit bleibt und nicht gesperrt wird. (lacht) Aber man sieht, Tim teilt gern und ich muss sagen, er hat sich dieses Jahr drei sehr gute Spiele für mich ausgesucht. Hertha war super spannend. Hannover ist ein Derby, die sind gut drauf, da wird die Bude rappelvoll sein. Und dann kommt der Meister, da muss man nicht viel sagen. Da will man einfach nur spielen und gewinnen."

Wie bist du denn mit deinem Einsatz gegen Hertha zufrieden?
Sebastian Mielitz: "Das Hertha-Spiel war für einen Torwart richtig mies, alles sehr zerfahren. Das war nicht Fisch und nicht Fleisch. Da waren nicht viele Aktionen dabei. Wenn du die nicht positiv durchziehst, ist das Spiel dahin. Da musst du einfach auch irgendwie locker, aber dennoch konzentriert bleiben. Am schönsten ist es, du bekommst viel zu halten und die Null bleibt stehen."

Das würde der Trainer sicher anders sehen.
Sebastian Mielitz: "Ich glaube der Trainer sieht es lieber, wenn ich gar keinen Ball bekomme. Dann haben vor mir alle Kollegen alles richtig gemacht."

Alles richtig machen, möchte auch jeder junge Torhüter, doch die Karriere-Planung ist gerade auf der Torhüter-Position extrem schwierig, weil es immer nur schwarz oder weiß gibt, entweder Nummer 1 oder die Bank? Welche Duelle hattest du bisher in deiner Karriere, und hast du dich immer durchgesetzt?
Sebastian Mielitz: "Ich finde gar nicht, dass es bei Torhütern anders als bei Feldspielern ist. Die wissen auch nie, was in einem halben Jahr ist. Als Profi hast du nie Sicherheit. Es ist eine Ellbogen-Gesellschaft. Ich habe auch alles durchgemacht. Als ich zu Werder kam habe ich ein halbes Jahr nicht gespielt, saß hinter Hergen Gerdes nur auf der Bank und hatte den Wechsel nach Bremen schon als Fehler eingestuft. Wenn mir da einer gesagt hätte, dass ich für Werder mal Bundesliga spiele, hätte ich ihn für verrückt erklärt."

Was ist dann passiert?
Sebastian Mielitz: "Ich habe mich durchgebissen, immer an meine Qualität geglaubt."

Aber viele schaffen das nicht?
Sebastian Mielitz: "Das ist eben Leistungssport. Es stimmt, ich habe in meiner Zeit auch schon viele gehen sehen. Der einzige, der mit mir in der B-Jugend bei Werder war und noch da ist, ist Florian Trinks."

 Haben es deine Eltern gerne gesehen, dass du so früh in den Leistungssport gewechselt bist?
Sebastian Mielitz: "Meine Eltern standen immer hinter mir, haben mich zu allen möglichen Anlässen und Spielen gefahren. Sie sind ganz wichtige Personen für mich. Aber ich weiß auch, dass es nicht immer leicht war für sie. Meine Mama hat mal gesagt: ‚Als du nach Bremen gegangen bist, haben wir dich verkauft.' Sie meinte das scherzhaft, aber sie war sicher auch besorgt. So eine Trennung fällt immer schwer. Aus dem Internat in Cottbus bin ich jedes Wochenende nach Hause gekommen. In Bremen ging das natürlich nicht mehr. Hier haben wir eine Sieben-Tage-Woche. Trotzdem unterstützen mich meine Eltern bis heute, sie kommen jetzt oft nach Bremen."

Welche Torwarttrainer hast du denn bisher bei Werder durchlaufen?
Sebastian Mielitz: "Zu Beginn war es Christian Lappke, dann Michael Jürgen, jetzt ist "Tiger" Kraft meine Bezugsperson. Er ist ein Typ, der schon viel erlebt hat. Er weiß gut mit den Situationen umzugehen, die ich hier erlebe. Sicher braucht Tim Wiese das mit seinen gefühlt 300 Bundesligaspielen nicht so wie ich, aber ich kann mir das einiges rausziehen. "Tiger" ist auch niemand, der dich in die Pfanne haut, er stellt sich für uns Torhüter auch mal vor den Trainer und argumentiert für uns."

Könntest du heute aufgrund deiner bereits gesammelten Erfahrung, jungen Torhütern im Werder-Internat Lebenstipps geben?
Sebastian Mielitz: "Ich glaube, das kannst du als Profisportler nur machen, wenn du richtig fest im Sattel sitzt. Da gibt es nur ganz wenige. Du bist so mit dir selbst beschäftigt, du musst immer so an dir arbeiten, um ganz oben dran zu bleiben. Du darfst dich nie wirklich ausruhen, nie wirklich sicher sein. Wenn du denkst, du hast Zeit, musst du einfach schon wieder ein bisschen mehr machen. Jeder muss da die richtige Einstellung für sich selbst finden."

Das ist doch schon mal ein Tipp für junge Keeper. Hast du von Vorbildern Tipps bekommen?
Sebastian Mielitz: "Nein, ich habe immer Torwartbücher gewälzt. Da habe ich eigentlich nur mitgenommen, dass man immer mehr machen muss als andere. So sah es dann auch aus. Ich könnte die Stunden nicht zählen, in denen ich mir mit meinem Papa Bälle in Neulöwenberg um die Ohren gehauen habe."

Es gibt die unterschiedlichsten Beispiele wie junge Torhüter an der "Nummer 1" vorbeiziehen. Da gab es Rensing, der bei Bayern jahrelang als Kahn-Nachfolger gehandelt wurde und sehr lange auf dessen Rücktritt gewartet hat, ihn aber nie sportlich verdrängte. Das Ende ist bekannt. Und es gab das Beispiel Adler, der nach einer Rotsperre des routinierten, geschätzten Butt bei Leverkusen nach starken Leistungen im Tor blieb. Wie soll es bei dir ablaufen?
Sebastian Mielitz: "Über die Art und Weise wie das einmal vonstatten geht, mache ich mir keine Gedanken. Alles regelt sich über die Leistung. Wenn ein Rensing dann ein starkes Jahr gespielt hätte, hätte sich niemand beschwert. Aber ehrlich gesagt, war das auch eine sehr schwere Aufgabe. Diese Riesen-Fußstapfen nach Oliver Kahn, dieser Riesenklub, wo du so im Fokus stehst und dann diese Mannschaft, in der es für jeden Torhüter schwer ist, weil du auf andere Art gefordert wirst. Oft hast du nur zwei, drei Aktionen. Das macht auch mal keinen Spaß als Keeper. Ich finde, dass Rensing dort eine bessere Chance verdient gehabt hätte. Und ich freue mich, dass er es auf anderen Wegen in der Bundesliga wieder gepackt hat."  

Aber zurück zu Dir! Wie soll es denn nun laufen?
Sebastian Mielitz: "Es wird ganz normal laufen, wenn Tim mal ausfällt oder nachlässt, warum auch immer, dann will ich so gut sein, dass ich als starker Torhüter nachrücke. Das ist in jedem anderen Beruf auch so. Im Fußball vielleicht etwas extremer. Die Kollegialität besteht darin, dass man diesen Wettbewerb auf das Sportliche beschränkt. Ich muss mich außerhalb des Platzes nicht anders darstellen als ich bin. Der Wettbewerb findet nur auf dem Platz statt."

Wie schätzt du denn den Status quo ein. Hat Tim Wiese noch ganz klar die Nase vorn?
Sebastian Mielitz: "Es ist klar, dass Tim Nationaltorhüter ist und dadurch eine Stufe höher gestellt ist. Das respektiere ich. Aber ich versuche in jedem Training mein Ding durchzuziehen. Keiner wird mir nachsagen können, dass ich Tim nicht auf hohem Niveau fordere."

Eine andere Möglichkeit wäre es aber auch, die Stadt zu verlassen, um woanders eine Nummer eins zu werden.

Sebastian Mielitz: "Das kann ich mir eigenlich nicht vorstellen. Ich gehe hier klar mit der Vorgabe ran, mich solange anzubieten, bis ich es geschafft habe. Nummer eins bei Werder ist mein großes Ziel. Ich komme aus Brandenburg, die Region um Oranienburg wird immer mein zu Hause bleiben, aber Bremen kommt schon knapp dahinter. Ich fühle mich sehr wohl."

Und wie sieht es mit einer Ausleihe aus? Diese Geduld hinter Tim Wiese aufzubringen ist doch sicher nicht immer leicht?
Sebastian Mielitz: "Ein Leihgeschäft wäre nichts für mich. Das ist keine gute Lösung für einen Spieler. Ich würde mich nie richtig zugehörig fühlen. Und es gibt selten Beispiele, bei denen es funktioniert hat. Toni Kroos ist gerade eins, Rosi ist auch eins. Aber es gibt auch genug andere, die wiederkommen und vor dem gleichen Problem stehen wie vor der Ausleihe."


Das Interview führte Michael Rudolph


Lesen Sie auch den 2. Teil des großen Interviews mit Sebastian Mielitz. Dann spricht Miele über Dorfkinder, Kioskbesucher und soziale Netzwerke.

 

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