20 Jahre Europapokal: Der Triumph von Lissabon

Nach dem Europapokal-Finale gegen den AS Monaco stemmt Rune Brathset den Pokal in die Höhe.
Profis
Sonntag, 06.05.2012 / 13:35 Uhr

Am 6. Mai 1992 holte der SV Werder den Europapokal der Pokalsieger - 20 Jahre liegt der größte Erfolg der Vereinsgeschichte nun zurück. Es geschah im ‚Estádio da Luz' in Lissabon, der große Favorit AS Monaco wurde durch Tore von Klaus Allofs und Wynton Rufer mit 2:0 bezwungen. Werder konnte damit den glanzvollen Abschluss einer Saison feiern, in der im Gegensatz zu den Spielzeiten vorher und nachher nicht alles rund gelaufen war. Im DFB Pokal ausgeschieden gegen den damaligen Zweitligisten Hannover 96, in der Bundesliga auf Platz neun. Doch dann kam Lissabon...

Der Weg ins Finale war nicht gerade leicht, vielleicht sogar schwerer als das Endspiel. Denn richtig mühelos war nur der Auftakt, als die Grün Weißen gegen den rumänischen Vertreter FC Bacau antraten. Schon das Hinspiel im rumänischen Nordosten wurde 6:0 gewonnen. Das Rückspiel mit 5:0 war reine Formsache, was schon auf der Tribüne im Weser-Stadion sichtbar war: Nur gut 3.000 Fans wollten die Partie sehen.

Schon im Achtelfinale wurde die Mannschaft dann aber richtig gefordert. Der Gegner hieß Ferencvaros Budapest. Frank Neubarth (2) und Klaus Allofs schossen die Tore zum 3:2. Werder bot im eigenen Stadion phasenweise Zauberfußball. Thomas Wolter erinnert sich: „Wir hätten viel höher gewinnen müssen." Im Rückspiel zwei Wochen später in Budapest musste sich das Werder-Team über weite Strecken heftiger Angriffe der Ungarn erwehren, ehe Marco Bode in der 48. Minute das Tor zum 1:0 glückte. Dieser Vorsprung wurde bis zum Abpfiff verbissen und auch mit etwas Glück verteidigt.

Dann kam das Viertelfinale gegen Galatasaray Istanbul. Und noch heute sagen alle, die beim Rückspiel am Bosporus dabei waren: "Das werden wir nie vergessen." Etwa Dieter Eilts, der in der vorletzten Minute völlig zu Unrecht die gelb-rote Karte sah: „Das hat mich die Teilnahme an beiden Halbfinal-Spielen gekostet."

Werders früherer Kapitän war nicht der einzige, der Schiedsrichter Nielsen aus Dänemark höchst seltsam fand: „Er war nicht objektiv, wir wurden immer wieder benachteiligt. Und er hat erst nach 95 Minuten abgepfiffen", erinnert sich Thomas Wolter. Vor allem eine Szene dieses Rückspiels (Werder hatte in Bremen recht mühsam 2:1 gewonnen) ist noch allen Beteiligten in Erinnerung: In der allerletzten Minute schien den Türken endlich das heiß ersehnte 1:0, das sie ins Halbfinale gebracht hätte, zu gelingen. Ein Galatasaray-Spieler brauchte den Ball nur noch ins leere Tor zu schieben, denn Werder-Torhüter Oliver Reck war bereits ausgespielt und lag am Boden. Doch die Kugel blieb einen Meter vor der Linie in einer Schlammpfütze liegen, aufgehalten von den widrigen Platzverhältnissen.

Schon als die Werder-Delegation an diesem 18. März 1992 in Istanbul eingetroffen war, empfing sie Schneefall, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. „Zum Glück", so Thomas Wolter, „konnten wir noch Handschuhe und wärmere Sachen mit dem nächsten Flieger nachkommen lassen. Ich bin heute noch überzeugt davon, dass nur angepfiffen wurde, weil das Spiel live im Fernsehen übertragen wurde."

Mit viel Glück und Geschick wurde also auch die Reise nach Istanbul überstanden, im Halbfinale hieß der Gegner FC Brügge. Das Hinspiel verlor Werder 0:1. Daniel Amokachi, nigerianischer Star der Belgier, schoss das einzige Tor. Im Rückspiel am 15. April 1992 musste Amokachi dann nach 76 Minuten mit Rot vom Platz, damit war für Werder die größte Gefahr gebannt und der 2:0-Sieg (Tore Marco Bode und Manfred Bockenfeld) gesichert. Trotzdem gab es einen großen Verlierer im Halbfinale: Oliver Reck sah schon in Brügge die rote Karte, damit hatte sich die Endspiel-Teilnahme für ihn erledigt.

So stand Jürgen Rollmann am 6. Mai in Lissabon zwischen den Pfosten. „Meine Vorderleute waren so stark, dass ich kaum geprüft wurde", erinnert er sich an diese Partie. Der große Favorit hieß AS Monaco mit Trainer Arsène Wenger. Doch der Gegner hatte die Rechnung offensichtlich ohne Otto Rehhagel gemacht, dem hinterher von der Fachwelt bescheinigt wurde, eine taktische Meisterleistung vollbracht zu haben. Die begann mit der Nominierung des eigentlich verletzten Klaus Allofs, der in den Wochen vorher kaum gespielt hatte. „Aber Klaus kennt die Franzosen, er hat lange dort gespielt. Das kann helfen", begründete Rehhagel seine Entscheidung. Und Allofs dankte sie ihm: In der 41. Minute schoss er nach einer tollen Einzelleistung das 1:0, die Franzosen waren irritiert.

Womöglich mag es auch eine Rolle gespielt haben, dass sie so gut wie keine Unterstützung von den Rängen bekamen. Denn das Stadion in Lissabon war nur zu einem Drittel gefüllt, die Portugiesen interessierten sich nicht für das Spiel zweier ausländischer Mannschaften. „Es war fast gespenstisch. Das wichtigste Spiel des Lebens - und kaum jemand schaut zu", erinnert sich Marco Bode und weiß auch noch, wie die Entscheidung in dieser Partie fiel: „Wynton Rufer spielte nach einem Konter den Torwart aus und lief dann so gemächlich mit dem Ball ins leere Tor, dass ich dachte, ein Abwehrspieler holt ihn noch ein."

Doch es war tatsächlich das 2:0 - dabei blieb es. Und nach dem Abpfiff sahen sich die Werder-Spieler in der Kabine plötzlich - und gänzlich ungewohnt - von Journalisten umringt. Otto Rehhagel hatte den Reportern ausnahmsweise auf Bitte seines Präsidenten Dr. Franz Böhmert die Tür geöffnet. Der damalige Vize-Präsident Klaus-Dieter Fischer fand sich plötzlich in voller Montur im Schwimmbecken wieder, die jubelnden Spieler hatten ihn sich gegriffen. Die denkwürdige Siegesfeier stieg im Lissaboner Nobel-Vorort Estoril, auf der historischen Festung Cascais. Uli Borowka löste widerspruchslos sein Versprechen ein und ließ sich die Haare bis auf die Kopfhaut scheren; Dieter Eilts nahm ungerührten Gesichtes die Prozedur vor.

von Heinz Fricke

 

Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.