Pasanen: "Ab 100 Tore gibt’s erst ein Denkmal"

Viel Zeit nahm sich Petri Pasanen für das Interview im Bremer Restaurant "Jürgenshof". Für den Wahlbremer ein Debüt: "Hier bin ich in sieben Jahren so oft mit der Mannschaft vorbei gelaufen, aber drin war ich noch nie."
Profis
Dienstag, 03.05.2011 / 13:29 Uhr

TEIL 1 

Er kennt sich mit Wein gut aus, liest täglich die internationale Presse, kann über die aktuellen politischen Themen genüsslich debattieren. Er gehört zu den dienstältesten Werder-Spielern. Dennoch gibt es keinen Bremer Profi, über den weniger bekannt ist. Nach der Saison verlässt Petri Pasanen den Verein. Am Samstag läuft er zum letzten Mal im grün-weißen Trikot ins Weser-Stadion ein. WERDER.DE gab er ein langes, sehr persönliches Abschieds-Interview.


Petri, sieben Jahre Werder Bremen. An was sollen sich die Menschen in Bremen erinnern, wenn sie an dich zurückdenken?
An einen Spieler, der gern hier gespielt hat, dabei nie vom Platz geflogen ist, der nie gesperrt war. Aber ausgerechnet jetzt habe ich vier gelbe Karten, so viele wie noch nie.

Du weißt, der letzte Eindruck bleibt haften. Die Menschen werden sich nach den vier gelben Karten an einen "eisenharten Finnen" erinnern.
(lacht) Nein das nicht, aber es war schon ein Problem, wenn ich gegen Wolfsburg gelb bekommen hätte, wäre ich um mein letztes Heimspiel im Weser-Stadion gebracht worden. Das wäre richtig hart gewesen.

Aber im Interview danach hättest du gesagt: "Ich bin nicht wichtig, Mannschaft und Punkte sind wichtig." Dann wärst du in Kabine gegangen und hättest in die Bank gebissen.
Ja, so wäre es wahrscheinlich gewesen.

Warum ist es dir so wichtig, diese Emotionen nicht preiszugeben. Es gibt kaum einen Spieler über dem man neben dem Spielfeld weniger weiß, als über dich.
Ich weiß nicht, ich glaube in solchen Situationen bedeutet mir die Mannschaft mehr als die Öffentlichkeit. Meine Mitspieler sehen doch wie ich mich dann fühle. Wenn ich das breit trete, wird die Aufmerksamkeit unnötig von der Mannschaft auf mich gerichtet. Wenn meine Mitspieler aber lesen, dass Team und Punkte für mich mehr zählen, dann haben sie ein besseres Gefühl, dann wissen sie: Ich stehe auf ihrer Seite!

Vielleicht verzweifeln deine Kollegen aber auch nach dem Motto: "Wie kann dieser Finne nur so cool bleiben. Das macht mich fertig!"
Ach Quatsch, sie sehen mich jeden Tag nackt in der Kabine. Sie kennen mich besser als alle, die nur Zeitung lesen. Ich persönlich freue mich immer sehr, wenn Spieler über die Mannschaft reden. Ich spiele dann auch viel lieber mit ihnen zusammen. So ist das doch auch im Leben.

So oft findest du aber keinen Mitspieler, der sich öffentlich so zurücknimmt wie du. Im Gegenteil, wird es nicht immer wichtiger für die Karriere auch ein bisschen Show zu liefern?
Aber man muss dabei immer authentisch bleiben. Die Leute erkennen sehr schnell, was eine Lüge ist.

Aber wenn du deine Emotionen nicht zeigst, ist das auch nicht authentisch.
(Überlegt) Das stimmt. Aber dann sagen wir es so. Jeder baut sich ein Bild in der Öffentlichkeit auf. Jeder füllt eine gewisse Rolle aus. Einer macht es mit mehr Show, einer mit weniger. Jeder darf das selbst entscheiden. Ich glaube, meine Rolle passt ganz gut zu mir. Darin bin ich authentisch.

Deine extreme Zurückhaltung, was private Infos betrifft, hat intern aber auch für großen Spaß gesorgt. Sogar deine Hobbys hast du zur Privatsphäre erklärt. In den Fragebögen vor der Saison liest man oft von Dir "Radiohören" und "Angeln".
Das wollen doch die Leute von einem Finnen hören. Das fand ich am unauffälligsten. Aber ich gestehe hiermit: Ich habe noch nie geangelt. Durch die Fragebögen ist es aber so gekommen, dass ich ständig Angelzubehör geschenkt bekomme und Tipps kriege, wo die besten Stellen zum Fischen sind. Gefreut habe ich mich aber darüber trotzdem. Außerdem das "Radio hören" hat immer gestimmt. Ich habe keinen IPOD. Ich höre nicht so oft Musik. Aber im Auto habe ich das Radio an.

Dann ging das jedes Jahr bei Dir sehr schnell mit den Fragebögen zu Saisonbeginn.
So kann man das nicht sagen. Ich habe mir immer Gedanken gemacht, war meistens ehrlich. Aber meine Aussagen, waren oft zu sehr um die Ecke gedacht oder meinen Humor hat nicht jeder verstanden. In den Heften waren die Antworten dann meist etwas öffentlichkeitswirksamer "übersetzt".

Kannst du dich an deine ersten Tage bei Werder erinnern?
Ja, es ging alles sehr schnell. Ich hatte noch ein Jahr Vertrag bei Ajax, war mit ihnen im Trainingslager. Da rief Klaus (Allofs) an und fragte mich, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte. Ich hätte nicht wechseln müssen. Ich hatte meinen Platz in der Amsterdamer Innenverteidigung, aber Werder war Deutscher Meister und spielte Champions League. Ich habe dann noch ein paar Testspiele gemacht und bin dann noch im Trainingslager zu Werder gekommen. Das war eine lohnenswerte Sache. Im Rückblick kann ich sagen, dass ich nicht falsch lag.

Du hast gleich einen Raketenstart hingelegt: Stammspieler, erstes Tor im zweiten Spiel!
(lacht) Ja, ich habe ein Drittel meiner Werder-Tore, gleich in den ersten beiden Spielen geschossen. Und war mittendrin als das Flutlicht ausfiel. Das war ein kurioser Start. Mein Gott, ich weiß es noch wie heute. Wir haben uns warm gemacht, standen auf dem Platz als das Licht ausfiel. Erst denkst du, die kriegen das wieder hin, aber dann mussten wir wieder in die Kabine. Ich habe das Bild genau in meinem Kopf, wie wir da saßen, warteten und Bananen verteilt wurden. Ich habe immer diese Bananen-Szene im Kopf, wenn ich an den Flutlicht-Ausfall denke. Jeder war ratlos. Das war komisch.

Deine anderen beiden Bundesliga-Tore hast du in eine Saison gepackt. Wieso hast du nicht mehr geschossen oder sie ein bisschen besser auf die sieben Jahre verteilt?
Ja, es wurden nur drei Tore, aber du kannst nachschauen, sie waren alle sehr, sehr schön. Gegen Rostock, Frankfurt und den Hamburger SV. Gegen Hamburg war es der Siegtreffer, ich war Matchwinner, Derbysieger. Das gilt doch was.

Ich habe schon nachgeschaut. Bei drei Toren geht das ja schnell: Es waren immer Fernschüsse. 18, 28 und 31 Meter! Immer volles Pfund!
Und ich habe mich jedes Mal riesig gefreut, als ich getroffen habe. Tore schießen macht Spaß.

Aber kurios ist es, dass es keinen Kopfballtreffer von dir gibt. Dabei giltst du als sehr kopfballstark.
Das Tor habe ich schon getroffen, aber immer nur Latte oder Pfosten. Das gab es ganz oft. Es ging einfach keiner rein. Und dann musst du noch die beiden Treffer rechnen, die mir zuletzt nicht gegeben wurden. Was kann ich denn dafür? Aber ich kann mit dieser Bilanz leben. Es macht für mich keinen Unterschied, ob ich hier mit drei oder zehn Toren aufhöre. Hundert Tore wären ein Unterschied. Dann gäb's auch ein Denkmal.

Nach deinem guten Werder-Start hat es dich aber ganz dick erwischt. Mit einem Schädel-Hirn-Trauma musstest du monatelang passen. Vorher hattest du so einen Stellenwert als Abwehrchef, dass du zum Champions-League-Start 2005 angeschlagen noch die Partie gegen den FC Barcelona bestritten hast.
Ja, das war keine leichte Sache. Ich habe damals in der Champions-League-Qualifikation gegen Basel, zwei, drei richtige schwere, auch absichtliche Ellenbogen-Schläge an den Kopf bekommen und musste das einfach vollständig auskurieren. Aber ich war bei Werder, zwei oder drei Mal wegen einer Verletzung richtig draußen. Vielleicht wäre es noch besser ohne diese Rückschläge gelaufen. Aber damit muss man umgehen können.

Nach der Kopfverletzung warst du nie wieder als Innenverteidiger gesetzt. Fahrenhorst, Naldo, Mertesacker spielten.
Das stimmt, danach begann meine Allrounderzeit. Danach war ich überall. Das war eine sportliche Entscheidung, die ich mittragen musste. Ich hätte auch den Verein wechseln können, aber ich habe mich für Werder entschieden. In den damaligen Gesprächen zu meiner Vertragsverlängerung war das ein zentrales Thema, dass ich hier als Allrounder gebraucht werde, auch auf Außen, obwohl ich kein Außenverteidiger bin.

Was hat dich dann dennoch zum Weitermachen bewogen?
Wir waren sportlich sehr erfolgreich, hatten eine gute Mannschaft. Und ich hatte von vielen gehört und gelesen, dass sie es sehr schwer hatten, nach Werder ihr Glück zu finden.

So etwas hat dich beeinflusst?
Na klar, das spielt auch eine Rolle. Viele ältere Werder-Spieler haben das erzählt. Sie waren in der gleichen Situation wie ich und sagten: "Wäre ich doch nur nicht weg gegangen!" An Ailton konnte man das Beispiel für so eine Entwicklung auch beobachten. Und ich dachte mir, wenn das so viele erzählen, dann muss da etwas dran sein. Ich hatte Optionen, aber auch das Gefühl, das Werder das Beste für mich war.

Also hast du 2008 nochmal für drei Jahre unterschrieben. Ein gemeinsamer Weg, der jetzt zu Ende geht.
Ja, aber so ist der Profifußball. Seit Dezember habe ich mir Gedanken gemacht. Im März habe ich mit Klaus zusammengesessen und wir kamen zu dem Punkt, dass jeder etwas Neues vorhat.

Hast du eigentlich verstanden, dass du doch immer wieder auf den Außenbahnen gespielt hast, es aber auch oft bei den Fans hieß: Der Pasanen macht hinten dicht, aber nach vorn zu wenig.
Genau deswegen, fühle ich mich ja auf der Außenbahn auch nicht ganz so wohl. Ich bin keiner, der mit einem super Solo an drei Spielern vorbeigeht. Ich bin kein Marko Marin, ich habe andere Qualitäten. Qualitäten, die mehr im Zentrum zum Tragen kommen. Mertesacker und Naldo hätten außen auch gewisse Schwierigkeiten als rechter Verteidiger. Ich spiele die Position aber für die Mannschaft. Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Und der Trainer weiß es auch. Er hat nie erwartet, dass ich drei Gegner ausspiele. Trotzdem hat er mich oft aufgestellt, weil er wusste, was er bekommt.

In der finnischen Nationalmannschaft hat dich das Werder-Schicksal auch ereilt. Obwohl du viel lieber in der Mitte spielst, warst du oft auf Außen gesetzt. Dort hießen Naldo und Mertesacker, Tihinen und Hyppiä.
Ja, dort war es zehn Jahre so, dass ich außen gespielt habe. Erst jetzt komme ich öfter in der Mitte zum Zuge. So ist das bisher gelaufen in meiner Karriere. Aber ich beschwere mich nicht: Bei Ajax vier Jahre, bei Werder sieben, bisher zehn Jahre Nationalmannschaft. So schlecht ist das nicht.

Und es kann noch lange so weitergehen. Dein Landsmann Sami Hyppiä ist eine gutes Beispiel, dass du mit 37 Jahren noch im Abwehrzentrum Leistung bringen kannst.
Wie lange es geht weiß man nie, aber ich fühle mich mit 30 auf keinen Fall als alter Spieler. Ich bin mittendrin.

Gibt es einen Bremer Ort, der dir in Erinnerung bleiben wird?
Ich bin in Bremen drei Mal umgezogen und habe an jedes Zuhause sehr schöne Erinnerungen. Das waren einfach die Orte, wo ich mich am wohlsten gefühlt habe. Aber es wird einen Ort geben, der immer mit meinem Namen verbunden sein wird, wenn ich gehe.

Na, da bin ich aber gespannt.
Die Sauna in unserer neuen Kabine. Als die Ostkurve umgebaut wurde und die neue Kabine geplant wurde, habe ich darum gebeten, mich um die Sauna kümmern zu dürfen. Ich habe dann ein paar Dinge empfohlen und sie in Finnland besorgt. (lacht) Das wird meine Hinterlassenschaft an die nachfolgenden Generationen sein.

Also müsste da ein Schild ran: "Diese Sauna wurde im Jahr 2010 von Petri Pasanen besorgt"!
Ja, das wäre ein Ding, vielleicht kommt das noch.

Lesen Sie morgen Teil 2 des Abschiedsinterviews. Petri spricht über Erlebnisse mit den Keepern Reinke und Wiese und gibt Einblick in die schwere Zeit nach dem Tod seiner Mutter.

Das Interview führte Michael Rudolph.

 

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