Gemeinsames Gedenken am Todestag von Adrian Maleika

Dr. Hubertus Hess-Grunewald vor der Gedenktafel.
Dr. Hubertus Hess-Grunewald erinnerte mit seinen Worten an die Tragödie (Foto: W.DE).
Fankurve
Montag, 17.10.2022 / 14:10 Uhr

Am 17.10.1982, am heutigen Montag vor 40 Jahren, starb der 16-jährige Werder-Fan Adrian Maleika, nachdem er bei einem Auswärtsspiel beim HSV von einem geworfenen Stein am Kopf getroffen wurde. Der tragische Todesfall sorgte für einen lauten Aufschrei im deutschen Profifußball und in den Fanszenen. Er war der erste Fan, der im Rahmen eines Bundesligaspiels zu Tode kam. Bis heute sind die Auswirkungen der Tragödie zu spüren.

Bei einer Gedenkveranstaltung im kleinen Kreis hielten am Montagmittag Vertreter:innen des SV Werder Bremen und des Hamburger SV sowie die Familie Maleika und Fan-Vertreter:innen inne, um an der Gedenktafel im Umlaufbereich des Ost-Oberrangs an das Schicksal von Adrian Maleikas zu erinnern. Vereinspräsident Dr. Hubertus Hess-Grunewald mahnte, die tragische Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Was genau ist damals passiert?

In der Saison 1982/83 spielt der SV Werder in der zweiten Hauptrunde des DFB-Pokals im Volksparkstadion gegen den Hamburger Sportverein. Der 16-jährige auszubildende Glaser Adrian Maleika fährt mit dem Fanclub „Die Treuen“ per S-Bahn zum Spiel. Einem Fanclub, den sein großer Bruder erst zwei Jahre zuvor mitgegründet hatte. Vom Bahnhof Stellingen aus eskortiert die Polizei die Werder-Fans Richtung Gästeblock. Ein kleiner Teil der Fanszene fährt jedoch weiter bis zur nächsten Haltestelle Eidelstedt. Hier steigen sie aus und treten alleine, ohne Polizeischutz, den Weg zum Stadion an.

Adrian Maleika, der als friedfertig und „Grün-Weißer durch und durch" bekannt ist, trägt keine Kutte, auch viele andere Werder-Fans und seine Freunde von den „Treuen“ verzichten heute darauf. Wenige Wochen vorher hatte es einen Überfall Hamburger Fans gegeben, die im U-Bahnhof Jungfernstieg u.a. mit Leuchtraketen in eine Bahn mit Werder-Anhängern geschossen hatten. Trotzdem sind viele Bremer auch an diesem Tag offen als Werder-Fans erkennbar. Im Volkspark geschieht dann der Überfall. Der HSV-Fanclub „Die Löwen“, der in großen Teilen dem rechtsextremen Skinhead-Milieu zugeordnet werden kann, greift die Gruppe junger Werder-Fans an. Sie schießen mit Gaspistolen und Leuchtraketen. Steine werden geworfen. Die Grün-Weißen fliehen sofort. Maleika sucht, wie viele andere, Schutz in einem Gebüsch. Doch leider wird er hier von einem geworfenen Mauerstein am Kopf getroffen. Er bricht zusammen und verliert das Bewusstsein. Im Krankenhaus wird stundenlang verzweifelt versucht sein Leben zu retten, leider ohne Erfolg. Adrian Maleika stirbt am Tag darauf an den Folgen eines Schädelbasisbruches und schwerer Gehirnblutungen in der Hamburger Klinik.

Der "Frieden von Scheeßel"

Der Tod Maleikas markiert einen Wendepunkt im Verhältnis von Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein. Jahrzehntelang gab es ein weitestgehend neutrales, in Teilen sogar fast freundschaftliches Verhältnis beider Fanlager. Dass sich dies geändert hatte, war schon seit einiger Zeit zu beobachten gewesen. Nun ereignete sich allerdings ein dramatischer Höhepunkt dieser Entwicklung, die diese noch junge Rivalität bis heute prägt.

Die beiden Vereine bemerken schnell, dass etwas passieren muss, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die damaligen Manager der Clubs Günther Netzer und Willi Lemke trommeln in Scheeßel, auf halber Strecke zwischen Bremen und Hamburg, 200 Fans aus beiden Lagern zusammen. Es wird eine Art Waffenstillstand vereinbart, der heute als „Frieden von Scheeßel“ bekannt ist. Beide Seiten erklären sich bereit auf Provokationen und Racheaktionen zu verzichten.

In Hamburg selbst ist man wenig stolz auf den Vorfall. „Die Löwen“ geben wenig später dem SPIEGEL ein Interview, in dem sie über ihre „Gewissensbisse“ sprechen. Auch in Bremen wird der Fall bis heute von der Fanszene eher als großes Unglück wahrgenommen. Es konnte nie genau ermittelt werden wer den Stein damals tatsächlich geworfen hatte. Allerdings wurden im Dezember 1983 acht Mitglieder der Hamburger „Löwen“ wegen Straftaten, die rund um den Überfall auf die Werder-Fans begangen wurden, verurteilt. Der angebliche Rädelsführer wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ein anderer bekam zwölf Monate auf Bewährung.

Die Fanarbeit verändert sich nachhaltig

Zu dieser Zeit gibt es keine nennenswerten Anlaufstellen für Fans und auch keine Fanbeauftragten in den Vereinen. Die Fans organisieren sich und ihre Anreisewege selbst. Der Hooliganismus schwappt zudem seit Mitte der 70er-Jahre aus England nach Europa über. Die Gewalt rund um die Bundesliga-Spieltage nimmt deutlich zu. Klare Fantrennung, auf den Reisewegen und im Stadion, gibt es genauso wenig wie differenzierte Sicherheitskonzepte.

In Bremen befassen sich zu dieser Zeit schon länger verschiedene Wissenschaftler:innen mit einer möglichen Fanarbeit. Der Soziologe Narziss Göbbel hat bereits im Jahr vor Maleikas Tod mit einer Studierendengruppe den Bremer Fan-Projekt e.V. gegründet. Das erste Fanprojekt weltweit. Einige Monate nach dem Pokalspiel in Hamburg wird auch hier die Fanarbeit aufgenommen. Der HSV schafft in Zusammenarbeit mit der Stadt ein Fanprojekt, in dem sich Sozialarbeiter:innen den Fans annehmen. Mit Erfolg. In den kommenden Jahren können Rechtsradikale, die sich im Volksparkstadion etabliert hatten, zurückgedrängt werden. An fast allen deutschen Standorten mit größeren Fanszenen wird bis heute durch aufsuchende Fanarbeit gegen Gewalt und Diskriminierung vorgegangen.

Auch in den Vereinen tut sich in den folgenden Jahren einiges. Mittlerweile gehören Fanbeauftragte fest zu den DFL- und DFB- Lizenzauflagen. Bis runter in die vierten Ligen sind die Vereine verpflichtet Personen zu benennen, die für den institutionalisierten Kontakt zwischen Verein, Fans und Sicherheitsorganen zuständig sind. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) bietet regelmäßige Weiterbildungen an, in denen vor allem Grundlagen der Gewaltprävention und des Konfliktmanagements vermittelt werden. Aus der engen Verstrickung dieser Themen mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist die Antidiskriminierungsarbeit der Vereine oftmals bei den Fanbeauftragten verankert worden. Klare Fantrennung sowie diverse Sicherheitskonzepte sollen helfen Tragödien, wie damals in Hamburg, zu verhindern

Bis heute unvergessen

Wie ein Brennglas richtete der Tod Adrian Maleikas den Fokus auf die Gewalt im Umfeld von Bundesligaspielen. Der „Scheeßeler-Frieden“ hielt einige Jahre, doch spätestens 2003 sangen wieder einige HSV-Fans bei Spielen gegen den SVW „Adrian Maleika – Die Steine fliegen weiter“. Als Antwort zeigten Werder-Fans ein Banner auf dem die Hamburger Skyline von Fliegern zerbombt wird. Die Spiele der beiden Nordclubs gelten heute als Hochrisikospiele. Der Prozess ist also keineswegs abgeschlossen. Heute ist die aktive Fanarbeit mehr denn je ein integraler Bestandteil des Fußballalltags. Genauso wichtig ist es aber auch Fälle wie den Tod Maleikas nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und zu betonen, welche richtigen Schlüsse aus solchen Tragödien gezogen werden sollten. Offiziell hat der „Frieden von Scheeßel“ bis heute Bestand.

Weitere Aktionen an diesem Tag

Bis zum Jahre 2004 wurden in Gedenken an Adrian Maleika Fanturniere veranstaltet. Da die Familie von Adrian aber die große Aufmerksamkeit meiden wollte, entschloss man sich, diese einzustellen. Aus Rücksicht auf die Familie findet deshalb auch das Gedenken des SV Werder zu dem Thema traditionell in einem kleineren Rahmen statt.

Neben dem Gedenken im Ost-Oberrang wird es am Montagabend in Hamburg ebenfalls eine Gedenkveranstaltung geben, an der die SVW-Fanbetreuung teilnimmt. Es wird eine Gedenktafel am Ort des Geschehens in unmittelbarer Nähe zum Volksparkstadion aufgestellt und ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen gesetzt.

 
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