Nikolas Wachinger in Griechenland

Schach Jugend WM 2018

Nikolas Wachinger
Schach
Montag, 22.10.2018 / 08:59 Uhr

David Kardoeus

Auf der wunderschönen Halbinsel Chalkidiki (Griechenland) finden vom 19. bis zum 31. Oktober die diesjährigen Jugend-Weltmeisterschaften der Altersklassen U14, U14w, U16, U16w, U18 und U18w statt. Unter insgesamt 631 Spielern bei diesen Meisterschaften ist Werders Nikolas Wachinger einer von 14 deutschen Vertretern.

In der Altersklasse U16 darf er sich in insgesamt elf Runden gegenüber den anderen 119 Teilnehmern beweisen – selbstverständlich lautet die Devise: Dabei sein ist nicht alles! Das Essen im riesigen Hotel-Resort Porto Carras ist für eine derart große Veranstaltung erstaunlich gut und vielfältig und auch die gesamte Hotelanlage ist für den Bau in den 60er Jahren noch gut in Schuss. Die Wetterprognose für die nächsten Tage ist akzeptabel und sollten doch mal ein paar Tropfen runterkommen, dann macht das Schach spielen gleich viel mehr Spaß. Es geht los!


Tag 1: Samstag, den 20.Oktober 2018

Nachdem wir bereits am Freitag in Thessaloniki gelandet und mit einem Bus zum Hotel gebracht worden waren, ging es nach dem Check-In zum Abendessen. Die Auslosung zur ersten Runde kam erst am Samstagmorgen, sodass vor der mehr als unauffälligen Eröffnungszeremonie noch genug Zeit für eine Vorbereitung blieb. Der griechische Gegner wählte jedoch eine von mir und Nikolas weniger beleuchtete Variante aus und konnte schon früh mit den schwarzen Steinen ausgleichen. Nikolas stand nach ein paar weiteren Zügen aktiver, versuchte einen Königsangriff einzuleiten, doch der Gegner tauschte geschickt ab und konnte positionell noch ein wenig drücken. In einer eher unangenehmen Stellung bot der Grieche ein Remis an mit dem sich Nikolas situationsbedingt zufriedengeben konnte. Am Sonntag müssen die Kräfte gut eingeteilt werden, da eine Doppelrunde ansteht, in der wir am besten zwei Punkte mitnehmen wollen – bei diesem Teilnehmerfeld eine alles andere als leichte und vor allem eine konditionell anspruchsvolle Aufgabe!


Tag 2: Sonntag, den 21.Oktober 2018

Am Tag der einzigen Doppelrunde war nicht viel Zeit um wach zu werden. Um 10.00 Uhr sollten bereits die Uhren in der Olympic Hall laufen, sodass das Frühstück mit erhöhter Geschwindigkeit vertilgt wurde. Ich konnte mir gerade noch einen Kaffee mit aufs Zimmer nehmen, ehe Nikolas mich mit seiner Vorbereitung vom Brett putzen wollte. Doch es kam anders, denn der Kaffee wirkte Wunder und ich konnte mit dem Londoner System 100% der Blitzpartien für mich entscheiden. Für Schwarzspieler gibt es ansich nichts schlimmeres, als gegen das Londoner System zu verlieren, aber Nikolas erholte sich schnell von den Pleiten gegen seinen Trainer und konnte schon auf dem Weg zum Turniersaal wieder schmunzeln. Es sollte einen Klassiker geben, an diesem Morgen: England gegen Deutschland oder auch Alfie Onslow (Elo 2037) gegen Nikolas Wachinger! Schon im ersten Zug verflogen alle Ängste vor dem Londoner System, denn es kam 1.e4 aufs Brett und Nikolas brachte die beiden in sizilianisches Terrain. Nun konnten einige Züge aus dem Ärmel geschüttelt werden und es war der Engländer, der zuerst "out of book" war! Erstaunlich, da er es war, der sich auf diese Variante gut hat vorbereiten könne. Nun folgten die ersten krummen Dinger und Nikolas erspielte sich mit präzisen Zügen einen beachtlichen Vorteil auf dem Brett und auf der Uhr. Als es so schien, er würde die Katze bzw. den Engländer quasi im Sack haben, da übersah er prompt einen starken Konter und stand urplötzlich sehr schlecht, am Brett war es dennoch viel zu kompliziert und der Engländer hatte nur knapp 5 Minuten für 15 Züge. Die nutzte er geschickt um Nikolas' Stellung wieder zu verbessern, ehe Nikolas den vollen Punkt in den Hafen fahren konnte! Schönes Ding!

Zur Halbzeit gab es wie immer fünf Stücke Pizza und ordentlich Nachtisch. Kulanterweise wurden die Essenszeiten für den Doppelrundentag verlängert, sodass alle Teilnehmer gut gestärkt in die nächste Runde starten konnten. Nikolas durfte nach zügiger Vorbereitung gegen einen FM aus Sri Lanka spielen und es kam die gleiche Eröffnung wie am ersten Tag. Erneut schien der Gegner sich aber nicht besonders gut vorbereitet zu haben und investierte viele Minuten, sodass Nikolas erneut einen beachtlichen Zeitvorteil erlangte. Dann verzockte er sich allerdings, spielte wohl einen Tick zu schnell und übersah einen Gegenstoß, der ihn sofort in eine schlechtere Stellung warf. Diese war für Schwarz so einfach zu spielen, dass er sich promblemlos zur Zeitkontrolle befördern konnte und die Oberhand behielt. Von da an war für Nikolas leider keinerlei Gegenwehr möglich; die schlechtere Leichtfigur, den passiveren König und die wackligere Struktur konnte der Gegner zu seinen Gunsten verwerten. Ein bitterer Punktverlust, da der Gegner nach einer schlecht gespielten Eröffnung mit einem Patzer von Nikolas belohnt worden war und im Anschluss keinerlei schwierigen Entscheidungen zu fällen hatte – aber so ist es manchmal im Schach! Acht Runden sind nun noch zu spielen und mit dem Sieg im Pizzastücke-Wettessen (10:9), sowie dem gekonnten Skill mich beim Minutenblitz über die Zeit zu drücken, hat Nikolas noch zwei Erfolge verbuchen können.


Tag 3: Montag, den 22. Oktober 2018

Nach dem anstrengenden Vortag hatten wir eine entspannte Vorbereitung für den Folgetag geplant.
Ohne Hektik und mit 3 Kaffee ging es also wieder in die Höhle des Löwen, das Trainerzimmer! Wir bereiten Nikolas auf einen langen Kampf gegen den ungarischen FM Tamas Gunes Ongut (Elo 2185) vor. Zuerst sollte mit den schwarzen Steinen ausgeglichen, im Anschluss dann die schweren Geschütze (oder auch Figuren) aufgefahren werden! Beim Mittagessen gab es mal wieder Pizza und ich wurde über Furious Pete aufgeklärt: ein Kampfesser, welcher sich unzählige Mahlzeiten in kürzester Zeit verabreicht und sich dabei filmt. Das musste mir Nikolas nach dem Mittagessen direkt auf Youtube zeigen und ich war sprachlos. Bevor die Runde startete vertrieben wir uns die Zeit noch weiter auf Youtube und schauten uns eine Spannende Dame-Partie an – das wohl zweitcoolste Brettspiel der Welt! Leider kam unsere Vorbereitung dann nicht aufs Brett, dafür aber eine Variante, welche wir die Tage schon genauer inspiziert hatten. Nikolas kannte noch ein paar Züge, musste dann aber die Rübe anstrengen. Genau wie seine Gegner vom Vortag investierte er viel Zeit in die Eröffnung, kam aber dennoch nicht sonderlich gut davon. Der Gegner hatte einen langfristigen Plan, Nikolas hingegen hatte keinen Plan. Der Ungar träumte jedoch ein wenig vor sich hin und half Nikolas mit positionell schwachen Zügen, als der Bremer bereits in zeitlicher Not war. Mit stupiden Abwartezügen konnte sich Nikolas über die Zeitkontrolle retten und im Anschluss die nun leicht angenehmere Stellung langsam aber sicher ausbauen. Mit einem krassen und spannenden Showdown konnte Nikolas den zweiten vollen Punkt des Turniers einfahren und hat nun 2,5/4. Ziemlich erleichtert kam er rechtzeitig zum Abendessen zurück und ließ sich die Pizza nun so richtig gut schmecken (Randinformation: das Buffet bietet auch noch andere Speisen).

Es bleibt vorerst aber keine Verschnaufpause. Der nächste Gegner heißt Hongchi Peng (Elo 2273) und kommt aus China. Er wird die weite Reise nicht umsonst angetreten haben wollen; wäre mir aber trotzdem recht, wenn er gegen Nikolas mit leeren Händen davongeht!


Tag 4: Dienstag, den 23. Oktober 2018

Das Wetter ist nach wie vor überragend, hier in Porto Carras! Wir haben 20 Grad, Sonnenschein und die Schlechtwetter-Vorraussage wurde von einem lauen Lüftchen verweht. Nach dem Frühstück am heutigen Morgen ging es direkt ran an die Vorbereitung. Es wurden viele Varianten durchgekaut, da nicht ganz klar war, was aufs Brett kommen würde - wäre ja auch zu schön! Nach dem Mittagessen (Pizza) wurden die lange angeschauten Varianten im Schnelldurchlauf nocheinmal geblitzt, ehe es zum Gruppenfoto der deutschen Delegation im wunderschönen Yachthafen ging. Mit leichter Anspannung ging es dann die Treppen rauf zur Olympic Hall und rein in den Hexenkessel! Die ersten Züge erleichterten Nikolas, da ein paar nervige Varianten ausgeschlossen werden konnten. Nach und nach zeichnete sich dann eine Variante ab, welche Nikolas sage und schreibe bis zum vierzigsten Zug vorbereitet hatte. Im 33. Zug einer Nebenvariante machte der Gegner dann einen Fehler (Nikolas hatte 9 Minuten mehr auf der Uhr als zu Beginn der Partie) und Nikolas musste das erste Mal ein wenig grübeln. Er löste aber alle Problemchen und verwertete seinen dicken Vorteil mehr als souverän. Im Nachhinein tat mir der Gegner ein wenig leid, da seine Vorbereitung aufs Brett kam und er auch eigentlich nicht viel verkehrt gemacht hatte, die Vorbereitung von Nikolas war aber einfach noch eine ganze Ecke besser! Ein wirklich toller Sieg, welchen ich jedem Schachbegeisterten nur allerwärmstens zum Nachspielen empfehlen kann.

Nun steht Nikolas bei 3,5/5 und wir haben fast die Hälfte aller Runden gespielt. Nach der sechsten Runde morgen haben wir am Donnerstag einen Ruhetag, an dem wir ein wenig abschalten können. An der Spitze des Altersklasse U16 steht der internationale Meister Shant Sargsyan (Elo 2463), der bisher aller Partien für sich entscheiden konnte und nun der einzige Spieler mit 100% ist. Nikolas steht aktuell auf Platz 22, dicht auf den Fersen vom frisch gebackenen IM Luis Engel aus Hamburg, der ebenfalls 3,5/5 Punkte geholt hat und Platz 20 belegt. Der Gegner am Mittwoch heißt Warre de Waele (Elo 2272) und kommt aus unserem Nachbarland Belgien.


Tag 5: Mittwoch, den 24. Oktober 2018

Nach dem Frühstück - welches ich wie immer erst 5 Minuten vor Schließung des Buffets aufsuchte – ging es für Nikolas und mich direkt wieder an die Vorbereitung. Vor dem Ruhetag wollten wir nochmal alles geben, um diesen nicht deprimiert verbringen zu müssen. Es wurden wieder enorm viele Varianten besprochen und analysiert, auf die Nikolas möglicherweise treffen würde. Je stärker die Spieler werden, desto abwechslungsreicher sind dann meistens auch die Repertoires und es wird immer schwieriger, alle mal vom Gegner gespielten Varianten mit einer vernünftigen Vorbereitung zu bedienen. So sehe ich das zumindest. Ich spüre aber auch, dass Nikolas das nicht ganz so sieht wie ich, denn er analysiert jede Variante bis zum geht nicht mehr, als wolle er einfach überall alles wissen. Mich beschleicht so langsam das Gefühl, dass er nicht die Varianten der Gegner widerlegen möchte, nein -  ich glaube er möchte einfach das komplette Schachspiel widerlegen (damit wir danach mit Dame anfangen können – cooles Brettspiel, siehe Tag 3)! Spaß bei Seite – wir wollten den Punkt und nachdem es zum Mittagessen wieder einmal Pizza gab ("never change a running system"), konnte einer gesunden Partie ja nichts mehr im Wege stehen! Auf dem Weg zur Spielhalle musste ich Nikolas noch mehrfach bezüglich der Uhrzeit anlügen, damit er nicht in Panik geriet. Ich hatte ihn noch ein paar Aufgaben rechnen lassen, obwohl wir schon längst auf dem Weg zur Partie hätten sein müssen – ich bin ja bekannt für mein Zeitmanagment. ;-) Am Brett wurde Nikolas dann doch ein wenig überrascht, da Warre De Waele (Elo 2272) in einen unerwarteten Königsinder ging und dann auch noch eine relativ moderne Variante in der Petrosian-Variante wählte. Alles aber halb so wild, da Nikolas sich an eine Partie von einer Schulschachmeisterschaft erinnerte, welche eine gefühlte Ewigkeit her war. Damals hatte Nikolas falsch gespielt und wusste nun, was an Ort und Stelle zu tun war! Nachdem auch dem Gegner die Züge ausgingen, wurde den beiden bewusst, wie kompliziert die Stellung wirklich war. Nikolas hatte jedoch den besseren Überblick und spielte giftig. Sein Gegner hatte zunächst einen erheblichen Zeitvorteil, den er aber wieder einbüßte, als er auf Nikolas Züge nicht mehr klar kam. Er fing an seinen König nach und nach immer mehr zu schwächen und verlor den Faden komplett. Nikolas schaute sich die Selbstzerstörung gelassen an und kippte hier und ds noch ein bisschen Salz in die Wunden. Im 34. Zug war dann Schluss mit lustig – auch der Gegner hatte genug gesehen!

Mit einem tollen Halbzeitstand von 4,5/6 steht Nikolas nun auf Platz 13 der Tabelle, IM Luis Engel steht mit einem halben Punkt Rückstand auf Platz 18 und an der Spitze der U16 regiert weiter der Armenier Shant Sargsyan (Elo 2463). Damit das Turnier für die Leser weiterhin spannend bleibt, müssen natürlich weiter Punkte gesammelt werden. Nach dem morgigen Ruhetag startet Nikolas also am Freitag um 15.00 Uhr (in Deutschland durch Zeitverschiebung um 14.00 Uhr) mit den schwarzen Steinen in die siebte Runde. Gegner ist IM Nodirbek Yakubboev aus Usbekistan (Elo 2522) und die Partie ist wie immer live zu verfolgen. Bleibt dran am Ball, Brett, Artikel oder was auch immer und drückt uns kräftig die Daumen!


Tag 6: Donnerstag, den 25.10.2018

Heute war also Ruhetag und wir konnten alles ein wenig entspannter angehen. Von den Veranstaltern wurde ein Tagestrip nach Saloniki angeboten und viele Mitreisende nahmen dieses Angebot auch war. Nikolas und ich wollten uns natürlich nicht komplett von den 64 Feldern abkappen, schließlich muss man auf Zack bleiben, bei einer Weltmeisterschaft! Wir bereiteten uns also in aller Ruhe auf den Usbeken vor und spielten unsere Varianten dann ein paar mal im Blitzmodus, nur um ein wenig Gefühl für die vielen Stellungstypen zu bekommen. Pizza. Weitermachen. Viel ist heute auch nicht mehr passiert. Nikolas und ich machten nach dem Abendessen noch einen Verdauungsspaziergang zur Olympic Hall  und trafen dort auf eine kleine Katze. Die war auch sehr zutraulich, kletterte die Parkbank hoch und setzte sich auf meinen Schoß, kroch in meine Lederjacke und wollte irgendwie auch garnicht mehr ablassen. Wir verabschiedeten uns nach einiger Zeit von der Katze, die das aber nicht so cool fand und uns auf unserem Rückweg verfolgte. Erst kurz vor dem Hotel konnten wir sie abhängen, womöglich wäre sie sonst die ganze Nacht im Fahrstuhl auf und ab gefahren oder hätte in der purple bar ein paar alkoholfreie Cocktails getrunken! Nikolas und ich spielten dann noch eine Schnellschachpartie um im Kampfmodus zu bleiben, um ernst zu bleiben und durch den Ruhetag nicht zu vergessen, wo wir hier sind und was wir hier wollen. Weltmeisterschaft. Punkte sammeln! Natürlich kam ich in der Trainingspartie völlig unter die Räder und auch der Computer (dieses parteiische Schwein!) fand im Nachhinein nur Nikolas' Züge gut – so soll es aber auch sein!

Morgen wird es also das erste Mal so richtig ernst: mit Schwarz gegen die nominelle Nummer 2 im Turnier und die Partie ist richtungsweisend für den Verlauf des Turniers. Mit einem Sieg spielt Nikolas natürlich ganz oben mit und ein Remis belässt ihn in der Lauerposition, um jederzeit die Spitzengruppe attackieren zu können!


Tag 7: Freitag, den 26. Oktober 2018

Auch am Freitag wurde wieder viel am Schachbrett gesessen. Vor, nach und natürlich auch während der Partie! Nikolas und ich gingen nach dem Frühstück nochmal alle Varianten durch und bearbeiteten noch ein paar Rechenaufgaben als kurzes "warm up". Die Vorbereitung war mal wieder mehr als nur umpfangreich und Nikolas hätte auch simultan sechs verschiedene Systeme bedienen können. Aufs Brett kam dann eine Benoni-Struktur, allerdings mit einem Fianchetto-Läufer im weißen Lager, was  generell lieber vermieden wird. Mit diesem Wissen konnte sich Nikolas natürlich wohl fühlen und er spielte seine Züge fehlerfrei runter. Sein Gegner wich aber früh von unserer Vorbereitung ab und Nikolas hatte eine konkrete Chance auf eine vorteilhafte Stellung. Die verpasste er leider, als er sich an die besprochenen Pläne hielt und die typische Züge spielte. Der Usbeke konnte einen Springer in Nikolas Stellung installieren und schränkte somit die schwarzen Steine stark in ihren Bewegungsmöglichkeiten ein. Das machte es für Nikolas nicht einfach und er wählte eine Variante, die einen guten praktischen Gedanken hatte. Leider spielte sein Gegner nach seiner verkorksten Eröffnung sehr gute Züge und fand auch hier das richtige Werkzeug, um Nikolas das Wasser abzudrehen. Am Ende konnte der Favorit verdient gewinnen, da er an den wirklich entscheidenden Stellen die besseren Mittel fand. Nun muss Nikolas natürlich noch eine Schippe oben drauf legen, da er den Spielern an den ersten Brettern noch den einen oder anderen Stein in den Weg legen will. Mit 4,5/7 ist aber natürlich noch alles im grün-weißen Bereich und die Reisegruppe von Nikolas ist mit aller Zuversicht dabei. Am Samstag geht es zunächst gegen den Slowenen FM David Stevanic (Elo 2281), welcher mit Schwarz ungefähr so performt wie der HSV in der 2.Bundesliga (liebe Grüße an unsere Freunde aus dem Norden)! Nach wie vor spielt Nikolas an den Live-Brettern, schaut also rein und drückt uns die Daumen!


Tag 8: Samstag, den 27. Oktober 2018

Nachdem gegen den Usbeken Yakubboev der erste Punkt mit Schwarz liegen geblieben war (vorher hatte Nikolas 100% geholt), sollte mit Weiß nun ein Sieg folgen. Wir bereiteten Nikolas auf eine Anti-Marshall-Variante vor, die vor nicht allzu langer Zeit auch von Fabiano Caruana, dem Herausforderer des Weltmeisters gespielt worden war. Wir hatten bereits ausgemacht, dass der Gegner kein geschultes positionelles Auge hat und er seine Partien nur durch Taktiken und Kombinationen gewinnen konnte. Eine positionelle Partie wollten wir also herbeiführen, in der unsere Züge einfach besser sind, wir Raum für unsere Figuren gewinnen können und aktiveres Spiel haben. Der Gegner zeigte sich zunächst nicht beeindruckt und folgte Levon Aronian, einem anderen Spitzenspieler. Die gewählte Variante dürfte bei genauem Spiel zu Zugumstellung führen, Nikolas hatte aber eine andere und ebenfalls gute Idee. Ein paar Züge später übersah er aber leider eine einzügige Taktik; eine Springergabel war ihm aufgrund eines gefesselten Bauern entgangen und die Partie war sofort hinüber. Das Motiv war ihm natürlich bekannt, die Fesslung seines Bauern hatte er aber nicht mehr wirklich im Sinn und somit fiel der Gabelzug nicht mehr unter die Kandidaten, die er für seinen Gegner berechnete. Eine natürlich extrem bittere Niederlage, da "die Partie gelaufen war, bevor sie überhaupt eine Partie war" wie Trainerkollege Felix Meißner (Trainer und Betreuer von IM Luis Engel) sagte. Nikolas verbockte sich leider selber die Chance, seine Stärken auszuspielen und der Partie seinen Stempel aufzudrücken. Nun stehen wir mit 4,5/8 Punkten im oberen Mittelfeld des Turniers, wollen aber natürlich noch vor dem Setzlistenplatz von Nikolas landen! Der bereits erwähnte Luis Engel hatte zum Ende seiner Vorbereitung bereits eine Gewinnstellung auf dem Brett, stellte den Vorteil jedoch durch ein hübsches aber inkorrektes Turmopfer wieder ein. Danach griff der Gegner jedoch ein weiteres Mal ins Klo und Luis bekam ein riesiges Endspiel, was er trotz ruhiger Spielweise und gegnerischer Zeitnot nicht gewonnen bekam. Auch die anderen deutschen Teilnehmer konnten an diesem Samstag nicht glänzen; bis auf IM Ashot Parvanyan (Elo 2428), welcher einen tschechischen Großmeister (Elo 2556) bezwingen konnte und nun mit 6/8 Punkten eine fabelhaften 5. Platz belegt! Zuschauen und mitfiebern!

Am Sonntag spielt Nikolas ein erneutes Mal mit den weißen Steinen und darf sich dieses Mal gegen den Russen FM Tigran Mukhutdinov (Elo 2256) beweisen. Dieser hatte seine Elozahl (2370) am Anfang des Jahres dem freien Fall überlassen und einen sagenhaften Absturz hingelegt! Nichts desto trotz wissen wir die russische Schachschule zu schätzen und müssen mit maximaler Konzentration an die Sache gehen, sonst wird das nichts! Parallel dazu dürfen unsere grün-weißen Kicker im wunderschönen Weserstadion Bayer Leverkusen abschießen und sich auf Platz zwei schieben – hier in Griechenland hören wir viel Werder-Musik von Afterburner! Selbstverständlich spielt Nikolas noch am Live-Brett, schaltet also ein und drückt die Daumen, auch für Ashot in der U18 und danach geht's zum Werder-Spiel oder auch auf den Freimarkt – viel Spaß Euch allen!


Tag 9: Sonntag, den 28. Oktober 2018

Die Vorbereitung an diesem Sonntagmorgen lief wie gewohnt sehr gut ab. Nikolas und ich verschafften uns einen Überblick am Buffet und entschieden uns beide für unzählige Mini-Croissants mit Nougatcreme. Nachdem Nikolas es bereits geschafft hatte meinen Speiseplan fürs Mittagessen ausschließlich auf Pizza umzustellen, habe ich nun auch meine "Eröffnung" angepasst und spiele mit den Croissants zum Frühstück wohl soetwas wie Französisch?! Nikolas überzeugt eben auf ganzer Linie! Als wir uns auch ein Bild von den Eröffnungen unseres Gegners gemacht hatten, wurden nun die einzelnen Varianten angeschaut und im Anschluss geblitzt. Da Nikolas ein weiteres Mal die weißen Steine führen durfte und sich der Russe auf ähnliche Varianten wie der Gegner aus Runde acht spezialisiert hatte, mussten wir uns nicht wirklich viele Züge anschauen. Lediglich die Überraschung vom Vortag wollten wir kein zweites Mal auf dem Brett haben und die Variante wurde einem kurzen Gesundheitstest unterzogen. Vor und nach dem Mittagessen wurden noch zwei, drei Rechenaufgaben aufgebaut, welche Nikolas mit Leichtigkeit absolvierte. Nachdem Sandra Wachinger und ich unseren Spieler zum Brett gebracht hatten, ließen wir uns (wie jeden Tag) im nicht weit entfernten Café nieder und bereiteten unsere mobilen Geräte für die Live-Übertragung vor. Bei Nikolas kam eine von ihm analysierte Variante aufs Brett und sein Gegner stellte ein Sammelsurium an Ungenauigkeiten zusammen. Der Bremer konnte früh einen Bauern für sich gewinnen und dominierte die schwarzen Steine so stark, dass es schwierig war vernünftige Züge für den Gegner zu finden. Mit einem Damentausch konnte sich der Schwarzspieler noch ein wenig Luft für seine Figuren schaffen, der zeitliche und materielle Vorteil von Nikolas war aber schon zu groß und der Russe streckte im 37. Zug die Waffen. Durch die Zeitverzögerung überraschte uns Nikolas bereits im Café als Sandra und ich noch angespannt die Daumen drückten. Nikolas hat zu Beginn des Turniers und nach dem Ruhetag einen kleinen Durchhänger gehabt, dürfte nun aber wieder voll im Modus sein; zwei Runden sind noch zu spielen und mit 5,5/9 steht der Werderaner nun auf Platz 30. Der Hamburger Luis Engel konnte seine Partie ebenfalls gewinnen und steht auf einem tollen 17. Platz. Von seinem Betreuer haben Sandra und ich jedoch erfahren, dass ein Platz in den Top 10 das Ziel waren, wofür noch ein guter Schlusspurt hingelegt werden muss. In der U18 konnte Ashot Parvanyan mit Schwarz ein Remis gegen einen polnischen IM (Elo 2453) erzielen und steht nach wie vor auf Platz 5 – super!

Am Montag geht es für Nikolas gegen einen lettischen FM namens Ilja Semjonovs (Elo 2245), welcher auf dem Papier ein tolles Turnier spielt. In der Qualität seiner Züge sehen Nikolas und ich jedoch unsere Chance und wir hoffen natürlich auch auf telepathische Unterstüzung aus dem schönen Bremen. Das Wetter scheint dort derzeit ein wenig abgekühlt zu sein - wir haben hier circa 15 Grad mehr auf dem Thermometer – somit lohnt sich Kiebitzen vor Ort also doppelt, kommt doch einfach her!
Viel Erfolg wünschen wir auch Collin Colbow in Uppsala (Schweden), wo er derzeit am "Young Champions" teilnimmt und vor Ort von Stephan Buchal unterstützt wird!


Tag 10: Montag, den 29. Oktober 2018

Am morgendlichen Frühstücksbuffet mussten wir uns bereits ein wenig anpassen, da es nur weiße Nougatcreme gab und diese in Kombination mit den Mini-Croissants keinen Wiederholungsbedarf erweckten. Zwei, drei Kaffee zum nachspülen und dann sollte es auf dem Zimmer an die Vorbereitung gehen. Doch falsch gedacht! Nikolas und Sandra sind ebenfalls eifrige Leser dieses mehrteiligen Berichts und als Autor muss ich mir schon am Frühstückstisch alle Rechtschreibfehler anhören. "Hier fehlt ein Komma, da hast Du nicht im Genitiv geschrieben und nichtsdestotrotz schreibt man in einem Wort und klein" – würde ich nichts desto trotz immer wieder falsch machen.
Sage und schreibe 19 Fehler tauchten laut Nikolas' Meinung bei Rechtschreibung, Komma- und Apostrophsetzung auf. Am meisten tut mir dabei Andreas Burblies leid, der den veröffentlichten Bericht im Nachhinein noch immer per Hand überarbeitet – danke für deinen Einsatz Andreas (ich fühle mit Dir)! Nachdem ich also gelernt hatte, was ein Possessivpronomen ist und wann ich dieses groß oder klein schreibe, hätte ich ruhigen Gewissens die Abiturprüfung des Deutsch-Leistungskurses besuchen können. Für die Vorbereitung blieb dennoch genug Zeit und wir bereiteten eine Variante vor, welche eher selten der genaueren Betrachtung unterzogen wird. Nikolas und ich wollten ein ewiges Theorieduell umgehen, geschweige denn neue Varianten lernen und lediglich eine spielbare Stellung auf dem Brett haben. Nach 15 Zügen hatten wir mit Schwarz ausgeglichen, der lettische Gegner (Elo 2245) war jedoch auch nur auf ein Remis aus und bot ausschließlich das Abtauschen von Figuren an. Durch einen Bauernabtausch nahm er zusätzlich jegliche Dynamik aus dem Spiel und Nikolas verblieb mit dem Läuferpaar und schlechterer Struktur. Zeitlich konnte er seinen Gegner wieder unter Druck setzen, dieser wollte aber weiterhin alles vom Brett nehmen und den halben Punkt einheimsen. Der Werderaner riskierte dann ein wenig zu viel und geriet in ein schlechteres Endspiel, welches der Gegner dann gewinnen konnte. Eine weitere extrem bittere Niederlage in diesem Turnier, da Nikolas ein erneutes Mal der einzige Spieler mit Gewinnversuchen war. Durch die kaputte Struktur kam er nicht dazu seine Stärken auszuspielen und er wurde 46 Züge lang geknetet. Seine Befreiungs- und Angriffsversuche verliefen sich durch solide gegnerische Verteidigung im Nichts.

Mit 5,5/10 hat sich Nikolas auf Platz 43 eingefunden, kann sich aber in der Schlussrunde nochmal ein ganzes Stück nach vorne schieben. In Runde 11 darf er gegen den Israeli Eyal Gabizon (Elo 2205) antreten und spielt dabei ein sechstes Mal die schwarzen Figuren. In der U18 hat IM Ashot Parvanyan mit Schwarz remis gegen den russischen GM Alexey Sarana (Elo 2641) gespielt und steht auch eine Runde vor Schluss noch auf Platz 5! Auch bei den Damen hat Annmarie Mütsch (Elo 2206) in der U16 noch hervorragende Chancen auf eine Medaille, da sie mit drei weiteren Spielerinnen die Tabelle anführt! Schaltet also ein, zur letzten Runde der Jugend Weltmeisterschaften in Griechenland und seid dabei, wenn Ashot, Annmarie, Nikolas und all die anderen deutschen Teilnehmer das Turnier mit einem Sieg beenden wollen! Partiebeginn ist um 9.00 Uhr deutscher Zeit und die Übertragung startet mit einer halben Stunde Verzug.


Tag 11: Dienstag, den 30. Oktober 2018

Auch an diesem Morgen gab es nur die weiße Nougatcreme am Frühstücksbuffet, was der erste kleine Dämpfer an diesem Tag war. Nikolas war auf viele Varianten mit vielen möglichen Zugumstellungen vorbereitet und wir mussten nach dem Frühstück nicht noch einmal draufschauen. Dafür war auch eigentlich keine Zeit, denn die Runde war auf 10.00 Uhr angesetzt. Wir blitzten noch ein paar Partien auf dem Zimmer und hörten wieder Werder-Musik; die Stimmung war gut! Am Brett wurde Nikolas ein wenig von der gegnerischen Vorbereitung überrumpelt. Es kam ein Königsinder aufs Brett, welchen wir nicht wirklich auf dem Schirm hatten. Vom Gegner hatten wir nicht besonders viele Partien gefunden und deshalb nur provisorisch vorbereitet, nicht aber ein bestimmtes System angeschaut. Der Israeli wiederholte eine Variante, die Nikolas bereits im Turnierverlauf gespielt hatte und änderte die Zugfolge ein wenig ab. Somit musste Nikolas an einer Stelle sehr genau spielen und einen eher unmenschlichen Zug finden. Er blieb aber bei den ihm bekannten Zügen und verrechnete sich in der Folge auch noch bei einem Abtausch. Dabei konnte der Gegner einen Bauern gewinnen, welchen er mit Mann und Maus verteidigte. Trotz herbster Versuche seitens Nikolas ließ der Gegner kein Gegenspiel mehr zu und verwertete seinen Vorteil langsam aber sicher. Reichlich frustriert über die ihm nicht bekannte Zugfolge in dieser Variante kam Nikolas nach der Partie zu Sandra und mir ins Café hinter der Olympic Hall. Im Königsinder muss man so viele verschiedene Varianten, Untervarianten und Zugumstellungen kennen, dass es immer ein Risiko birgt, sich für diese Stellungstypen zu entscheiden. Mit 5,5 Punkten aus 11 Runden ist Nikolas selbstverständlich nicht zufrieden; mit dem Großteil seiner Partien kann er es aber sein  - ich zumindest bin zufrieden! Dem Turnierverlauf nach schaut es so aus, als wäre Nikolas in der zweiten Häfte des Turniers die Puste ausgegangen und die magere Ausbeute (1/5) wäre konditioneller Schwäche geschuldet. Bei genauerer Betrachtung sind es jedoch individuelle Fehler im Kombinationsspiel oder in der Vorbereitung gewesen, nicht aber ein Zusammenbruch der Qualität seiner Spielanlage.

Zum Schluss hatte Nikolas noch einmal großen Kampfgeist bewiesen, in den letzten beiden Runden als Nachziehender kein Remis gewollt und auch in schlechterer Stellung nicht nachgelassen, sich niemals aufgegeben. Im Endklassement landete Nikolas Wachinger auf Platz 53, Luis Engel aus Hamburg konnte in der letzten Runde den russischen GM Esipenko (Elo 2609) bezwingen und landete auf einem tollen Platz 6. In der U18 siegte Ashot Parvanyan ebenfalls und landete mit 8/11 Punkten auf Platz 5! In der U16w gewann Annmarie Mütsch in der letzten Runde das Spitzenrennen und sorgte bei der Ehrung ihrer Altesklasse für einen Gänsehaut-Moment: als sie auf die Bühne zuschritt, erhoben sich alle Anwesenden von ihren Plätzen und es wurde die deutsche Nationalhymne gespielt. Annmarie ist in ihrer Altersklasse nämlich zur neuen Weltmeisterin gekürt worden – herzlichen Glückwunsch!!

Bereits im November geht es für Nikolas mit dem deutschen Team zur Mannschafts-Olympiade der Altesklasse U16 in die Türkei. Nach seiner etwas verkorskten ersten Weltmeisterschaft hier in Griechenland hat er seinen Blick bereits wieder nach vorne gerichtet und beweist damit große Stärke. Sandra, Nikolas und ich hatten hier im Grand Resort Porto Carras eine tolle Zeit mit viel Schach, Sonnenschein und Pizza!

Wir verabschieden uns und reisen morgen früh wieder nach Deutschland.
Bis nächstes Jahr! ;-)


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